Putins Prestigeprojekt: Deutsche Firmen helfen beim Wiederaufbau ...

StartseiteWirtschaft

Stand: 05.04.2024, 12:31 Uhr

Von: Amy Walker

KommentareDrucken

Ein deutsches Investigativteam hat enthüllt, wie deutsche Firmen im zerstörten ukrainischen Mariupol beim Wiederaufbau helfen – und sich für russische Propaganda nutzen lassen.

Mariupol - Figure 1
Foto Frankfurter Rundschau

Update vom 5. April, 11:34 Uhr: Einen Tag nach den Enthüllungen des ARD-Beitrags Monitor hat sich die Firma Knauf mit einer Stellungnahme an unsere Redaktion gewandt. „Der TV-Beitrag legt nahe, es würden Baustoffe aus der EU nach Russland importiert. Das ist definitiv nicht der Fall. Knauf liefert aus der EU weder nach Russland noch nach Mariupol. Seit Februar 2022 werden bei Knauf keine Waren mehr aus Russland exportiert bzw. nach Russland importiert“, so die Pressesprecherin der Firma Knauf.

„Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und unterstützen und befolgen sämtliche Sanktionen der EU, von Großbritannien und den USA gegen Russland. Unmittelbar nach Kriegsbeginn hat die Knauf Gruppe Neuinvestitionen in Russland gestoppt“, heißt es weiter in der Stellungnahme des Unternehmens. Man habe sich aber entschieden, bis auf Weiteres die Produktionsstätten in Russland weiter zuhalten, um „unsere langjährigen Beschäftigten nicht in die berufliche Unsicherheit entlassen.“

Den Vorwurf, Knauf würde gegen die Sanktionen verstoßen, weise man „aufs Schärfste“ zurück. „Knauf produziert Baustoffe und ist nicht als ausführender Bauherr oder Investor an Bauvorhaben beteiligt. Knauf unterhält keine direkten Lieferverträge zu Verbrauchern oder Verarbeitern von Knauf-Produkten in Russland. Unsere Produkte gelangen dort über viele verschiedene, von Knauf unabhängige Händler zu den Endkunden. Wir haben keinen Einfluss darauf, wie und wo die Endkunden unsere Produkte verwenden.“ Zudem sei die Firma in der Ukraine aktiv, wo sie die Mitarbeitenden unterstütze. Der Bau einer neuen Produktionsstätte in der Westukraine sei in Planung.

ARD-Beitrag erhebt schwere Vorwürfe gegen deutsche Unternehmen

Erstmeldung vom 4. April, 9 Uhr:

Mariupol/Berlin – Zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass Russland die ukrainische Hafenstadt Mariupol belagert und bis zur Unkenntlichkeit bombardiert hat. Vor dem russischen Angriff war Mariupol von fast 500.000 Menschen bewohnte Kulturhochburg. Heute wird die Hafenstadt vom einstigen Aggressor wiederaufgebaut, es soll zu einer russischen Vorzeigestadt werden, so der Plan des Machthabers in Moskau. Er vor Kurzem war Wladimir Putin höchstpersönlich in Mariupol, um sich vom Fortschritt des Wiederaufbaus ein Bild zu machen.

Als ob all das nicht schlimm genug wäre, gibt es nun Enthüllungen über die Beteiligung deutscher Firmen an dem Wiederaufbau von Mariupol. Wie Investigativreporter des ARD-Magazins Monitor herausgefunden haben, lassen sich insbesondere zwei Unternehmen trotz Sanktionen für die Putin-Propaganda missbrauchen.

Bauunternehmen aus Deutschland bauen Mariupol auf

Im Fokus der Recherche stehen zwei Unternehmen aus der Baubranche. Zum einen der Gipshersteller Knauf, dessen Stammsitz in Iphofen in Franken liegt, aber mittlerweile global aktiv ist und auch in Russland einen Ableger hat. Wie Monitor schreibt, arbeiten noch immer 4000 Menschen der Firma Knauf in Russland, trotz Sanktionen.

