Formel 1 in Miami: Lando Norris macht McLaren great again

Da saß er nun und fror. Ein Kunststück in der Affenhitze von Florida. Zitterte er etwa? Das kann vorkommen nach dem Duschen, wenn der Schampus auf der Haut verdunstet. Die Sorgen des Grand-Prix-Siegers. Mit warmen Gedanken lenkte Lando Norris gegen: „Das ganze Wochenende gab es diesen Funken“ sagte der 24-jährige alte Brite, „und heute wurde daraus ein kleines Feuer“. Und wie das knisterte: In seinem McLaren-Mercedes gewann Norris am Sonntag auf der Parkplatzbahn rund um das Footballstadion von Miami zum ersten Mal ein Formel-1-Rennen. Weltmeister Max Verstappen? Nicht ausgefallen und doch nur Zweiter im Red Bull nach 57 Runden, vor Ferrari-Pilot Charles Leclerc auf Rang drei.

Formel-1 Miami - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Im Augenblick des Triumphs sprudelte Norris vor Glück und schrie ins Funkgerät: „Ich liebe euch alle!“ Er dankte Mutter, Vater, Großmutter, und rechnete ab mit seinen Kritikern: „Viele Leute haben bezweifelt, dass McLaren gewinnen kann. Sie haben bezweifelt, dass ich gewinnen kann“, sagte Norris und erzählte, dass er auf den letzten Kilometern an all die Skeptiker gedacht und dabei gelächelt habe. Endlich ist er den Makel los, bei 15 Fahrten aufs Podium in 109 Grands Prix nie gewonnen zu haben – ein lästiger Rekord. Kürzlich noch Dritter in Australien und Zweiter in China, durfte er endlich von höchster Stelle Champagner verspritzen.

Aber alle 110 Grands Prix ein Sieg? Miserable Quote. Dagegen will Norris ankämpfen. Den ersten Erfolg, ließ er wissen, habe er sich eigentlich beim Heimrennen in Silverstone gewünscht. „Dann muss ich da eben noch mal gewinnen“, sagte er. Warum denn nicht? In seiner sechsten Saison in der Formel 1 ist der Sohn des etliche Millionen schweren Investmentunternehmers Adam Norris und der belgischen Mutter Cisca Wauman gereift. Er verzichtet auf waghalsige Manöver, flucht am Funk viel seltener, wirkt abgeklärter und begeht weniger Fehler.

Verstappen: „Ich freue mich sehr für Lando“

Tritt er außerhalb des Rennwagens auch häufig seltsam überdreht auf, die Kollegen schätzen den Spaßvogel des Fahrerlagers. Reihenweise eilten sie herbei, um den Premierensieger zu beglückwünschen. „Ich bin nicht zufrieden mit dem heutigen Tag“, sagte stellvertretend der unterlegene Verstappen, „aber ich freue mich sehr für Lando. Ich respektiere und schätze, was er erreicht hat.“ Die Gönnerhaftigkeit des Dauergewinners? Nein, Verstappen und Co., das spürte man, freuten sich ehrlich für ihren Kumpel aus Bristol.

Norris profitierte in Miami davon, dass nach einer Kollision der Hinterbänkler Logan Sargeant und Kevin Magnussen zur Rennmitte das Safety-Car ausrückte und das Feld einbremste. So verlor er beim Service wenig Zeit. Seine Gegner hatten den verpflichtenden Boxenstopp kurz zuvor bei vollem Tempo absolviert. Keine Schande, das bisschen Rennfahrerglück. Norris nutzte den Vorteil. Beim Neustart blitzte der angreifende Verstappen ab und der Brite sauste davon. Nico Hülkenberg im Haas blieb als Elfter ohne Punkte.

