Wegen Verlusten im Ukraine-Krieg: Deserteure werden für Putin ...
VonKathrin Reikowski
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Wladimir Putin muss im Ukraine-Krieg Widerstand aus den eigenen Reihen hinnehmen. Russische Organisationen helfen Deserteuren und berichten von mehr Zulauf.
Kiew/ Moskau – „Get Lost“ (etwa: „Hau ab“) nennt sich eine russische Initiative, die Deserteure der russischen Armee unterstützt. „Wir leben heute in einer Welt, in der die russische Armee nur Tod und Zerstörung bringt. Von der Armee zu fliehen, ist die beste Art, deinem Land zu helfen.“ Mit diesen Worten wendet sich die Organisation an Russlands Soldatinnen und Soldaten.
Laut dem Oppositionsmedium Novaja Gazeta tun das auch immer mehr Soldaten: Während im Januar 2023 „Get Lost“ zufolge nur 28 Männer Unterstützung gesucht hätten, habe sich die Zahl binnen eines Jahres verzehnfacht. Im Januar 2024 meldeten sich demzufolge 284 Soldaten bei Anlaufstelle für Deserteurinnen und Deserteure.
Organisation hilft Desateuren im Ukraine-Krieg: „Wir bekommen jeden Tag neue Anfragen“„Idite Jeslom“, übersetzt „Geh durch den Wald“ nennt sich eine weitere russische Organisation, die sich um Deserteure kümmert. Mitarbeiter Iwan Tschuljajew sagt, man habe bereits mit über 30.000 Männern Kontakt gehabt. In einem Viertel der Fälle sei es um Soldaten gegangen, die bereits an der Front waren, und dem Einsatz entkommen wollten. Andere hätten sich etwa nach einem Einberufungsbescheid an sie gewandt. Im Interview mit dem Magazin Geo sagte er, er habe anfangs nicht damit gerechnet, dass sich das Engagement so lange fortsetzen würde.
„Als wir mit sieben Leuten anfingen, dachten wir, wir machen das ein paar Monate, erledigen die dringenden Fälle. Und das war's. Aber wir bekommen jeden Tag neue Anfragen, wir können nicht aufhören. Diese Leute möchten nichts mit Wladimir Putin und nichts mit dem Krieg zu tun haben.“ Seiner Einschätzung nach hätten sich die Menschen anfangs nicht für den Krieg interessiert, fühlten sich aber inzwischen wie Geiseln der eigenen Regierung. Er arbeitet inzwischen aus dem Ausland daran, die Anti-Kriegs-Bewegung in Russland stark zu machen.
Putins Strenge gegenüber Russlands Deserteuren – In Deutschland kaum Schutz laut ProAsylFahnenflucht und Kriegsverweigerung stellen im Ukraine-Krieg für das russische Militär zunehmend ein Problem dar, meint Novaja Gazeta. Laut einem anderen russischen Portal, Mediazona, seien trotz Verschärfung der Regelungen durch Wladimir Putin die Desertationsfälle innerhalb eines Jahres um 400 Prozent angestiegen.
Ein mithilfe einer anderen Organisation ausgestiegener Soldat, Ivan, sagt demnach, er kenne immer noch viele Soldaten, die auch nach über zwei Jahren an der Front zufrieden seien. Aber eben nicht alle: „Von der Front wegzulaufen ist sehr gefährlich. Den Menschen ist völlig bewusst, dass es strafrechtliche Konsequenzen gibt, aber das hält sie nicht davon ab. Manche geben vor, einer der Toten oder Verletzten zu sein“, manche würden sich auch selbst verletzen, um zu entkommen.
Russlands Deserteure kommen nach Armenien, Kasachstan, Serbien, TürkeiNur ein Bruchteil der Geflohenen kommt übrigens in die EU: Den Menschen an der Front würde man helfen, nach Kasachstan, Armenien oder Kirgistan zu fliehen, sagt Tschuljajew von „Idite Jeslom“. Laut ProAsyl sind etwa 250.000 Männer seit Beginn des Krieges geflohen, häufig auch nach Serbien oder in die Türkei. Sie seien teilweise, etwa aus Kasachstan, wieder zurück nach Russland abgeschoben worden. Knapp 3500 Männer im wehrpflichtigen Alter hätten bis August 2023 einen Asylantrag in Deutschland gestellt.
Während sich Deutschland im ersten Jahr des Ukraine-Kriegs offen für die Aufnahme von russischen Deserteuren zeigte, wie die tagesschau berichtete, hat sich offenbar nicht viel getan. Die Nichtregierungsorganisation Pro Asyl beklagt, dass es trotz der Änderungen in der Entscheidungspraxis aus dem Jahr 2023 immer noch wenig Schutz für Deserteure aus Russland in Deutschland gebe. Im November 2023 waren russische Soldaten von der Krim geflohen, und hatten dabei ihren stellvertretenden Regimentskommandeur verletzt. (kat)