Sechs Teile Kafka zum 100. Todestag

23 Mär 2024

David Schalko und Daniel Kehlmann haben dem Autor ein ebenso reizvolles wie biografisch irisierendes Seriendenkmal gesetzt. Längere Vorgeschichte inklusive.

Kafka - Figure 1
Foto FM4

Von Martina Bauer

Tatsächlich reicht die Geschichte des „Kafka“-Serienprojekts schon etwa ein Jahrzehnt zurück. Die Idee entstand, als David Schalko mit Begeisterung die gefeierten Kafka-Biografien von Reiner Stach las. David erzählte seinem guten Freund Daniel, nämlich Kehlmann, beim gemeinsamen Skiurlaub davon. Und der wiederum bot, so jemals erwünscht, seine Hilfe beim Schreiben an. Klingt nach Herzensprojekt. Und sieht sich on screen auch so.

Diese sechs Teile „Kafka“ ergeben ein ebenso lehrreiches wie unterhaltsames Biopic, facettenvoll inszeniert und mit einer symbiotischen Einwebung der Originalliteratur. Da wird die Vierte Wand durchbrochen, dort vervielfältigt sich eine Amtsstube ins quasi Unendliche wie im Spiegelkabinett. Auf feinem Soundteppich hüpfen wir unchronologisch durch Kafkas Leben, bildlich öfter wunderbar artifiziell entrückt denn wirklichkeitsnah.

Die Episoden folgen dabei den bedeutenden Menschen und Kapiteln in Kafkas Leben: dem besten Freund, dem Vater, der Versicherung, wichtigen Frauen. Die Titel: Max (nämlich Brod), Felice, Familie, Bureau, Milena, Dora. Aus ihren durchaus divergierenden Perspektiven ergibt sich so ein Mosaik des Schriftstellers.

Nüsse und Turnübungen

Regie wie Produktion tragen den Namen und natürlich die Handschrift David Schalkos, der auch an den Drehbüchern von Daniel Kehlmann mitgearbeitet hat. Der oben angesprochene Kafka-Experte Stach war zudem beratend mit an Bord. Die Kamera schließlich führte Martin Gschlacht (zuletzt: „Des Teufels Bad“).

Kafka - Figure 2
Foto FM4

Ein Who’s who setzt sich auch in der Besetzung fort. Selbst kleine Nebenrollen haben große Namen. Von Lars Eidinger als Rilke über Verena Altenberger als Musil, dazu ein Kehlmann-Cameo als Schnitzler.

ORF Superfilm/Nicole Albiez

ORF1 zeigt die Mini-Serie am Sonntag und Montag, 24. und 25. März 2024, ab 20.15 Uhr in je drei Folgen. Die Episoden stehen mit der TV-Ausstrahlung auch auf ORF ON und in der TVthek zur Verfügung. In der ARD Mediathek ist die Serie bereits online, im deutschen TV wird sie am 26. und 27. März ausgestrahlt.

Kafkas Vater wird von Nicolas Ofczarek gegeben, der enge Freundeskreis ist mit bekannten Schauspielern wie David Kross und Robert Stadlober besetzt. Kafka selbst, dem einmal von einer Liebschaft bekundet wird, dass er nur gesprächig werde, wenn es um vegetarische Gerichte, Nüsse oder Turnübungen gehe, wird verkörpert von Joel Basman.

Lange war nicht klar, wer Kafka spielen könnte, erzählt David Schalko im Gespräch. Es waren bereits zwei der Drehbücher fertig, da fiel der Name Basman. Ein Glücksfall, nicht nur aus Gründen der physiognomischen Ähnlichkeit, sondern vor allem, weil dieser „den Kafka in sich sitzen hat“, war Schalko schnell überzeugt. Und es ist tatsächlich eine Impersonation.

Franz

Basmans Kafka kommt als eigenbrötlerischer, mitunter schwieriger Mensch auf uns zu, dessen Morgensport ebenso speziell und gewöhnungsbedürftig ist wie seine Art sich auszudrücken und zu kauen (40 Mal!). Zugleich erleben wir durch Basman außerdem einen Charakter mit viel Witz, der sozial sowie bescheiden ist und eine offene Naivität besitzt, einen auch privat passionierten Briefeschreiber, der gleichermaßen versiert, genau und geachtet in seinem Versicherungsmetier ist wie unter der Schreibkolleg:innenschaft hoch geschätzt.

Und so fügt sich ein wirklich sehenswertes Serienpaket über den Autor wie Menschen Franz Kafka, das zudem Lust macht, dessen Werke wieder zu lesen.

ORF Superfilm

Publiziert am 23.03.2024

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