Zeitumstellung: Die entschlafene Debatte

28 Okt 2023

Zeitumstellung

Am letzten Wochenende im Oktober werden wieder die Uhren umgestellt. In der Nacht auf Sonntag geht die Sommerzeit zu Ende – um 3.00 Uhr werden die Uhren um eine Stunde zurückgestellt. Die „geschenkte“ Stunde erlaubt einmalig ein längeres Ausschlafen, damit ist es früher hell, dafür nachmittags früher finster. Die EU-Debatte zur Abschaffung der Zeitumstellung ist längst sanft entschlafen – außer in Deutschland, von wo die Initiative ausging.

Zeitumstellung - Figure 1
Foto ORF

Online seit gestern, 17.03 Uhr

Dass sich das jährliche Jammern in ein Politikum verwandelt hatte, war die Folge einer 2018 durchgeführten EU-weiten Onlineumfrage. Bei dieser hatten sich 84 Prozent der Teilnehmer für ein Aus der Zeitumstellung und eine dauerhafte Sommerzeit ausgesprochen. 4,6 Millionen Antworten, davon die überwiegende Mehrheit von drei Millionen aus Deutschland, gingen ein – ein Rekord, aber immer noch weniger als ein Prozent der EU-Bürger.

Das Europaparlament stimmte daraufhin im März 2019 mit großer Mehrheit für die Abschaffung der Zeitumstellung per 2021. Die EU-Kommission schlug vor, dass die Staaten stattdessen selbst entscheiden sollen, ob sie dauerhaft Sommer- oder Winterzeit haben wollten. Was für eine Umsetzung noch aussteht: die erforderliche Abstimmung der Mitgliedsstaaten. Die EU-Kommission wiederholt seitdem wie in Dauerschleife auf die saisonalen Anfragen: „Der Ball liegt nun im Feld der Mitgliedsstaaten.“

Bei abendlichen Spaziergängen ist es ab jetzt schon früh dunkel Österreich wäre für ständigen Sommer

Das offizielle Österreich bevorzugt bei einer Vereinheitlichung eine ständige Sommerzeit als Standardzeit, eine Umfrage 2018 kam zum selben Ergebnis in der Bevölkerung. Generell ist die Haltung gegenüber der Zeitumstellung gleichgültiger als in Deutschland, wo sich in jährlichen Umfragen traditionell recht viel Unmut zeigt. Jeder dritte Mensch in Deutschland leide unter der Zeitumstellung, so eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit. Das sei der höchste Wert seit zehn Jahren.

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Foto ORF

Kritikerinnen und Kritiker der Zeitumstellung führen neben gesundheitlichen Belastungen ins Feld, dass diese ihren ursprünglichen Zweck nicht erfüllt. Eigentlich sollte das Vorstellen der Uhr im Frühjahr zum Energiesparen in der hellen Jahreszeit beitragen. Die Überlegung: Wenn sich der Tag um eine Stunde nach vorn verschiebt, wird weniger Beleuchtung und damit weniger Strom verbraucht. Dadurch entstehende Energiespareffekte sind allerdings kaum nachweisbar.

Grönland schafft Zeitumstellung ab

Während Österreich und andere europäische Länder zögern, hat sich Grönland bereits entschieden und schafft die Zeitumstellung ab. Anders als in Österreich werden somit die Uhren auf der größten Insel der Erde diesmal nicht zurückgestellt. Die Grönländer wollen dadurch eine Stunde näher an Dänemark und den Rest Europas heranrücken. Die Zeitverschiebung zwischen Grönland und Österreich beträgt damit nur noch drei statt vier Stunden.

Relikt aus Ölkrisenzeiten

Eingeführt wurde die Sommerzeit 1973 in Europa anlässlich der Ölkrise und mit der Absicht, Energie zu sparen. Mit der Zeitverschiebung sollte eine Stunde Tageslicht für Unternehmen und Haushalte gewonnen werden. Frankreich machte damals den Anfang.

Österreich beschloss die Einführung erst 1979 wegen verwaltungstechnischer Probleme und weil man eine verkehrstechnische Harmonisierung mit der Schweiz und Deutschland wünschte. Diese beiden Länder führten die Sommerzeit erst 1980 ein. Allerdings gab es in Österreich bereits im Ersten Weltkrieg schon einmal die Sommerzeit. Im Jahr 1916 galt sie für die Monarchie von 1. Mai bis 30. September, wurde dann aber wieder eingestellt. Ein zweiter Versuch wurde in den Jahren 1940 bis 1948 unternommen.

Technisch kaum mehr der Rede wert

Rein technisch ist die Zeitumstellung kaum mehr der Rede wert: Handyuhren und Zeitanzeigen von smarten Haushaltsgeräten überspringen die Stunde im Normalfall automatisch. Sie bekommen, wie auch die meisten Uhren im öffentlichen Raum, ein Signal von der Atomuhr bei Frankfurt. Eine größere Herausforderung ist für viele Menschen die Umstellung der Digitalanzeige in älteren Autos und noch schwieriger die der inneren Uhr.

Vor allem Eltern macht die Zeitumstellung oft zu schaffen, kann man den eigenen Biorhythmus doch wesentlich einfacher austricksen als jenen der Kinder. Expertinnen und Experten raten dazu, wenn möglich Routinen wie Abendessen und Bettgehrituale sukzessive über mehrere Tage nach hinten zu verlegen, um einen möglichst sanften Übergang zu schaffen.

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