Frontbericht Mit Karl Mahrer am Brunnenmarkt

23 Mär 2023
Brunnenmarkt

Einst galt er als Urwiener-Wahrzeichen. Doch heute ist der Brunnenmarkt zum Urwiener-Wahrzeichen mit ein paar syrischen Ständen verkommen. Karl Mahrer, Polizist und Chef der ÖVP Wien, kann nicht mehr wegschauen. Gemeinsam mit der Tagespresse wagt er sich ins Krisengebiet.

WIEN – Karl Mahrer schließt den Laptop. Zur Vorbereitung auf den Todestrip hat er sich auf YouTube einen aktuellen Situationsbericht von Oberst Markus Reisner über den Brunnenmarkt angesehen. „Die Lage an der Front ist noch beklemmender, als angenommen“, seufzt Mahrer.

Während er sich seinen Feldschuhe schnürt, schaut seine Frau besorgt und kämpft mit den Tränen. „Ich habe keine andere Wahl“, sagt Mahrer mit entschlossenem Blick. „Wir müssen leider die FPÖ kopieren, um ihr Stimmen wegzunehmen und an der Macht zu bleiben.“ 

Auf an die Front

In der U-Bahn Richtung Frontlinie überprüft Mahrer den Sitz seiner ballistischen Schutzweste. „Meine Lebensversicherung“, murmelt er und klopft sich gegen die Brust. Kurz vor Ankunft verändert sich sein Gesichtsausdruck. Seine Entschlossenheit und seine Kriegsbegeisterung sind gewichen, ängstlich blickt Mahrer aus dem Fenster.

„Ist das dort so ein sogenannter Kebabs?“, schielt er verstohlen ans Ende des Waggons, wo zwei Teenager sitzen und essen. Es ist das erste Mal, dass Mahrer sich außerhalb des Gürtels vorwagt.

Entnervt steigt der ÖVP-Politiker aus der U6. Er musste ganze 13 Minuten lang stehen. „Typisch rotes Wien: Die 700 Euro teure Sitzplatzreservierung über die Website ‚veryreal-wienerlinien-official.xyz‘ in der First Class hat natürlich nicht funktioniert“, schimpft er über die Zustände hier im Nahen Westen.

Höllentrip durch den Brunnenbasar

Wir betreten mit Mahrer gemeinsam den Brunnenbasar. Links von uns bieten Händler Käse und Gewürze aus allerlei fernen, exotischen Ländern wie Vorarlberg oder dem Waldviertel an. „Schaut euch diese Barbaren an“, schreit Mahrer. „Die fressen hier Handgranaten!“ Mahrer starrt auf ein türkisches Restaurant, in dem sich Gäste Falafel in den Mund stecken. „Das erste Opfer des Kriegs ist die Menschlichkeit“, notiert er in seinem Kriegstagebuch.

„Ich sehne mich zurück nach dem Kohlmarkt“, flüstert Mahrer, doch seine Heimkehr in das ÖVP-Gebiet im ersten Bezirk ist noch in weiter Ferne. „In der Wiener Innenstadt, da ist die Welt noch in Ordnung, da wohnen nur Araber und Russen: Dort ist zum Beispiel dieser russische Oligarch, der hat dort schon fünf Penthäuser und der geht herum und sagt, ich kaufe noch ein 6. oder 7., ich zahle jeden Preis, ich habe Geld genug. Da sag ich von der ÖVP: Super, toll, so lob ich mir das.“

Mahrer streichelt ein Amulett, das um seinen Hals baumelt. Darin versteckt ist ein Heiligenbild der ehemaligen Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel. Er klammert sich an seine Erinnerungen an die Heimat fest. Nur durch diese aktive Verdrängung erträgt er die Zustände der Krisenregion Brunnenmarkt. 

Alarm

Dann eskaliert die Situation. „Kalorienbombenalarm“, schreit Mahrer und geht in Deckung. Ein Händler leert mehrere saftige Datteln in eine Kiste. Eine fällt zu Boden und rollt auf Mahrer zu. Er nimmt seinen Kampfhelm ab und stülpt ihn über die ausländische Kalorienbombe.

„Das war knapp“, keucht er und tupft sich den Schweiß mit seinem Einstecktuch von der Stirn. Zitternd tritt er den Rückzug an. Ein WKO-Hubschrauber landet mitten auf der Straße und fliegt ihn aus.

Traumatisiert

Als wir Mahrer am nächsten Tag am Kohlmarkt treffen, ist er wie ausgewechselt. Gezeichnet vom Krieg starrt er apathisch in die Auslagen der Hutgeschäfte und Kürschnereien. „Posttraumatische Belastungsstörung, sagen die Ärzte“, erzählt der ÖVP-Politiker mit gebrochener Stimme. Immer wieder fällt er zu Boden, wirft sich panisch hin und her und schreit: „Datteln, Datteln, Datteln, aaaaaaaah!“ 

Es sind Bilder, die verstören. Vor uns sitzt ein gebrochener Mann. Ein Mann, der seine wahre Identität nicht mehr kennt. „Nein, für mich kein Schnitzel“, murmelt er der Kellnerin zu. „Heute ist Ramadan.“ Mahrer hat den Brunnenmarkt zwar lebend verlassen – aber der Brunnenmarkt wird ihn nie wieder verlassen.

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