Die zweite Firma im Fokus der Recherche ist die in Nordrhein-Westfalen ansässige WBK Systems GmbH, die ebenfalls einen russischen Ableger hat und auf die Ausrüstung von Unternehmen zur Herstellung von Baumaterialien spezialisiert ist. Beide Firmen sollen in Mariupol für Russland aktiv sein. WBK Systems GmbH reagierte nicht auf die Bitte um Stellungnahme der Monitor-Redaktion; die Knauf Gruppe schrieb lediglich, dass sie in Russland für Russland produziere, was damit die Sanktionen nicht verletze.

Ein von der ARD befragte Sanktionsexperte sagte jedoch dazu: „Die Vorstellung, wenn ich mich mit einer Tochtergesellschaft in Russland nur im russischen Bereich, nur auf den russischen Territorien bewege, dass dies sozusagen sanktions-unerheblich sei, das ist ein absoluter Mythos und könnte nicht weiter weg sein von der Realität.“

Satellitenaufnahmen aus Google Maps zeigen zerstörte Wohnhäuser in der Innenstadt von Mariupol. © Screenshot/Google MapsSanktionen der EU gegen Russland sind umfangreích

Baustoffe werden nicht gesondert von der EU als sanktionierte Güter aufgeführt. Allerdings gibt es mehrere Bereiche, die die Sanktionen erfassen, unter die die Aktivitäten von Knauf und WBK Systems GmbH fallen könnten. Zum Beispiel folgendes: „Um den Druck auf die Industriekapazität Russlands noch weiter zu erhöhen, hat die EU im Oktober 2022 beschlossen, die Palette der Dienstleistungen, die nicht mehr für Russland erbracht werden dürfen, auf IT-Beratung, Rechtsberatung sowie Architektur- und Ingenieurdienstleistungen auszuweiten“, wie es in der Zusammenfassung der Sanktionen der EU gegen Russland lautet. Zudem ist die Ausfuhr von Waren an Russland, die „die die russischen Industriekapazitäten stärken könnten“, verboten.

Es ist außerdem alles verboten, was dem russischen Militär irgendwie zugutekommen könnte. Da der Wiederaufbau von Mariupol aktuell teilweise direkt vom russischen Verteidigungsministerium finanziert wird, fallen auch die Aktivitäten der beiden deutschen Unternehmen unter die Sanktionen.

Deutsche Unternehmen zahlen in Putins Kriegskasse ein

Immer wieder sorgen in Deutschland und der EU Meldungen über Unternehmen, die noch immer in Russland aktiv sind, für Schlagzeilen. Anfang Februar 2024 kam eine Studie der Organisation B4Ukraine zu dem Ergebnis, dass noch immer gut zwei Drittel der vor dem Krieg im Land aktiven Firmen weiterhin in Russland Geschäfte machen. Deutschland gehört laut Auswertung von B4Ukraine zudem zu einer der größten ausländischen Steuerzahler an Russland.

Dazu gehört beispielsweise auch der Pharmakonzern Bayer, der sein Verbleib in Russland in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wie folgt verteidigte: „Der Zivilbevölkerung wesentliche Gesundheits- und Landwirtschaftsprodukte vorzuenthalten, würde die Zahl an Menschenleben, die dieser Krieg fordert, nur vervielfachen.“

Insgesamt schrumpfte der deutsche Handel mit Russland im Jahr 2023 im Zuge der Sanktionen gegen Russland um drei Viertel auf 12,6 Milliarden Euro. Laut dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft verzeichnete der Russland-Handel insgesamt im vergangenen Jahr einen historisch beispiellosen Einbruch um 75 Prozent. Das liege vor allem am Rückgang der Energieimporte, wie Öl und Gas.

Auch interessant
Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche