Ukraine-Showdown im Kongress: Johnson bricht mit den Hardlinern

Ukraine-Showdown in den USA: Speaker Johnson bricht mit den Hardlinern – die rechten Republikaner fordern seinen Kopf

Mike Johnson - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Nach langer Verzögerung will der republikanische Speaker Mike Johnson die Hilfsgelder für die Ukraine und Israel am Samstag zur Abstimmung bringen.

Alle Augen in Washington sind diese Woche auf Speaker Mike Johnson gerichtet.

Mariam Zuhaib / AP

Am Ende könnte für Kiew doch noch alles gutkommen im amerikanischen Kongress. Bereits im August hatte Präsident Joe Biden das Parlament um zusätzliche Hilfsgelder für die Ukraine, Israel und Partnerländer wie Taiwan im Indopazifik gebeten. Im Februar verabschiedete der von den Demokraten dominierte Senat ein Paket von insgesamt 95 Milliarden Dollar. Doch obwohl die Lage für die ukrainischen Soldaten an der Front immer verzweifelter wurde, weigerte sich Mike Johnson, der republikanische Speaker im Repräsentantenhaus, die Vorlage zur Abstimmung zu bringen. Sein rechter Parteiflügel drohte ihm mit der Absetzung, so wie die Hardliner es bereits mit seinem Amtsvorgänger Kevin McCarthy im Oktober getan hatten.

Nun allerdings scheint Johnson die Geduld verloren zu haben. Am Mittwoch kündigte er fünf separate Gesetzesvorlagen an, über die er am Samstag abstimmen lassen will. Diese umfassen erstens rund 60 Milliarden Dollar für die Ukraine, zweitens 26 Milliarden Dollar für Israel und drittens 8 Milliarden Dollar für den Indopazifik. In dem Paket für Israel sind zudem 9 Milliarden Dollar an humanitärer Hilfe für den Gazastreifen und andere Konfliktregionen in der Welt vorgesehen.

Biden könnte bekommen, was er schon lange wollte

Die vierte Vorlage enthält eine ganze Reihe von Gesetzen. Dazu gehört ein Verbot für Tiktok, sollte der chinesische Mutterkonzern das soziale Netzwerk nicht verkaufen. Eine andere Regelung soll es erlauben, russische Vermögenswerte zu beschlagnahmen, um den Wiederaufbau in der Ukraine zu finanzieren. Schliesslich umfasst dieses vierte Gesetzespaket weitere Sanktionen gegen Russland, Iran und China.

Die fünfte Vorlage sieht Verschärfungen der Einwanderungspolitik und Massnahmen zum Schutz der Südgrenze zu Mexiko vor. Mit dem Gesetz will Johnson vermutlich den rechten Parteiflügel besänftigen. Die Hardliner hatten stets eine härtere Migrationspolitik zur Voraussetzung für ihre Zustimmung zu den Ukraine-Geldern gemacht. Im Februar scheiterte jedoch genau ein solcher Kompromiss im Senat, weil Donald Trump ihn ablehnte. Der republikanische Präsidentschaftskandidat will das Migrationsproblem offenbar nicht lösen, sondern lieber in seinem Wahlkampf bewirtschaften. Deshalb verknüpft Johnson die Migration auch nicht mehr mit der Ukraine-Hilfe. Während die ersten vier Vorlagen am Ende gemeinsam verabschiedet werden könnten, soll die fünfte Vorlage getrennt behandelt werden. Der Senat könnte diese folglich einfach ignorieren.

Den Republikanern am rechten Rand passt dies gar nicht. Werden die vier Vorlagen wie vorgesehen am Wochenende verabschiedet, entsprächen sie ungefähr den von Präsident Biden vor Monaten gesetzten Zielvorgaben. Marjorie Taylor Greene – eine Trump-Vertraute mit prorussischen Neigungen – und ein weiterer republikanischer Abgeordneter haben bereits angekündigt, ein Misstrauensvotum gegen Johnson einzuleiten. Johnson begehe Verrat und lege sich mit den Demokraten ins Bett, schrieb sie auf dem Kurznachrichtendienst X. «Er ist nicht unser, sondern ihr Speaker.»

Marjorie Taylor Greene spricht oft an Trump-Rallys. Sie kritisiert Johnsons jüngste Politik scharf.