Norris wusste, dass er den Sieg nicht bloß Mama und Papa verdankte. Er grüßte auch diejenigen, deren unermüdliche Schufterei sein Dienstgefährt entscheidend beschleunigte: die Monteure, Ingenieure und Konstrukteure des McLaren-Werks in Woking. Dort überholten sie den Papaya-Boliden grundlegend, ehe sie ihn nach Florida verfrachteten. Die Konkurrenz staunte: Nicht wiederzuerkennen, der MCL38. Von der Nase bis zum Heckflügel, den Bremsschächten zur Motorhaube und der Radaufhängung zu den Seitenkästen: fast alles neu. Eine großangelegte Frischzellenkur.

„Diese Art von Upgrades sind zweifellos mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden“, sagte Teamchef Andrea Stella. Er lobte die „großartige Leistung des Teams“, die beweist, dass in der Formel 1 immer und überall das Tempo zählt, auf der Bahn wie im Windkanal. „Ich bin ziemlich sicher“, sagte Norris, „dass ich ohne diese Upgrades nicht gewonnen hätte“. Der umgestaltete McLaren sollte erst später im Jahr kreisen, verriet Stella. Doch sind offenbar nicht nur die lenkenden McLaren-Angestellten auf Zack, sondern auch die denkenden. McLaren wollte das Auto effizienter gestalten. „Mehr Abtrieb zu erzielen, ohne den Luftwiderstand zu erhöhen“, erklärte Stella den Auftrag.

Seit den Trainingsrunden vom Freitag galt McLaren als Geheimfavorit in Miami. Der Red Bull fand auf der rutschigen Bahn keinen Grip, Norris kreiste zügiger als Verstappen, aber nur auf den Medium-Pirellis. Im Sprint am Samstag schied Norris nach 200 Metern unverschuldet aus, erst sonntags beim Grand Prix demonstrierten Norris und Oscar Piastri, was in dem McLaren steckt. Eine Kollision mit Carlos Sainz im Ferrari jedoch warf den zwischenzeitlich auf Rang zwei tourenden Australier gegen Ende zurück, Piastri belegte Rang 13. Weil er die Kollision verursacht hatte, wurde Sainz im Nachhinein mit einer Fünf-Sekunden-Strafe belegt, wodurch er seinen vierten Platz verlor. Sainz wurde als Fünfter gewertet, Sergio Perez (Mexiko/Red Bull) rückte auf den vierten Platz vor.

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Eloge auf Trump von Norris

Ohne das Safety-Car zum glücklichen Zeitpunkt hätte Norris schwerlich gesiegt. Von einem Wachwechsel in der Formel 1 kann vorerst keine Rede sein. „Ich denke, um Red Bull zu erreichen, müssen wir noch ein paar der Schritte machen, die wir hier in Miami gemacht haben“, sagte Teamchef Stella. Auch die Gegner haben noch Reserven. Ferrari will in zwei Wochen beim Europa-Auftakt in Imola mit neuen Teilen zurückschlagen. Wer stehenbleibt, wird abgehängt.

Neben der Rennbahn spielten sich rund um das McLaren-Team aber auch seltsame Szenen ab. Norris war ins Ziel gesaust, da zählte der frühere amerikanische Präsident Donald Trump zu den ersten Gratulanten. Dabei trug er die berüchtigte rote Kappe mit der Aufschrift „Make America great again“. Trump, gegen den mehrere Strafverfahren laufen, und der am Rande des Grand Prix Spenden für den Wahlkampf sammelte, wurde hofiert wie ein Staatsgast. Dabei tat sich vor allem Mohammed bin Sulayem hervor, der Präsident des Automobil-Weltverbandes FIA.

Doch auch McLaren fiel in diesem Schauspiel eine Schlüsselrolle zu. Vor dem Rennen hieß das Team Trump in der Box willkommen. Der 77-Jährige posierte mit Geschäftsführer Zak Brown für Fotos, ballte dabei die Faust. Norris gab zu Protokoll, Trumps Glückwünsche seien ihm eine „Ehre“. „Donald“ sei jemand, „den man in vielerlei Hinsicht respektieren“ müsse. Die Erklärung für seine Eloge auf Trump blieb Norris schuldig. Nach famoser Fahrt ließ er die Beobachter so ratlos zurück.

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