Putin verliert nach Moskau-Anschlag immer mehr die Kontrolle in ...

29 Tage vor
StartseitePolitik

Stand: 29.03.2024, 04:58 Uhr

Von: Victoria Krumbeck

KommentareDrucken

Der Terroranschlag bei Moskau hat Russlands Schwachstellen aufgedeckt. Die Bevölkerung hat Angst. Was auf Putin nach den Anschlägen zukommt.

Wladimir Putin - Figure 1
Foto Frankfurter Rundschau

Moskau – Der Terroranschlag in der Crocus City Hall mit mindestens 143 Toten hat Russland erschüttert. Der russische Präsident Wladimir Putin steht vor der Entscheidung, wie er weiter machen soll. Anstatt sich gestärkt mit dem guten Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl auf die weiteren Schritte im Ukraine-Krieg zu konzentrieren, muss er allerdings um das Vertrauen der Bevölkerung bangen. Der Anschlag verunsichert viele Russen und Russinnen und deckt nach dem Terror bei Moskau die Schwächen Russlands auf.

Putins Kontrollverlust nach dem Anschlag bei Moskau – Russen haben „Angst“

Eigentlich hatte Putin nach der Russland-Wahl, bei der er laut offiziellen russischen Angaben 88 Prozent der Stimmen bekam, einen Auftrag für das Fortführen seines politischen Kurses bekommen. Schon wenige Tage nach der Wahl sprach der Kreml nicht mehr von einer „militärischen Spezialoperation“, wie der Ukraine-Krieg seit dem Überfall auf die Ukraine bezeichnet wurde, sondern von einem „Kriegszustand“. Besorgniserregend: Bei den Präsidentschaftswahlen sollen Schätzungen zufolge rund 22 Millionen Stimmen manipuliert worden sein.

Russlands Präsident Wladimir Putin verliert nach dem Terroranschlag in der Crocus City Hall das Vertrauen der Bevölkerung. © Mikhail Metzel/dpa

Mit dem Anschlag bei Moskau, zu dem sich der IS-Ableger Provinz Khorasan (ISPK) bekannt hat, ist eine neue Gefahr für Putin und die Bevölkerung aufgetreten. „Normale Russen, die vor zehn Tagen noch dachten, sie würden für einen vertrauenswürdigen Führer stimmen, haben jetzt Angst vor der Zukunft“, schreibt der Journalist und Korrespondent Roger Boys in der Londoner Times. Der mutmaßliche Terroranschlag habe laut dem Militärexperten Nico Lange die „Schwäche des russischen Machtsystems“ aufgedeckt, wie er dem ZDF sagte. „Durch aggressive Rhetorik, durch besonders hartes Vorgehen“, versuche Russland nun, die Schwäche des Kreml zu überspielen.

Terroranschlag bei Moskau: Russland beschuldigt Ukraine – Auswirkungen für Putin groß

Warnungen vor einem Anschlag durch den Islamischen Staat (IS), die zwei Wochen zuvor von der USA kamen, wurden von Russland ignoriert. Nun versucht der Kreml, mit einer Theorie die Ukraine in den Anschlag zu verwickeln, um von seinem eigenen Versagen abzulenken. Immer öfter sprechen russische Politiker davon, dass die mutmaßlichen Täter im Auftrag der Ukraine gehandelt haben sollen. Bislang haben die Behörden elf Personen festgenommen, darunter sollen sich auch die vier Schützen befinden.

Putins Möglichkeiten nach dem Terror wohl eingeschränkt: „Eine Erzählung ist gescheitert“

Putin steht jedoch nach dem Anschlag bei Moskau vor einem Dilemma. Laut Boys gibt es drei Szenarien, wie Putin mit der Situation weiter umgehen kann: Zum einen könnte der Kreml-Chef bei den Verbindungen zwischen den Terroristen und Kiew bleiben. Doch „die Putin-Propagandisten haben bei dem Versuch, eine Verbindung Kiews zum Islamischen Staat herzustellen, zu weit gegriffen und sprechen nun stattdessen vage über westliche Strippenzieher. Dann weiß man, dass eine Erzählung gescheitert ist“, schreibt Boys.

Eine weitere Möglichkeit wäre das Einfrieren des Ukraine-Krieges und der Fokus auf den allgemeinen Krieg gegen den Terror. Damit könne Putin den Mittelpunkt wieder auf die Sicherheit in Russland setzen. Das dritte Szenario wäre Putins Kontrollverlust. Er habe zugelassen, „dass interne Fehden innerhalb des aufgeblähten Geheimdienstapparats außer Kontrolle geraten“, analysiert Boys. „Die Rückkehr des islamistischen Terrors nach Russland war sowohl vorhersehbar als auch ignoriert [worden]“, so der Experte weiter.

Putin zwischen Ukraine-Krieg und IS-Terror: „Große Gefahr für Russland“

Sollte Putin anerkennen, dass der IS hinter dem Anschlag bei Moskau steckt, würde von ihm erwartet werden, dass er gegen ihn vorgeht. „Das kann er aber nicht, weil er alle seine Kräfte, alle seine Sicherheitskräfte – auch den Geheimdienst FSB – im Angriffskrieg gegen die Ukraine gebunden hat, wo er nicht das erreicht, was er gern erreicht hätte“, so Lange. Die IS-Verbindung zu Kiew scheint für Putin damit ein Ausweg zu sein, um den Fokus weiterhin auf den Ukraine-Krieg halten zu können.

Doch die Bevölkerung in Russland scheint verunsichert: „Angst und Misstrauen haben bereits zum Aufblühen aller möglichen Verschwörungstheorien geführt, die alles, was der Kreml über den Anschlag [...] gesagt hat, infrage stellen und untergraben“, schreibt der Geheimdienstexperte Andrei Soldatow im britischen Guardian. Die Gefahr weiterer IS-Anschläge und der weitere Krieg in der Ukraine sei „für Russland eine ganz große Gefahr und könnte auch zu einer Destabilisierung innerhalb des Landes beitragen“, erklärt auch Lange. Jede Entscheidung Putins birgt damit also ein Risiko, das am Ende die Russen und Russinnen verunsichern und einen Kontrollverlust von Wladimir Putin als Folge haben könnte. (vk)

Auch interessant
Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten