Todesurteil gegen Rapper Toomaj: Iran verschärft die Repression

Iran verschärft die Repression: Rapper Toomaj Salehi zum Tode verurteilt

In seinen Liedern besang er die Freiheit, und er wurde zur Ikone des iranischen Widerstands. Nun hat ihn ein Gericht zum Tode verurteilt. Das verrät viel über den Krieg des iranischen Regimes gegen seine Gegner im Inland.

Iranischer Rapper Toomaj - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Der Rapper Toomaj Salehi wurde während der Proteste im Herbst 2022 zur Stimme der Revolte. Nun droht ihm die Hinrichtung.

Imago / P. Nigro

Wochenlang waren die Agenten der Islamischen Republik im Herbst 2022 hinter ihm her. Doch Toomaj Salehi war nicht auf der Flucht. Der iranische Rapper und Box-Champion stand während der «Frau, Leben, Freiheit»-Proteste in seinem letzten Kampfring, auf Irans Strassen. In jenen Wochen im September und Oktober 2022, kurz nachdem die junge Mahsa Jina Amini wegen eines lose gebundenen Kopftuchs auf einer Wache der Sittenpolizei zu Tode gekommen war, wandte sich Toomaj Salehi fast täglich mit neuen Botschaften und Songs an seine Fans.

Toomaj Salehi teilte Videos davon, wie er selbst an den Protesten gegen das Regime teilnahm, und forderte seine über zwei Millionen Follower auf Instagram auf, nicht aufzugeben: «Da draussen protestieren Kids, die sind erst 12, 13 Jahre alt. Wovor hast du Angst? Welchen Wert hat unser Leben? Was kümmert es mich, als einzelnen Menschen, in dieser Situation am Leben zu bleiben?», sagte Toomaj Salehi in einem seiner Videos.

Am 30. Oktober 2022 wurde Toomaj Salehi festgenommen. Es folgten 252 Tage in Einzelhaft und Misshandlungen. Im Juli 2023 wurde er zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, doch hob der Oberste Gerichtshof das Urteil auf. Als er im November freikam, sprach er in einem Video von der Folter, die er in Haft erlitten hat, und denunzierte abermals die Unterdrückung des Regimes. Kurz darauf wurde er erneut festgenommen.

Nun hat das Revolutionsgericht der Stadt Isfahan ein Todesurteil gegen ihn ausgesprochen. Vorgeworfen wird ihm «Korruption auf Erden». Das Regime will an dem Rapper wohl ein Exempel statuieren. Die Botschaft an seine Fans ist klar: Wer den Helden gibt, setzt sein Leben aufs Spiel.

«Freude ist eine Straftat in Iran», kritisierte Toomaj Salehi

Im Gegensatz zu deutschsprachigen Rapper-Kollegen musste Toomaj Salehi nicht den Gangster mimen, um zum Staatsfeind aufzusteigen. Die Botschaften, mit denen er sich an seine Fans richtete, klangen eher nach einer Mischung aus Albert Camus und Wohlfühl-Coach: «Menschsein bedeutet nichts ohne Freiheit. Wir sind nicht hier, um nur zu essen und zu schlafen bis zum Tag, an dem wir krepieren. Wir sind hier, um zu leben, um zu lachen, um zu geniessen.»

Scheinbar harmlose Statements. In der Islamischen Republik sind sie aber hochpolitisch. Sie richten sich gegen alles, was das Regime seit seiner Gründung vor 45 Jahren mit roher Gewalt durchzusetzen versucht: strenge Sittenregeln, bedingungsloser Gehorsam, die Unterdrückung der Frau. «Freude ist eine Straftat in Iran, Tanzen ist eine Straftat in Iran», kritisierte Salehi in einem seiner Videos.

Bereits 2021, vor der grossen Protestwelle, wurde er wegen seiner politischen Ansichten inhaftiert. Nach seiner Freilassung drehte Toomaj Salehi das nächste Musikvideo – direkt vor den Toren des Gefängnisses, in dem er festgesessen hatte. «Ich geniesse eure Peitschenhiebe, ich bin der triumphierende Gefangene», sang er in jenem Lied. Mit solchen Sätzen wurde Toomaj Salehi zur Stimme einer ganzen Nation in der Revolte.

Das Regime ist angeschlagen, aber schwer zu besiegen

Als sich die Wut über den Tod einer unschuldigen Frau im Herbst 2022 in den massivsten Protesten seit der Revolution 1979 entlud, glaubte Toomaj Salehi wie viele Iraner, dass das Ende der Islamischen Republik nah ist. Hunderttausende Frauen widersetzten sich den islamischen Kleidervorschriften, Demonstranten nahmen in manchen Städten sogar Regierungsgebäude ein.

Doch es kam anders. Heute patrouillieren wieder die gefürchteten Einheiten der Sittenpolizei auf den Strassen und lassen unverschleierte Frauen in weiss-grünen Vans verschwinden. Der Umgang mit Kritikern hat sich seit 1979 nicht geändert: diffamieren, wegsperren, foltern. Mit dem Todesurteil will das Regime Toomaj Salehi endgültig mundtot machen. Für das Regime bleiben Kritiker wie Toomaj Salehi eine Herausforderung.

Ohne den aktuellen geopolitischen Hintergrund ist das Todesurteil kaum denkbar. Seit seinem Grossangriff auf Israel hat das Regime die Repression verschärft, jedes Anzeichen von Kritik wird verfolgt. An der Tatsache, dass sich ein Grossteil der Iraner von den Werten und Zielen der Islamischen Republik entfremdet hat, ändert das nichts. Das Regime gleicht heute einem Boxer mit Autoimmunerkrankung.

Sein eigener Körper hat sich gegen ihn gewendet und frisst ihn langsam von innen auf. Doch solange sich der Boxer auf den Füssen hält, ist er schwer zu besiegen. Toomaj Salehi hat die Schlagkraft seines Gegners wohl unterschätzt. Das Todesurteil gegen ihn ist noch nicht rechtskräftig, sein Anwalt hat Berufung eingelegt. Worauf er, worauf das ganze Land noch hoffen dürfen: dass dem Gegner rechtzeitig die Beine versagen.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche