Containerschiff rammt Brücke: Buttigieg warnt vor Lieferengpässen

Nach dem Einsturz einer etwa 2,5 Kilometer langen Brücke in Baltimore, die am frühen Dienstagmorgen von einem Containerschiff gerammt wurde, hat der Gouverneur des amerikanischen Bundesstaates Maryland, Wes Moore, den Notstand ausgerufen. Wie ein Video des Unglücks zeigt, fuhr die fast 300 Meter lange Dali gegen 1.30 Uhr gegen einen Pfeiler der Francis Scott Key Bridge.

Baltimore - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Aufnahme zeigt auch, wie große Teile der Metallkon­struktion in den Fluss Patapsco stürzten. Nach ersten Schätzungen sollen mindestens 20 Bauarbeiter, die den Straßenbelag auf der Brücke erneuerten, und mehrere Fahrer in ihren Autos oder Lastwagen in das etwa acht Grad kalte Wasser gestürzt sein. In den ersten Stunden nach dem Einsturz der Brücke konnten mindestens zwei Menschen schwer verletzt aus dem Patapsco River gerettet werden, sechs Bauarbeiten wurden vermisst.

Mit Schiffen und Tauchern suchten Küstenwache, Polizei und Feuerwehr am Dienstag weiter nach Überlebenden. Der Sprecher der Einsatzkräfte, Kevin Cartwright, nannte das Unglück einen „sich ent­wickelnden Zwischenfall mit vielen ­Opfern“. Mehrere Container, die sich an den Resten der Brücke verhakt hatten, erschwerten die Rettungsversuche.

Strom soll ausgefallen sein

Wie die Einsatzkräfte bislang rekon­struierten, hatte das Containerschiff, das unter der Flagge Singapurs fuhr, kurz nach Mitternacht im Hafen von Baltimore abgelegt. Eine knappe Stunde später rammte die Dali aus bisher unbekannter Ursache den Brückenpfeiler. Die Videoaufnahmen zeigen, wie auf dem Schiff kurz vor dem Aufprall Rauch aufstieg. Zudem soll in den Sekunden vor dem Unglück mindestens zweimal der Strom auf der Dali ausgefallen sein. Laut dem Branchendienst Trade Winds blieb die Besatzung des Containerschiffs unverletzt. Welche Fracht die Dali geladen hatte, blieb vorerst offen. Sie war angeblich auf dem Weg nach Sri Lanka, das sie in vier Wochen erreichen sollte.

Die nach dem Dichter und Verfasser der amerikanischen Nationalhymne „Star Spangled Banner“, Francis Scott Key, benannte Brücke war vor 47 Jahren eröffnet worden. Sie gehörte zu den drei Mautstellen des Hafens von Baltimore, der einer der verkehrsreichsten Häfen der Vereinigten Staaten ist. „The Key Bridge“, wie die Stahlkonstruktion genannt wurde, führte zudem die vierspurige Autobahn I-695 über den Patapsco River. Wie der Verkehrsminister von Maryland, Paul Wiedefeld, am Dienstag sagte, leitete die amerikanische Bundespolizei (FBI) inzwischen Ermittlungen zum Einsturz der Brücke ein. Hinweise auf einen Terror­anschlag hätten die Ermittler nicht gefunden.

Auch das Weiße Haus bestätigte, keine „schändlichen Absichten“ fest­gestellt zu haben. „Wir sind in Gedanken bei den Familien der Menschen, die seit dem fürchterlichen Zwischenfall vermisst werden“, teilte ein Sprecher mit. Der amerikanische Präsident Joe Biden werde über den Rettungseinsatz auf dem Laufenden gehalten. Biden selbst sagte bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus am Dienstagabend nach Deutscher Zeit Hilfen des Bundes zu. Er wolle zudem erreichen, dass die Kosten für den Wiederaufbau komplett vom Bund getragen würden, kündigte er an. Biden habe Marylands Gouverneur Wes Moore versprochen, jegliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Brücke wieder zu errichten und den Hafen von Baltimore, der gleich hinter der Francis Scott Key Bridge liegt, „so schnell wie menschlich möglich“ wieder zu öffnen.

Der Einsturz der Autobrücke in Baltimore hat nach Angaben von US-Verkehrsminister Pete Buttigieg auch wirtschaftliche Folgen. Man stelle sich wegen der Bedeutung des dahinter liegenden Hafens schon jetzt auf Lieferkettenprobleme ein, „von denen wir wissen, dass sie kommen werden", sagte Buttigieg am Dienstagnachmittag (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz vor Ort. Diese beträfen dann nicht nur die Region um Baltimore, „sondern die gesamte US-Wirtschaft".

Viele Amerikaner erinnerte das Unglück an den Einsturz der Sunshine-Skyway-Brücke in der Tampa Bay (Florida) vor 44 Jahren. Damals brachte ein Frachter Teile der Brücke zum Einsturz, als er während starker Winde außer Kontrolle geriet und einen Pier rammte. Bei dem Unglück kamen 35 Menschen, unter ­ihnen die Passagiere eines Reisebusses, ums Leben.

Nach dem Unglück in Baltimore am Dienstag fiel einigen Beobachtern auf, dass das Containerschiff einen ungewöhnlich weiten Bogen eingeschlagen hatte, bevor es den Pfeiler rammte. In sozialen Medien wiesen sie auch darauf hin, dass das Steuerungssystem der Dali bei einer möglichen Unterbrechung der Stromversorgung ebenfalls ausgefallen wäre.

Gouverneur Wes Moore bestätigte am Dienstagmorgen in einer Pressekonferenz, dass es nach Angaben der Besatzung ein Problem mit dem Strom gegeben habe. Die vorläufige Untersuchung deute auf einen Unfall hin. Die Besatzung des Containerschiffes habe  kurz vor dem Zusammenstoß ein Notsignal abgesetzt, dank dem Beamte in der Lage gewesen seien, den Verkehr zu stoppen, damit nicht noch mehr Autos auf die Brücke gelangten. „Diese Leute sind Helden. Sie haben letzte Nacht Leben gerettet“, sagte er.

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Unter Berufung auf einen Regierungsbeamten berichtete auch der Fernsehsender ABC über einen „Ausfall des Antriebs“. „Das Schiff ließ die Transportbehörde von Maryland wissen, dass es die Kontrolle verloren habe und ein Zusammenstoß mit der Brücke möglich sei“, ­zitierte der Sender aus einem Bericht der Abteilung für Internetsicherheit und Infra­struktur.

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