Die Frauen und Picasso – der Mythos einmal umgedreht

12 Apr 2023
Die letzte Gefährtin, Jacqueline Roque, dominierte das Spätwerk des Erotomanen: Nackte Frau mit Vogel und Flötenspieler, 1967

Die letzte Gefährtin, Jacqueline Roque, dominierte das Spätwerk des Erotomanen: Nackte Frau mit Vogel und Flötenspieler, 1967 ALBERTINA, Wien – Sammlung Batliner © Succession Picasso/ Bildrecht, Wien 2023

Rose-Maria Gropp stellt in „Göttinnen und Fußabstreifer“ herrlich unsentimental die Frauen vor, die in Picassos absehbares System des Grauens geraten sind.

Elf Frauen sind es, die Rose-Maria Gropp dafür herangezogen hat, um ihren eigenen Buchtitel Lügen zu strafen: Das Klischee der „Göttinnen und Fußabstreifer“, ein überliefertes Zitat Picassos über Frauen, will die deutsche Autorin und Kunstkritikerin brechen. Sie will mit ihren genau recherchierten schriftlichen Porträts die gemalten Porträts, die Picasso von seinen darin großteils leidenden Geliebten geschaffen hat, als das deutlich werden lassen, was sie vor allem sind: Picassos Kunst. Sie zeigen nicht das Leben dieser Frauen. Es waren wohl viel mehr, mit denen der vor 50 Jahren verstorbene Übermaler „ein wenig geschlummert“ hatte, wie er es diskret ausdrückte. Gropp konzentrierte sich auf die ihr interessantesten, darunter natürlich die hinlänglich aus dem Picasso-Mythos bekannten wie Dora Maar, Marie-Thérèse Walter und Francoise Gilot. Aber auch seltsame Groupie-Figuren wie Geneviève Laporte, die erst seit Kurzem bekannte Affäre „Gaby“ Depeyre und platonische Bekannte wie Gertrude Stein und Sylvia David.

Gropp widersteht dem Zeitgeist, das aus heutiger feministischer Sicht leicht zu verurteilende Beziehungsschema Picassos (Bewunderung, Unterdrückung, Betrug, Vernichtung) anzuprangern. Es wird sowieso in seiner Misogynie unverkennbar: durch die sich recht stupid wiederholenden Muster einerseits und in den jeweils zunehmend heftig deformierten Frauenkörpern in seinen Bildern andererseits. Gropp urteilt nicht vordergründig moralisch darüber, eher vernachlässigt sie die Person Picasso vermutlich sogar absichtlich. Dadurch bereitet sie den betroffenen Frauen, die bisher vor allem als „Musen“, Furien oder „Privatmärtyrerinnen“ in die Picasso-Literatur eingebettet waren, die Bühne in vollem Ausmaß.

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