Scottie Scheffler gewinnt das US Masters

Keiner schlägt den kleinen weissen Ball präziser als der Masters-Sieger Scottie Scheffler. Und kein Golfspieler ist bescheidener

Scottie Scheffler - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Nach seinem zweiten Masters-Triumph dankt Scheffler seinem Caddie. Erst seit der Zusammenarbeit mit ihm entfaltet der Texaner sein ganzes Potenzial.

Scottie Scheffler feiert seinen Sieg in Augusta.

Charlie Riedel / AP

Er steht seit fast einem Jahr unangefochten auf Platz eins der Weltrangliste. Eine Position, die er schon davor mehrmals innehatte. Doch wenn Scottie Scheffler allein durch die Strassen von New York spazieren würde, dürfte es nur wenige geben, die ihn erkennen.

Das liegt nicht nur an seinem Allerweltsgesicht, in dem sich kaum je eine Emotion ausdrückt. Mehr noch hat es mit seinem Blick auf die Welt zu tun. Der 27-jährige Texaner, der am Sonntag zum zweiten Mal nach 2022 mit deutlichem Vorsprung das prestigeträchtige Masters gewann, sieht sich nicht als egozentrischen Golfstar, der von der Bewunderung fremder Menschen zehrt. Sportliche Erfolge? Millionen Dollar an Preisgeldern? Die Reputation, der Beste seiner Zunft zu sein?

Alles nicht so wichtig.

«Ich denke über solche Dinge überhaupt nicht nach», sagte er vor ein paar Wochen, als sich abzeichnete, dass er erneut eine Saison der Extraklasse abliefern würde. Scheffler, ein Golfspieler, der den kleinen, weissen Ball mit erstaunlicher Präzision fast wie ein Roboter mit abgezirkeltem Schwung und Effet über Distanzen von bis zu 300 Metern befördert, ruht in sich selbst und in seinem Bekenntnis zu einer höheren Macht: «Ich glaube an Jesus. Und das ist es, was mich ausmacht.» Dazu kommen «grossartige Eltern, eine grossartige Ehefrau, grossartige Freunde, denen es egal ist, ob ich am Wochenende ein Turnier gewonnen habe oder nicht.»

«Jemand im Netz hat gemeint, er sei langweilig», sagte der amerikanische Golfspieler Max Homa unlängst. «Ich könnte mir vorstellen, dass man genau davon träumt: Der beste Spieler der Welt zu werden und eine Reihe von Majors zu gewinnen, und das mit so langweiligem Golf wie möglich.» Scheffler sei der «beständigste Spieler, den ich je gesehen habe».

In Augusta gewann Scheffler mit dieser sachlichen, zielstrebigen Herangehensweise mit 277 Schlägen (11 unter Par) deutlich. Keinem der stärksten Konkurrenten gelang es, sich in den ersten zwei Runden einen nützlichen Vorsprung herauszuspielen, wie der Texaner Bryson DeChambeau, der in der Schlussrangliste auf den sechsten Platz zurückfiel.

Und alle, die im entscheidenden Moment zu ihm aufschliessen wollten, produzierten mit riskantem Spiel zu viele Fehler. So wie der Kalifornier Collin Morikawa, der mit nur einem Schlag Rückstand hinter Scheffler in die Finalrunde gegangen war, am Ende aber mit einem Minus von sieben Zählern ins Klubhaus zurückkehrte. Das reichte nur zum dritten Platz, den er sich mit Homa und dem Engländer Tommy Fleetwood teilen musste.

Wirklich zufrieden konnte nur einer der Herausforderer sein: der Schwede Ludvig Aberg, der mit 281 Schlägen (7 unter Par) den zweiten Platz belegte und sich in seiner zweiten Saison als Profi unter die Besten der Welt katapultierte. Der 24-Jährige hatte nach einem erfolgreichen Abstecher beim College-Golf in den USA im letzten Jahr in Crans-Montana am Omega European Masters mit einem ersten Profi-Sieg aufhorchen lassen. Es folgte ein bemerkenswerter Auftritt am Ryder Cup und im November ein weiterer Turniersieg im amerikanischen Gliedstaat Georgia. Der Ausflug auf den schweren Platz in Augusta (Par 72, 6 908 Meter lang) gab ihm Rückenwind: «Ich habe in dieser Woche viele Erfahrungen gesammelt und eine Menge Lektionen gelernt. Das macht mich wirklich hungrig auf mehr.»

Tiger Woods und die LIV-Golfer enttäuschen

Ganz anders erging es dem fünffachen Masters-Siegers Tiger Woods: Er erreichte sein bisher schlechtestes Resultat bei seiner 26. Teilnahme. Der 48-Jährige, der trotz einiger Operationen und ausgiebiger Rehabilitation noch immer unter den Folgen seines schweren Verkehrsunfalls von 2021 leidet, qualifizierte sich zwar für die entscheidenden beiden Runden am Samstag und Sonntag, rutschte aber auf den 60. und letzten Platz der Finalisten ab.

Enttäuschend schnitten auch die dreizehn Golfspieler der mit saudischen Öl-Milliarden finanzierten LIV-Turnierserie ab. Nur neun schafften den Cut. Der spanische Vorjahressieger Jon Rahm tat sich auch danach weiter schwer und belegte mit 20 Schlägen Rückstand hinter Scheffler zusammen mit Bruce Koepka, einem weiteren LIV-Spieler, den 45. Platz. Die besten Platzierungen dieser Gruppe gelangen Bryson DeChambeau und dem Australier Cameron Smith als Sechste.

Erst mit dem neuen neuen Caddie entfaltet Scheffler sein volles Potenzial

Abseits vom Rampenlicht kam ein Mitwirkender am Sonntag ebenfalls auf seine Kosten, obwohl sein Namen nur selten erwähnt wird: Scottie Schefflers Caddie Ted Scott, der zum vierten Mal in Augusta die Tasche des Siegers über den hügeligen Platz geschleppt hatte. Er war 2012 und 2014 der Assistent von Bubba Watson bei dessen Masters-Erfolgen gewesen und Ende 2021 von Scheffler angeheuert worden. «Ich hatte damals keine Ahnung, wie gut er ist», verriet er am Wochenende. Denn sein neuer Chef entfaltete erst 2022 sein Potenzial. Da erkannte der Caddie: «Seine Superpower ist: Er hat keine Schwäche.»

Ein solches Format lohnt sich ganz erheblich für den Mann an seiner Seite, der fast doppelt so alt ist. Caddies erhalten traditionell einen Anteil von zehn Prozent des Preisgeldes, das der Spieler im Falle eines Turniersieges einstreicht. Und zwischen fünf und sieben Prozent der regulären Turnierprämien. Der Weltranglistenerste verdiente in diesem Jahr einschliesslich der 3,6 Millionen vom Sonntag bereits 15 Millionen Dollar. Der geschätzte Anteil seines Caddies: etwa 1,5 Millionen Dollar.

Obendrein gab es ein ausdrückliches Lob von seinem Chef, der weiss, wie wichtig es ist, einen kompetenten Ratgeber für die Schlägerwahl und eine psychische Stütze zu haben, was viel mehr ist, als ein klassischer Gepäckträger bieten kann: «Das war gute Arbeit. Er hat da draussen dafür gesorgt, dass ich einen klaren Kopf behalten habe.»

Und so geht Scheffler auch als Favorit in die weiteren grossen Turniere der Saison. Der nächste wichtige Termin: die PGA Championship vom 16. bis 19. Mai im Valhalla Golf Club in Louisville/Kentucky.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche