Politik: Schuldenlast: Gemeinderat in Seefeld aufgelöst

29 Nov 2023
Seefeld

Politik

Die Schuldenlast der Tiroler Tourismusgemeinde Seefeld hat den Ort nun auch in eine politische Krise gestürzt. Nach einem kritischen Bericht des Rechnungshofes findet sich niemand, der dem zurückgetretenen Bürgermeister nachfolgen will. Am Dienstagabend löste sich der Gemeinderat auf.

Online seit gestern, 22.53 Uhr

Nun übernimmt ein Amtsverwalter des Landes die Geschäfte, berichtete die ZIB2 am Dienstag. Neuwahlen soll es Anfang des kommenden Jahres geben.

Vor allem die nordische Ski-WM 2019 und die Tochterunternehmen der Gemeinde Seefeld haben ein tiefes Finanzloch ins Budget gerissen. Laut Landesrechnungshof wies die Gemeinde mit Ende 2022 Finanzschulden in Höhe von rund neun Millionen Euro auf, die Tochterunternehmen haben Verbindlichkeiten von über 60 Millionen Euro. Für diese Verbindlichkeiten haftet wiederum die Gemeinde mit 36 Millionen Euro.

RH-Bericht: Seefeld hoch verschuldet

Die Schuldenlast der Tiroler Tourismusgemeinde Seefeld und ihrer Tochterunternehmen ist hoch, geht aus einem aktuellen Bericht des Rechnungshofs (RH) hervor. Die Gemeinde hat derzeit neun Millionen Finanzschulden, dazu kommen 36 Millionen Haftungsübernahmen. Zurückzuführen ist das auf das Jahr 2019, als die nordische Ski-WM in Seefeld Halt machte.

Somit war der Haftungsstand pro Einwohner und Einwohnerin mit über 10.000 Euro mehr als zehnmal höher als in einer durchschnittlichen Gemeinde derselben Größenklasse, so der RH. Zu den Töchtern gehören unter anderem das Sport- und Kongresszentrum, die Bergbahnen Rosshütte und die WM-Sportanlagen GmbH.

Damoklesschwert Franken-Kredit

Die Verbindlichkeiten für den 2007 zur Sanierung des Sport- und Kongresszentrums aufgenommenen Kredit in Schweizer Franken sind laut RH trotz Tilgungen höher als zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme (17,5 Mio. Euro). Das Darlehen muss in den nächsten zehn Jahren zurückgezahlt werden.

Bereits in früheren Jahren waren Bedenken geäußert worden, dass die Haftungen der Gemeinde sehr hoch waren. Dennoch habe Seefeld die aufsichtsbehördlichen Genehmigungen für Haftungsübernahmen von Darlehen im Zusammenhang mit der Ski WM 2019 erhalten – auf Weisung des damals zuständigen Landesrats Johannes Tratter (ÖVP).

Geplanter Investitionsbetrag mehr als verdreifacht

Bezüglich der WM kritisierte der RH unter anderem die schwankenden Kostenschätzungen und das Fehlen relevanter Unterlagen zur Bauabwicklung sowie mangelhaftes Controlling. 2015 hatte der Seefelder Gemeinderat den maximalen Investitionsbetrag mit 4,5 Millionen Euro festgelegt, mittlerweile haben sich die Gesamtkosten für die Gemeinde mehr als verdreifacht.

In einer Replik der Gemeinde hieß es, man habe aus der Abwicklung der nordischen Ski-WM 2019 die Lehre gezogen, dass derartige Großveranstaltungen mangels fachspezifischer Kenntnisse in sämtlichen Abwicklungsbereichen unvorhersehbare Risiken für die öffentliche Hand beinhalten und daher die öffentliche Hand lediglich beratend und unterstützend auftreten sollte.

Lange Liste an Kritikpunkten

Zahlreiche Kritikpunkte gab es aber auch abseits der WM-Thematik. Etwa in Bezug auf das Personalmanagement: Seefeld überschritt den Dienstposten- und Stellenplan um drei Planstellen und schloss mit einem Viertel der Bediensteten Sonderverträge ab. Auch bei erschwinglichem Wohnen hat Seefeld enormen Aufholbedarf. So sind die Grundstückspreise doppelt so hoch wie im Durchschnitt in Tirol, 25 Prozent des gewidmeten Baulands sind derzeit unbebaut.

Der RH empfiehlt, im Flächenwidmungsplan Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau auszuweisen. Das örtliche Raumordnungskonzept sei derzeit in Vorbereitung, darin werde angedacht, Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau auszuweisen, so die Gemeinde in einer Replik.

Tabuthema Freizeitwohnsitze?

Mehr als unzureichend war laut RH auch die Erhebung der legalen und illegalen Freizeitwohnsitze. Es gebe keine detaillierten, eindeutigen und dokumentierten Informationen, wie viele Freizeitwohnsitze es in Seefeld gibt. Das zeige sich etwa darin, dass die Gemeinde 2022 für 83 gewidmete Freizeitwohnsitze keine und für 132 nicht gewidmete Freizeitwohnsitze eine Freizeitwohnsitzabgabe vorschrieb.

Weitere Erhebung sowie bau- und raumordnungsrechtliche Schritte seien keine eingeleitet worden, kritisierte der RH. Über den Planungsverband sei angedacht, an einer gemeinsamen Lösung und Vorgehensweise hinsichtlich der Freizeitwohnsitze und Leerstände zu arbeiten, so die Gemeinde Seefeld.

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