Nahost: Israel wappnet sich für Vergeltung des Iran

19 Tage vor

Nahost

Die Androhung iranischer Vergeltungsangriffe auf Israel hat die Spannungen im Nahen Osten weiter verschärft. US-Präsident Joe Biden rief den Iran direkt auf: „Tut es nicht!“ Das Außenministerium in Wien ruft Österreicher zum Verlassen des Iran auf. Israel zeigt sich indes gewappnet, ein Angriff werde eine angemessene israelische Antwort erfordern. Insiderinformationen zufolge könnte ein Angriff schon am Wochenende erfolgen.

Iran - Figure 1
Foto ORF.at

Online seit gestern, 16.27 Uhr (Update: gestern, 22.17 Uhr)

Israels Armee sei auf einen Angriff gegen Israel und „die daraus folgende Verteidigung“ vorbereitet, so unisono Israels Verteidigungsminister Joav Galant und Armeesprecher Daniel Hagari.

Biden warnte den Iran am Freitag eindringlich vor einem Angriff. Seine Botschaft an den Iran sei: „Tut es nicht“, sagte er in Washington. „Wir sind der Verteidigung Israels verpflichtet. Der Iran wird keinen Erfolg haben.“ Zuvor hatte das US-Militär eine Verstärkung seiner Präsenz in der Region bekanntgegeben. „Wir verlegen zusätzliche Mittel in die Region, um die regionalen Abschreckungsbemühungen zu verstärken und den Truppenschutz für US-Streitkräfte zu erhöhen“, teilte ein Pentagon-Mitarbeiter am Freitag mit. Dabei blieb unklar, um welche Mittel es sich genau handelte und von wo nach wo die Verlegung stattfindet.

US-Verstärkung in der Region

Auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sicherte Galant erneut „die eiserne Unterstützung der USA für Israels Verteidigung angesichts der wachsenden Drohungen durch den Iran und seine regionalen Stellvertreter“ zu, erklärte das Pentagon am Donnerstag (Ortszeit). Ein hochrangiger US-General habe eine zu einem anderen Zeitpunkt geplante Reise nach Israel vorverlegt. Der Kommandant der US-Truppen in der Region, General Michael Erik Kurilla, war am Donnerstag in Israel eingetroffen. Die Vereinigten Staaten schränkten aus Sicherheitsgründen zudem die Bewegungsfreiheit ihres diplomatischen Personals in Israel ein.

Ajatollah Ali Chamenei steht nach dem Angriff gewissermaßen unter Zugzwang

Nach einem mutmaßlich israelischen Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in Syrien am 1. April nahmen die Drohungen aus Teheran in Richtung Israel jüngst zu. Dabei waren ein ranghoher General der Revolutionsgarde und sechs weitere Militärs getötet worden. Der Angriff sei wie ein Angriff auf iranisches Territorium gewesen, und Israel müsse bestraft werden, hatte das iranische Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei gesagt.

„WSJ“: Angriff am Wochenende erwartet

Der Iran plane einen Vergeltungsschlag schon „in den nächsten 24 bis 48 Stunden“, doch Chamenei habe sich noch nicht entschieden, wie dieser aussehen solle, berichtete das „Wall Street Journal“ („WSJ“) unter Berufung auf einen Berater der iranischen Revolutionsgarde.

Raketenangriffe auf die Küstenstadt Haifa im Norden Israels oder die Atomanlage Dimona im Süden seien möglich. Eine weitere Möglichkeit seien Anschläge auf israelische Botschaften. Israel hat seit voriger Woche fast 30 Auslandsvertretungen vorsorglich geschlossen. Auch andere israelische Einrichtungen seien gefährdet.

Schon am Freitag feuerte die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon eigenen Angaben zufolge zahlreiche Raketen auf israelische Stellungen ab. Kämpfer hätten „feindliche Artilleriestellungen“ mit „dutzenden von Katjuscha-Raketen“ beschossen, erklärte die Miliz. Die israelische Armee bestätigte den Angriff und teilte mit, dass „etwa 40 Starts“ vom libanesischen Territorium aus festgestellt worden seien. Den Angaben zufolge gab es keine Verletzten.

Fritz (ORF): „Ob es zu einem Angriff kommt, ist offen“

Peter Fritz (ORF) spricht unter anderem über den angekündigten Vergeltungsanschlag des Iran gegen Israel und darüber, wie realistisch dieser wirklich ist. Zudem berichtet er, warum es so gefährlich ist, wenn eine Macht wie die USA und der Iran aneinandergeraten.

