Zverev bei Australian Open: „Ich wusste manchmal nicht, was ich ...

Als Alexander Zverev am Donnerstag in Melbourne im Pressekonferenzraum Platz nahm und die erste Frage gestellt bekam, ließ der Tennisspieler kurz seinen Blick schweifen. „Wenn er vor dem Spiel hier gesessen hätte“, sagte Zverev über seinen Gegner, der ihm zuvor lange das Leben schwergemacht hatte: „Dann hätte ich ihn nicht erkannt.“

Wie auch? Lukas Klein aus der Slowakei ist auf der Tour bisher kaum jemandem aufgefallen. Er steht in der Weltrangliste auf Position 163, spielte 2023 vor allem auf der zweitklassigen Challenger Tour. Einmal nahm er im vergangenen Jahr in Wimbledon schon an einem Grand-Slam-Turnier teil und scheiterte in der ersten Runde. Wer sich das wohl gemerkt hat?

„So ist Tennis manchmal“

Zverev wird Klein so schnell nicht vergessen. Genügend Zeit, um sich das Gesicht seines Gegenübers einzuprägen, hatte er jedenfalls. Viereinhalb Stunden dauerte sein Zweitrundenmatch gegen den Slowaken. Am Ende siegte Zverev denkbar knapp in fünf Sätzen 7:5, 3:6, 4:6, 7:6 (7:5), 7:6 (10:7), weil er letztlich der nervenstärkere Spieler war und sich im Tie-Break des fünften Satzes auf seinen Aufschlag verlassen konnte.

Eingestehen musste sich der Deutsche hinterher wohl oder übel aber trotzdem etwas: Es hätte genauso gut auch andersherum ausgehen können. Sein Gegner machte exakt so viele Punkte wie er, war über viele Phasen der aktivere Spieler. „Er hätte es heute wahrscheinlich mehr verdient gehabt als ich, aber so ist Tennis manchmal“, sagte Zverev.

Schon im vergangenen Jahr war der Deutsche in der zweiten Runde gegen einen Qualifikanten gescheitert. Doch damals kam er gerade erst aus einer langen Verletzungspause zurück. In diesem Jahr schien Zverev vor dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres deutlich besser in Form, wurde von manchem schon als Geheimfavorit auf den Titel angesehen. Doch gegen Dominik Koepfer in der ersten Runde und nun gegen Klein präsentierte sich Zverev noch weit entfernt von einer Titelform.

Die Nummer sechs der Weltrangliste wirkte phasenweise überfordert mit dem angriffslustigen Spiel des Slowaken. Dabei hatte Zverev eigentlich gut ins Spiel gefunden und den ersten Satz dank eines späten Breaks 7:5 gewonnen. Die Ballwechsel waren anfangs kurz. Nichts deutete auf ein derart spannungsvolles Ende hin. Vieles änderte sich erst, als es in Melbourne zu regnen begann im zweiten Satz.

Da die John Cain Arena als eine von dreien auf der Anlage über ein Dach verfügt, wurde fortan unter Hallen-Bedingungen gespielt. „Vielleicht lag ihm das auch sehr“, mutmaßte Zverev. Klein spielte fortan jedenfalls noch offensiver, erzielte vor allem mit der Vorhand viele Punkte und sicherte sich so die Sätze zwei und drei. Am Ende standen in der Statistik des Slowaken 80 Gewinnschläge 83 unnötigen Fehlern gegenüber.

