Kocher will Reform: Bildungskarenz „zu wenig zielgerichtet“

29 Tage vor
Bildungskarenz

Kocher will Reform

Geht es nach ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher, handelt es sich bei der aktuell boomenden Bildungskarenz um eine wichtige und grundsätzlich außer Streit stehende Weiterbildungsmaßnahme – in ihrer aktuellen Form sei diese aber „leider nicht zielgerichtet genug“. Für das damit ausgesprochene Vorhaben einer Reform muss Kocher allerdings noch den Koalitionspartner überzeugen. Die am Dienstag dazu vorgelegten Vorschläge umfassen unter anderem den Ruf nach einem Aus für eine direkte auf die Elternkarenz folgende Bildungskarenz.

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Der Arbeitsminister wolle im „Regelfall keinen unmittelbaren Anschluss“ von Bildungskarenz an die Elternkarenz mehr erlauben. Geplant seien auch weitere Verschärfungen wie eine verpflichtende Bildungsberatung und mit einer Verdoppelung der ECTS-Anrechnungspunkte für Studierende höher gesteckte Ausbildungsziele – aber auch eine Erhöhung des Weiterbildungstagessatzes.

Kocher präsentierte seine Reformvorhaben am Dienstag bei einer Pressekonferenz anlässlich der Präsentation einer vom Wirtschaftsforschungsinstitut erstellten Studie zur Bildungskarenz. „Das Instrument ist ein gutes aus meiner Sicht. Es soll besser werden, es soll erhalten bleiben“, wie Kocher dazu sagte. Bei den Reformvorschlägen gehe es nicht um ein „Sparpaket“. Ziel sei unter anderem eine bessere Absicherung von Geringverdienerinnen und Geringverdienern und eine Stärkung von „anspruchsvollen Weiterbildungsformaten“.

Kocher für Reform der Bildungskarenz

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher hat seine Vorstellungen für einen verschärften Zugang zur Bildungskarenz vorgestellt. Der grüne Koalitionspartner winkt bei Kochers Reformideen aber großteils ab.

Kocher für Reform in laufender Legislaturperiode

Als Hintergrund der Reformpläne gilt ein kritischer Bericht des Rechnungshofs (RH) vom Frühjahr 2023. Kocher äußerte in Folge die Hoffnung, noch bis zum Ende der Legislaturperiode eine Reform der Bildungskarenz zu schaffen. Ob sich diese mit Blick auf die nun angekündigten Gespräche mit den Grünen ausgeht, muss sich noch weisen. Mit Verweis auf einen bereits mit den Sozialpartnern laufenden „intensiven Austauschprozess“ sei man bei der Ausarbeitung des Reformvorhabens aber bereits „sehr weit“, wie Kocher Anfang des Monats sagte.

Mehr Geld, höhere Anforderungen

Zu den nun von Kocher vorgestellten Reformvorschlägen zählt auch die Erhöhung des täglichen Weiterbildungsgeldtagsatzes von derzeit 14,5 Euro auf 32,2 Euro, bessere Kontrollmöglichkeiten der Anwesenheiten bei den Weiterbildungskursen, eine verpflichtende Angabe des gewählten Ausbildungsziels und eine Verdoppelung der Studienleistung auf 16 ECTS-Punkte.

Prüfungen im Rahmen der Bildungskarenz sollen künftig zumindest angetreten werden müssen, ansonsten muss das Weiterbildungsgeld zurückbezahlt werden. Die Prüfungen müssen aber nicht erfolgreich bestanden werden.

„Sehe den Sinn nicht“

Grünen-Sozialsprecher Markus Koza kann sich die Anhebung des Weiterbildungsgeldtagsatzes, die Bildungsberatung und eine stärkere Qualitätskontrolle der Bildungsmaßnahmen vorstellen. „Strikt gegen“ Verschärfungen ist Koza beim Übergang von Elternkarenz in Bildungskarenz. „Ich sehe den Sinn nicht“, wie Koza dazu sagte.

„Babypause verlängern – 1 Jahr mehr!“

Seit 2019 boomt die Kombination von zwölf Monate einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld und dann zwölf Monate Weiterbildungsgeld. Die Ausgaben des Arbeitsmarktservices (AMS) für Bildungskarenz inklusive Sozialversicherungsbeiträge schnellten zwischen 2019 und 2023 von rund 200 auf über 500 Mio. Euro nach oben.

Zuletzt bezogen monatlich durchschnittlich mehr als 18.000 Frauen und 4.000 Männer Weiterbildungsgeld. Laut WIFO ging zuletzt mehr als jede zehnte Frau nach der Elternkarenz in Bildungskarenz, bei den Gesamtbeschäftigten nimmt jährlich eine Person von 1.000 Weiterbildungsgeld in Anspruch.

Es gibt Weiterbildungsanbieter, die im Internet mit Slogans wie „Babypause verlängern – 1 Jahr mehr!“ werben. Geht es nach Kocher, sollen Eltern nach der Babykarenz künftig zwischen „einigen Wochen“ und drei Monaten wieder in die Arbeit zurückkommen und dann erst auf Bildungskarenz gehen dürfen.

WIFO für „Stärkung einer zielkonformen Nutzung“

„Die Bildungskarenz ist ein wichtiges Instrument zur Förderung der Weiterbildung“, sagte am Dienstag auch WIFO-Ökonom Rainer Eppel bei der Vorstellung der im Auftrag des Arbeitsministeriums und im Oktober fertiggestellten Studie „Evaluierung der Bildungskarenz und der Bildungsteilzeit“.

Laut WIFO gibt es positive Langfristeffekte auf das Einkommen durch die Bildungskarenz. Das Institut empfiehlt die Effektivität der Bildungskarenz und Bildungsteilzeit zu optimieren, unter anderem mit einer „Stärkung der Bildungskomponente“ durch die Zertifizierung der Weiterbildungsangebote, die Unterstützung der Teilnahme von weniger bildungsaffinen Gruppen und älteren Personen sowie „die Stärkung einer zielkonformen Nutzung“.

„Unabdingbar“

„In Zeiten sich rasch ändernder Qualifikationsbedarfe und eines spürbaren Fachkräftemangels ist die Förderung von Aus- und Weiterbildung unabdingbar“, heißt es dazu auch vonseiten der Industriellenvereinigung. Die Bildungskarenz könne hier einen wertvollen Beitrag leisten, es müsse aber sichergestellt werden, "dass ein effizienter, praxisorientierter und arbeitsmarktpolitisch sinnvoller Einsatz des Instruments erfolgt“, wie IV-Generalsekretär Christoph Neumayer per Aussendung dazu mitteilte.

Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) pocht auf Verbesserungen bei der Bildungskarenz, etwa die Anhebung des Bildungskarenzgelds auf 33 Euro pro Tag. Auch ÖGB-Bundesgeschäftführerin Ingrid Reischl beschreibt die Bildungskarenz als wichtiges Instrument. Nur können Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen „selbst entscheiden können, welche Weiterbildung für sie wichtig ist“. Dazu hält Reischl per Aussendung fest, dass Bildungskarenz und Bildungsteilzeit vor allem von Frauen in Anspruch genommen werden und „nicht drastisch eingeschränkt werden“ dürften.

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