Terror-Experte nennt jetzt Pläne der Moskau-Attentäter

25 Mär 2024

Der IS-Ableger ISPK wird als Drahtzieher hinter dem Anschlag in Moskau vermutet. Terror-Experte Peter Neumann ortet Macht hinter der Attacke.

Moskau-Attentäter - Figure 1
Foto Heute.at

25.03.2024, 22:17

Terror-Experte Peter Neumann in der ORF-"ZIB2" am späten Montagabend.

Screenshot ORF

Der Terror-Experte vom renommierten King’s College London, der am späten Montagabend auch in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf zu Gast war, sieht im aktuellen Anschlag in Russland eine Tat, deren Wurzeln Jahrzehnte zurückreichen würden. "Russland ist seit vielen Jahrzehnten mit dem IS im Konflikt, der in Afghanistan in den 80er-Jahren seinen Ursprung hatte. In den 90er- und 00er-Jahren folgte im Kaukasus der Tschetschenienkrieg. Im Syrien-Krieg in den 2010er-Jahren unterstützte Putin den Machthaber Assad im Kampf gegen die IS-Rebellen", so Neumann. Deswegen gelte der Anschlag vor allem, aber nicht nur Russland.

„Im Dezember 2023 konnten glücklicherweise ihre geplanten Anschläge auf den Kölner Dom und den Wiener Stephansdom rechtzeitig vereitelt werden“

Terror-Experte Peter Neumann

Moskau-Attentäter - Figure 2
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über die IS-Terror-Gruppe ISPK

"Die ISPK ist einer von vielen Ablegern des IS und rekrutiert Kämpfer in der historischen Region Khorasan, die neben Afghanistan und dem Iran auch viele ehemalige Sowjetrepubliken wie Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan umfasst. Viele IS-Kämpfer aus diesen Ländern haben wegen der Sowjetunion-Vergangenheit immer noch einen Hass auf Russland", so der Experte. Die Terrorgruppe habe aber "ganz Europa im Visier". "Im Dezember 2023 konnten glücklicherweise ihre geplanten Anschläge auf den Kölner Dom und den Wiener Stephansdom rechtzeitig vereitelt werden", so Neumann. Ziel der Gruppe sei Macht und Aufmerksamkeit.

"Durch spektakuläre Anschläge auf Zivilisten aus nicht muslimischen Ländern versucht sich die ISPK nun selbst so berühmt zu machen, dass man sie als Führungsgruppe im IS wahrnimmt. Mit dem Terrorakt im Moskauer Konzertsaal mit hunderten Toten sind sie dem Ziel, sich als stärkste Gruppe zu etablieren, nun tragischerweise näher gekommen", so Neumann. Geld für ihre Anschläge beschaffe dabei der afghanische Anführer Shahab al-Muhajir (29), "der sich selbst als Emir der Provinz Khorasan tituliert" und Kontakte ins Ausland pflege: "Außerdem ist es für die ISBK in den ehemaligen Sowjetrepubliken ein Leichtes, Kämpfer zu rekrutieren."

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„So etwas sagen Attentäter gerne, wenn sie geschnappt und gefoltert werden“

Terror-Experte Peter Neumann

dazu, ob die Terroristen tatsächlich für den Anschlag bezahlt worden seien

Vor allem Tadschiken seien "aufgrund schlecht bezahlter Jobs verletzlich und leicht beeinflussbar, um sie von ihren eigenen Ideologien zu überzeugen. Das Geld stammt wahrscheinlich aus Steuereintreibungen aus den von der ISPK kontrollierten Dörfern in Afghanistan. Vielfach beziehen solche Gruppen ihre Einkünfte auch aus der Kriminalität wie beispielsweise dem Schwarzhandel", so Neumann. Unüblich sei, dass es zu Verhaftungen statt zu Selbstmordanschlägen gekommen sei: "Bei solchen Operationen kämpft man, bis man von den Sicherheitskräften erschossen wird oder man versucht noch rechtzeitig zu fliehen."

Wladimir Putin spricht nach Terror-Anschlag zur Nation

Wladimir Putin bei seiner Ansprache an die Nation in Folge des Terroranschlags auf die Crocus City Hall am 22. März 2024. Für 19 Stunden hatte er zuvor – unüblich lange – geschwiegen.

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Cao Yang Xinhua / Eyevine / picturedesk.com

"Skeptisch" zeigte sich Neumann bei der Frage, ob sich die Kämpfer tatsächlich für den Anschlag hätten bezahlen lassen, wie von den Terroristen angeblich behauptet werde. "So etwas sagen Attentäter gerne, wenn sie geschnappt und gefoltert werden. Damit wollen sie signalisieren, dass sie keine religiösen Fanatiker sind und erhoffen sich eine mildernde Strafe", so Neumann. Dass Putin trotz aller Anzeichen ganz andere Drahtzieher, nämlich aus der Ukraine, für den Anschlag verantwortlich machen wollte, habe so lächerlich gewirkt, dass selbst Putin einen Rückzieher gemacht habe und nun eine "Achse des Bösen" konstruieren wolle. Der ISPK sei in Russland, aber auch in Deutschland und Österreich "sehr aktiv", warnte Neumann – weshalb die Gefahr eines Anschlags hierzulande höher als in anderen Ländern sei.

Akt.25.03.2024, 22:54,25.03.2024, 22:17

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