„Er hat wirklich unglaublich gespielt“, sagte Zverev. Aber dazu gehören ja immer zwei: Einer, der „unglaublich“ spielt. Und einer, der den anderen „unglaublich“ spielen lässt. Zverev agierte die meiste Zeit über viel zu passiv, stand häufig weit hinter der Grundlinie und tat sich schwer damit, die richtige Länge in seinen Schlägen zu finden. „Ich war lange Zuschauer. Das Match war in seinen Händen“, sagte Zverev: „Er hat alle Bälle so hart geschlagen, wie er konnte. Ich wusste manchmal nicht, was ich machen sollte.“

Was erstaunte: Anders als in der ersten Runde fluchte Zverev kaum, wirkte in sich gekehrt und phasenweise erstaunlich emotionslos. Wutausbrüche gebe es jetzt schon länger nicht mehr von ihm, sagte Zverev hinterher in der Pressekonferenz. Seit eineinhalb Jahren habe er keinen Schläger mehr zertrümmert. „Wenn ich ausbrechen muss, werde ich das machen. Aber heute hatte ich nicht das Gefühl, dass mir das geholfen hätte.“

Erst im vierten Durchgang fand Zverev wieder besser ins Spiel. Da stand er jedoch schon mit dem Rücken zur Wand. Beim Stand von 4:4 wehrte er einen Breakball gegen sich nur ab, weil Klein eine freie Vorhand aus dem Halbfeld ins Aus spielte. „Ich glaube, das war die einzige im Match“, sagte Zverev hinterher. Ganz so war es nicht. Aber der Paradeschlag von Klein bereitete ihm schon Probleme. Im Tie-Break spielte der Deutsche dann souveräner, profitierte auch von seinem guten Aufschlag.

Im letzten Durchgang lag der Weltranglistensechste schon mit einem Break vorn, ehe Klein nochmals zurückkam. Als Zverev nach der Partie gefragt wurde, was er da gedacht habe, antwortete er: an den Flug am Abend über Dubai nach Hause. Gedanklich schon im Flieger – das passte zu Zverevs Spiel an diesem Tag.

Der 26-Jährige wird einiges verbessern müssen, wenn er in diesem Turnier weit kommen möchte. „Ich finde, dass ich schon besser gespielt habe als in der ersten Runde“, sagte Zverev, der nun auf den 19 Jahre alten US-Amerikaner Alex Michelsen trifft. Der ist bisher noch weitgehend unbekannt. Genau wie Klein.

Zweitrunden-Aus für Tatjana Maria und Jan-Lennard Struff

Die deutschen Tennisspieler Jan-Lennard Struff und Tatjana Maria sind bei den Australian Open in der zweiten Runde ausgeschieden. Struff vergab zwei Matchbälle und unterlag in einem umkämpften Spiel dem Serben Miomir Kecmanovic 4:6, 6:1, 6:7 (5:7), 6:1, 6:7 (9:11). Maria verlor als letzte verbliebene Deutsche gegen die an Position 26 des Turniers gesetzte Jasmine Paolini aus Italien 2:6, 3:6. Damit steht von den Deutschen nur Alexander Zverev in der dritten Runde.

Maria fand gegen ihre druckvoll spielende Gegnerin nicht ins Match und kam nur auf sechs Gewinnschläge. Struff ärgerte sich hinterher vor allem über eine verpasste Chance im Tie-Break im fünften Satz. „Diesen Punkt würde ich gerne noch einmal spielen“, sagte er zum Matchball, den er beim Stand von 9:8 im Tie-Break per Volley ins Aus spielte.

Nichtsdestotrotz zog der 25. der Weltrangliste ein positives Fazit zu seiner Reise nach Australien: „Dafür, dass ich im letzten Jahr drei Monate raus war wegen meiner Hüfte, bin ich happy, dass ich es geschafft habe, diese Matches gut wegzustecken“, sagte Struff, der schon in seiner ersten Runde lange auf dem Platz stand. Kurios: Der Deutsche hat in dieser Saison bisher vier Matches gespielt, alle wurden erst im letzten Satz im Tie-Break entschieden. „Das ist verrückt“, sagte Struff, der als nächstes für Deutschland im Davis Cup spielen wird. Anfang Februar trifft das Team von Bundestrainer Michael Kohlmann auf Ungarn. (dali.)

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