Kalifat-Demo auf Servus TV: Niemand redet über die Frauen

14 Tage vor
Kalifat

Der „Talk im Hangar 7“ zum Thema „Kalifat statt Demokratie: Sind wir zu tolerant?“ war lebhaft, doch ein blinder Fleck blieb.

Immerhin: Zwei Männer und zwei Frauen hat Michael Fleischhacker am Donnerstagabend zum „Talk im Hangar 7“ eingeladen, die Frauen saßen zu seiner Linken, die Männer zur Rechten. Paritätisch besetzt könnte man die Diskussionssendung nennen, was nicht ganz zutrifft, bleibt der Moderator selbst doch selten neutral. Inhaltlich ging es um ein großes Thema, das für Schlagzeilen gesorgt hat – über den deutschen Sprachraum hinaus: jene islamistische Demonstration in Hamburg, bei der die Errichtung eines Kalifats gefordert wurde.

„Kalifat statt Demokratie: Sind wir zu tolerant?“, fragte die Servus-TV-Sendung nun. Diskutiert wurde unter anderem über Radikalisierung in sozialen Medien, Meinungsfreiheit, Gaza, Islamophobie und die Proteste an US-Unis. Was an den Bildern der Kalifat-Demo ins Auge sticht, wurde nicht dezidiert besprochen. Über 1000 Männer zählte die Demo. Räumlich getrennt zehn Meter weiter hinter den Männern demonstrierten circa 80 Frauen mit. Viele von ihnen verschleiert mit Niqab, der nur Augenschlitze freilässt. Wollten andere Frauen nicht mitmarschieren? Oder mussten sie zu Hause bleiben? Das eklatante Missverhältnis zwischen den Geschlechtern passt schon einmal zum rückwärtsgewandten Frauenbild in einem Kalifat.

Um über Radikalismus und Islam zu sprechen, dazu blieben dem umsichtigen Soziologen Kenan Güngör am Montag in der „ZiB 2“ nur knapp zehn Minuten Zeit. Vergleichsweise viel Gelegenheit mit 75 Minuten gab es am Donnerstag für das Thema – doch eine feministische Perspektive fehlte auch hier. Was reizt Männer an der Idee eines Kalifats? Was würde es für Frauen bedeuten?

Statt dieser Fragen gab es über weite Strecken eine vielfach geführte Debatte über den Krieg in Gaza. Die Vertreterin der vielleicht radikalsten Position auf muslimischer Seite fühlte sich von Moderator Fleischhacker schon bei ihrer Vorstellung diffamiert: Er bezeichnete die Aktivistin Ferah Ulucay, Generalsekretärin beim Verein „Islamischer Zentralrat Schweiz“, als fundamentalistisch. „Ich möchte mich davon distanzieren“, widersprach sie. „Ich bin ein Mainstream-Muslim“.

Das wiederum wollte der zweite Muslim in der Runde, der Psychologe und Extremismusforscher Ahmad Mansour, so nicht gelten lassen. Immer wieder wird muslimischer Diskurs gefordert, damit der Islam sich „aufkläre“ wie das Christentum – zwischen den beiden Diskussionsteilnehmern entspann sich ein solcher, was zu den kurzweiligsten Passagen der insgesamt lebhaften Diskussion zählte.

Nicht nur räumlich eher am Rand blieben die streitbare katholisch-konservative Publizistin und Historikerin Gudula Walterskirchen sowie der Philosoph Franz Josef Wetz, Professor an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd. Er vertrat die Ansicht, dass man das Recht auf Meinungsfreiheit verliere, wenn diese dazu benutzt werde, Lehren gegen diese Freiheit zu verbreiten. Sie betonte wiederum, dass die Christen weltweit jene Gruppe seien, die der größten Verfolgung ausgesetzt seien.

Walterskirchen reagierte damit auf Ulucays Argumentation, dass Islamophobie Nährboden für radikale Tendenzen sei wie die „Kalifat-Quassler“, wie die Schweizerin formulierte. Eine Opferhaltung warf Wetz ihr daraufhin vor. Mansour wiederum warnte davor, dass radikale Gruppen den Diskurs in sozialen Medien besetzen würden: „Auch kleine Gruppen können Gesellschaften verunsichern“, warnte er. Eine Steilauflage für Walterskirchen, die Zuwanderung ins Spiel brachte.

In einem Nebensatz erzählte sie von Belästigung durch muslimische Männer. Ulucay, die Kopftuch trägt, schilderte, wie sie und ihre Tochter beschimpft wurden. Man könnte das als zwei Seiten desselben Problems deuten: Wer glaubt darüber bestimmen zu können, was Frauen tragen oder tun? Wer will darüber reden?

>> Die Sendung zum Nachschauen

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