Alyssa Pointer / Reuters

Der Speaker braucht die Demokraten

Tatsächlich mussten Biden und die Demokraten am Ende im Grunde nur ein Zugeständnis machen. Während der grösste Teil der Ukraine-Hilfe direkt in die amerikanische Rüstungsindustrie fliesst, müssen die knapp 10 Milliarden Dollar, die Kiew als Wirtschaftshilfe erhält, als Kredit vergeben werden. Die Konditionen kann der Präsident mit der Ukraine aushandeln, wobei die Schulden nach kurzer Zeit auch erlassen werden können.

Hinter diesem Zugeständnis steht eine Idee Trumps. Im Februar kritisierte er die Ukraine-Hilfe in Wahlkampfreden und auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. Die USA sollten für ihre Hilfe immer etwas zurückbekommen und andere Länder nur noch mit Krediten unterstützen, forderte Trump. «Die Vereinigten Staaten dürfen nicht mehr dumm sein.»

Speaker Johnson nahm den Vorschlag auf. Auch Biden scheint mit dieser Regelung gut leben zu können. Der Präsident stellte sich am Mittwoch hinter den Plan des republikanischen Speakers: «Ich unterstütze dieses Paket sehr», erklärte der amerikanische Präsident. Er werde die Gesetze nach ihrer Verabschiedung sofort unterzeichnen. «Wir stehen an der Seite unserer Freunde. Und wir lassen Iran und Russland nicht gewinnen.»

Johnson wird die Unterstützung der Demokraten brauchen, um das Hilfspaket durch das Repräsentantenhaus zu bringen. Wegen mehrerer Vakanzen ist die republikanische Mehrheit in der grossen Parlamentskammer auf nur noch zwei Stimmen geschrumpft. Auch das angedrohte Misstrauensvotum wird er nur überleben, wenn ihn einige Demokraten mit ihren Stimmen retten. Dies aber könnte ihn beim rechten Parteiflügel erst recht zum Prügelknaben machen.

Johnson liess sich am Mittwoch von den düsteren Aussichten für sein Amt nicht beeindrucken: «Es ist meine Philosophie, das Richtige zu tun. Die Würfel fallen, wie sie fallen.» Nachdem er monatelang gezaudert hatte, gab sich der Speaker als überzeugter Ukraine-Freund: «Wir stehen für die Freiheit ein und werden sicherstellen, dass Wladimir Putin nicht durch Europa marschiert.»

Trump rückt zur Mitte

Die grosse Frage ist, warum Johnson so lange brauchte, um das Richtige zu tun. Entscheidend könnte sein, dass er Trump bei ihrem Treffen in Florida vergangene Woche von der Sache endlich überzeugen konnte. Johnson leiste eine gute Arbeit und er stehe hinter ihm, meinte Trump. Sein Bekenntnis zur Ukraine-Hilfe war nicht eindeutig, aber er torpedierte das Vorhaben nicht: «Wir denken darüber nach, die Hilfe von einem Geschenk in einen Kredit umzuwandeln.»

Warum Trump sich nun zur Enttäuschung seines rechten Parteiflügels so positioniert, ist eine andere grosse Frage. Vielleicht spürte er selbst, dass eine vernichtende Niederlage der Ukraine ihm am Ende bei moderaten Wählern schaden könnte. Womöglich wuchs auch der Druck der gemässigten Republikaner im Kongress, besonders nach dem iranischen Grossangriff auf Israel am Samstag.

Einige republikanische Abgeordnete drohen damit, die «discharge petition» der Demokraten zur Ukraine-Hilfe zu unterzeichnen. Diese würde es erlauben, die Vorlage unter Umgehung des Speakers zur Abstimmung zu bringen. «Wenn das hier scheitert, haben ein paar von uns keine andere Wahl, als (die Petition) zu unterschreiben», sagte etwa der konservative Abgeordnete Don Bacon am Mittwoch.

Ein Scheitern ist noch immer möglich. Bis zur geplanten Abstimmung am Samstag ist es ein weiter Weg. Noch kann sich die Ukraine nicht darauf verlassen, dass am Ende im Kongress alles gutkommt. Auch deshalb scheint sich Trump alle Türen offen zu lassen. Darauf angesprochen, ob er sich bei einem Misstrauensvotum hinter Johnson stellen würde, meinte er am Dienstag: «Nun gut, wir werden sehen, was passiert.»

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