Der Iran will bei der angekündigten Vergeltung für den Angriff auf seine Botschaft in Damaskus eine unkontrollierbare Eskalation des Konflikts mit Israel vermeiden. Das habe Außenminister Hossein Amir-Abdollahian signalisiert, hieß es am Donnerstag in iranischen Kreisen, die mit den Vorgängen vertraut sind. Den Angaben zufolge hat Amir-Abdollahian auch die Bereitschaft zur Deeskalation signalisiert, sollten bestimmte Forderungen erfüllt werden. Dazu gehöre ein dauerhafter Waffenstillstand im Gazastreifen.

Das lehnt Israel jedoch ab, solange die mit dem Iran verbündete Terrororganisation Hamas nicht vollständig vernichtet ist. Ein den US-Geheimdiensten nahestehender Insider sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass der Iran „sehr deutlich“ gemacht habe, dass seine Reaktion auf den Angriff auf seine Botschaft begrenzt und nicht eskalierend sein werde. Die Islamische Republik plane, „regionale Stellvertreter“ für eine Reihe von Angriffen auf Israel einzusetzen.

Sorge vor Selbstüberschätzung des Iran

Iran-Expertin Azadeh Zamirirad von der deutschen Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) sagte der dpa, es wäre im Interesse der iranischen Staatsführung, dass der Gaza-Krieg unterhalb der Schwelle einer direkten militärischen Konfrontation mit Israel bleibt. „Wenn das gelingen würde, wäre der Iran der größte Gewinner des Überfalls der Hamas vom 7. Oktober, und zwar mit Abstand – zumindest was staatliche Akteure anbelangt“, sagte die Politikwissenschaftlerin: „Wenn Teheran jetzt eine direkte militärische Konfrontation mit Israel eingeht, dann droht dieser Gewinnerstatus sehr schnell zu erodieren.“

Für Teheran sei der Konflikt in der Region auch sinnbildlich für ordnungspolitische Verschiebungen auf internationaler Ebene, so Zamirirad. „Teheran betrachtet den Gaza-Krieg als geopolitischen Wendepunkt und sieht die regionalen Entwicklungen als Wegbereiter für eine postwestliche Ordnung.“ Vor diesem Hintergrund bestehe in Iran ein neues Selbstverständnis. „Wir haben es heute mit einem deutlich selbstbewussteren und weniger risikoscheuen Iran zu tun. Damit ist auch die Gefahr von Selbstüberschätzung und Fehlkalkulationen deutlich höher“, sagte die Expertin.

Today I made clear to Foreign Minister Amir-Abdollahian that Iran must not draw the Middle East into a wider conflict.

I am deeply concerned about the potential for miscalculation leading to further violence.

Iran should instead work to de-escalate and prevent further attacks.

— David Cameron (@David_Cameron) 11. April 2024

Großbritanniens Außenminister David Cameron warnte den Iran vor einer Eskalation. „Ich habe heute Außenminister Amir-Abdollahian deutlich gemacht, dass der Iran den Nahen Osten nicht in einen größeren Konflikt hineinziehen darf“, teilte Cameron auf X (Twitter) mit. „Ich bin zutiefst besorgt über die Möglichkeit einer Fehlkalkulation, die zu weiterer Gewalt führen könnte“, schrieb Cameron.

Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hatte am Donnerstag mit Amir-Abdollahian telefoniert. „Wirklich niemand kann Interesse an einem Flächenbrand mit völlig unvorhersehbaren Folgen haben“, sagte Baerbock.

Aufruf, den Iran zu verlassen

Das Außenministerium in Wien rief am Freitagabend Österreicherinnen und Österreicher auf, den Iran zu verlassen. Vor Reisen in das Land werde gewarnt, es gelte Sicherheitsstufe sechs: „Insbesondere in den kommenden Tagen ist aufgrund der aktuell angespannten Lage in der Region von einer erhöhten Gefährdung auszugehen. Aufhältige Österreicherinnen und Österreicher werden zu besonderer Vorsicht aufgerufen“, so das Ministerium.

Die Austrian Airlines setzen ihre Flüge von und nach Teheran aufgrund der Eskalation bis einschließlich Donnerstag, 18. April, aus. Langstrecken, die durch den iranischen Luftraum führen, werden entsprechend umgeleitet, heißt es in einer Aussendung der Fluglinie. Die Situation im Nahen Osten werde laufend evaluiert, und man stehe in engem Kontakt mit den Behörden. Zuvor hatte schon die AUA-Mutter Lufthansa ihre Flüge von und nach Teheran gestrichen.

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