Keine FPÖ-Koalition: An Vranitzky-Doktrin nagt "Zahn der Zeit"

21 Tag vor
Vranitzky

Die Spionagevorwürfe gegen den Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott prägen die Politik schon seit Tagen. Die Fehler in der Vergangenheit zu suchen und politische Entscheidungen früherer Regierungen "zu verdammen", ist für den ehemalige ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel in "Heiß Umfehdet" fehl am Platz. Unterdessen übt Ex-SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky Kritik an der FPÖ, wegen mutmaßlicher Russland-Kontakte. Das sei "nicht Österreich-förderlich".

1989 fiel der Eiserne Vorhang. Der SPÖ-Politiker Franz Vranitzky war damals Bundeskanzler (von 1986 bis 1997). Knapp 35 Jahre später herrscht ein Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine und Österreich beschäftigt ein Spionage-Skandal.

Seit Bekanntwerden des Spionage-Verdachts rund um den ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott machen sich FPÖ und ÖVP gegenseitig Vorwürfe. Vor allem die FPÖ steht wegen ihrer Russland-Kontakte in der Kritik, etwa weil die Partei 2016 einen Vertrag mit der Putin-Partei abgeschlossen hat.

Der ehemalige ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (von 2000 bis 2007) hält in "Heiß Umfehdet Spezial" bei PULS 24 diesen "Freundschaftsvertrag" für "höchst gewöhnungsbedürftig". Am Mittwoch relativierten der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer und der FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker bei einer Pressekonferenz diese mutmaßliche Russland-Nähe. 

FPÖ "nicht Österreich-förderlich"

Vranitzky hält die FPÖ, die seiner Meinung nach "schon immer die Neigung hatte, sich mit Parteien abzugeben, die an politischen Rändern standen", für "nicht Österreich-förderlich". Er verstehe deshalb auch Parteien, die klar deklarieren, dass sie nicht mit der FPÖ koalieren wollen.

"Welchen Nutzen hat eine Partei, die sich mit einem Staat zusammentut, der einen anderen überfällt? Die Antwort: gar keinen, sondern Schaden", so Vranitzky. 

Mehr lesen: Klenk: "Keine Agentenkomödie, sondern lebensbedrohliche Situation"

Seit 1986 schlossen Vranitzky und seine Partei eine Koalition mit der FPÖ aus. In der SPÖ wurde aus dieser Haltung eine "Doktrin", die bis heute gilt.

Heute möge an dieser Haltung bereits der "Zahn der Zeit genagt" haben, so Vranitzky. Doch im Kern gelte sie noch immer. Grundsätzlich bringe jede Partei, die gewählt worden ist, die Voraussetzung mit, in eine Regierung einzutreten, sagt er. Doch es brauche immer auch eine inhaltliche Konformität mit der Partei, die mit der Regierungsbildung betraut wurde. 

"Kann nicht verneinen, zu wenig Wert auf Staatssicherheit gelegt zu haben" 

Dass die österreichische Politik in den vergangenen 30 Jahren Russland unterschätzt hat, verleugnet Vranitzky bei Corinna Milborn nicht. "Man kann heute nicht verneinen, zu wenig Wert auf Staatssicherheit gelegt zu haben".

Man habe sich in erster Linie auf industrielle Kooperationen sowie Waren- und Dienstleistungsaustausche mit unter anderem der damaligen Sowjetunion fokussiert. 

Schüssel hält es für den falschen Ansatz, "im Rückblick alles zu verdammen". 1989 war ein "magisches Jahr". Mit den ehemaligen Präsidenten der Sowjetunion Gorbatschow und den ehemaligen russischen Präsidenten Jelzin habe es "große Hoffnung" gegeben.

"Man soll jetzt nicht so tun, als hätte man das alles wissen sollen, was Russland an demokratiebeschädigenden Maßnahmen vorhat", so Schüssel. 

Mehr lesen: ÖVP: "Kickl hat Sicherheit Österreichs an Russland verraten"

Vielmehr solle man nun aus den Erfahrungen lernen, etwa im Umgang mit China. "Wir sind bei den Solarmodulen stark von China abhängig. Da ist Wachsamkeit gefordert", sagt er. Laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur sollen bis zu 95 Prozent der Module der EU aus China stammen. 

Video: Was hatte Kickl mit BVT vor?NATO-Beitritt "nicht unbedingt nötig"

Immer wieder diskutiert wird auch ein möglicher Beitritt Österreichs zur NATO. Schüssel hatte das 2001 schon als Option gesehen. Doch ein NATO-Beitritt sei laut ihm heute "nicht unbedingt nötig". Durch die Solidaritätsverpflichtung der EU müsse man mit gewissen Maßnahmen ohnehin mitgehen.

Mehr lesen: VdB zum Spionage-Skandal: "Kann schon nervös machen"

Man sei bereits gut aufgestellt. Es könnte künftig sogar ein Vorteil sein, kein NATO-Mitglied zu sein, sagt er mit Blick auf die kommenden Präsidentschaftswahlen in den USA.

"Es könnte sein, dass da ein anderes Ergebnis herauskommt, als sich der ein oder andere wünscht, dann kann es sogar gut sein, dass die Europäer mehr für die eigene Sicherheit tun", meint Schüssel. 

Auch Vranitzky glaubt, dass es in der eigenen "Abwehrformation, die uns schützt", einiges aufzuholen gibt. "Das Bundesheer ist von der Regierung vernachlässigt worden, auch von meiner Regierung, daher ist es richtig und wichtig, wenn man das jetzt aufholt", so der SPÖ-Ex-Kanzler.

Das gesamte Interview bei "Heiß Umfehdet Spezial" mit Corinna Milborn am Mittwoch, dem 10. April 2024, um 21.00 Uhr auf PULS 24 & JOYN.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche