Chronik: Militärstratege zweifelt Wagner-Stärke an

24 Jun 2023
Wagner-Gruppe

Chronik

Im Machtkampf in Russland hat die Söldnertruppe Wagner nach eigenen Angaben die Kontrolle über zwei Städte übernommen. Der Niederösterreicher Markus Reisner, Oberst des Bundesheeres, sieht aber nur geringe Chancen für einen Einmarsch der Söldner in Moskau.

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Auf die Frage, wie und ob es sein könne, dass die Söldnertruppe ohne große Gegenwehr der russischen Armee die Städte Rostow am Don und Woronesch militärisch übernehmen und kontrollieren konnte, antwortet Reisner, dass die Söldner in den letzten Monaten Schulter an Schulter mit der regulären russischen Armee im Einsatz waren. „Die Truppen haben sich immer im Hinterland bewegt“, so Reisner am Samstag im Ö1-Mittagsjournal.

Bis dato sind die Angaben der Wagner-Gruppe aber nicht bestätigt. Man müsse die Bilder aus den Gebieten mit Vorsicht betrachten, besonders wenn es um die angebliche Kontrolle in Rostow ginge. „Wir sehen Bilder und Videos aus den sozialen Medien, die uns zur Verfügung stehen. Das sind zum Teil sehr dystopische Bilder, wo auf der einen Straßenseite Wagner-Söldner stehen und auf der anderen russische Soldaten und dazwischen die Zivilbevölkerung, die neugierig die Situation filmt“, sagt Reisner.

Man sehe auch Bilder, die zeigen würden, wie Wagner-Truppen Objekte mit Panzern sichern. Gleichzeitig habe es aber den Anschein, dass die russische Armee diese Kräfte umzingelt. Somit sei es fraglich, ob die Söldner tatsächlich die militärische Kontrolle übernommen haben, erklärt Reisner.

Wagner-Konvoi offenbar ohne schwere Waffen

Der Konvoi der Söldner, der sich scheinbar seinen Weg nach Moskau bahnt, habe auch ein wesentliches „Manko“, so Reisner. „Der Konvoi hat keine schweren Waffen dabei und das zeigt natürlich, dass Wagner alleine keine Durchschlagskraft hat, in Moskau einzumarschieren.“ Das würden Videos, die vom Konvoi gedreht wurden und dem Militärexperten vorliegen, verdeutlichen.

Auf diesen Videos sehe man auch im Detail, dass der Konvoi gerade einmal über einen einzigen Raketenwerfer verfüge. „Das ist natürlich sehr wenig, um die regulären russischen Truppen, die jetzt bereitgestellt wurden, tatsächlich aufzuhalten.“

Generell verfüge der Kern der Söldner-Truppe über 15.000-20.000 Mann und signifikante Waffenstärke. Die Frage, die nun aber im Raum stehe, sei ob sich Teile oder Einheiten der regulären russischen Armee auf die Seite der Wagner-Söldner stellen oder nicht, analysiert der Militärexperte im Ö1-Mittagsjournal am Samstag. „Momentan beobachten wir aber in den sozialen Netzwerken in Russland, dass sich ausnahmslos alle solidarisch mit Präsident Wladimir Putin zeigen.“

Wagner-Blockade in Rostow

Der Machtkampf zwischen dem Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, und der russischen Militärführung ist eskaliert. In der Nacht sollen Söldner in Russland einmarschiert sein. Nach Angaben Prigoschins von Samstagfrüh kontrollieren die Söldner nun die Militäreinrichtungen im russischen Rostow. Moskau hat den Anti-Terror-Alarmzustand ausgerufen.

Ukraine könnte Offensive ausbauen

Welche Auswirkungen die vermehrte Aktivität der Söldner in Russland auf den Krieg in der Ukraine haben werde, müsse man aus militärischer Sicht kurzfristig und langfristig beurteilen. Momentan beobachte Reisner mit seinen Kolleginnen und Kollegen, dass es an den Fronten „zu keiner wesentlichen Veränderung“ gekommen sei.

Nachdem Russland aber momentan mit dem aufkeimenden Aufstand in seinem Land beschäftigt sei, dränge sich natürlich die Frage auf, ob die Ukraine nun diese Gelegenheit nützt, um ihre Offensive weiter voranzutreiben, so der Stratege des österreichischen Bundesheeres – mehr dazu in news.ORF.at.

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