Fokusgruppe Altersvorsorge, GDV, BMF, Riesterrente, Bürgerrente ...

Bundesministerium für Finanzen

Von Herbert Fromme und Jonas Tauber, Berlin/Köln

Die Altersvorsorge in Deutschland steht vor einer entscheidenden Weichenstellung. Diese soll eine so genannte Fokusgruppe vorbereiten, die sich am Dienstag zum ersten Mal im Bundesministerium der Finanzen (BMF) in Berlin getroffen hat. Ergebnisse sind noch nicht bekannt. Es geht um Grundsätzliches: Im Prinzip weiter so wie bisher? Mit Lebensversicherung, Riester- und Rürup-Rente und ähnlichen Angeboten? Oder ein ganz neues System mit einem öffentlichen Fonds auf Aktienbasis, so wie in Schweden?

"In der ersten Sitzung werden neben einer Bestandsaufnahme des Status Quo der privaten Altersvorsorge in Deutschland auch Verbesserungen für bestehende Riester-Verträge diskutiert", teilte das Ministerium zur Tagesordnung mit. Die Ampel-Regierung hatte im Koalitionsvertrag eine Reform der privaten Altersvorsorge angekündigt.

Weitere fünf Treffen der Experten sollen folgen, auf denen die im Koalitionsvertrag angekündigten Prüfaufträge abgearbeitet werden sollen. Dazu gehört die Frage, ob ein öffentlich verwalteter Vorsorgefonds mit Abwahlmöglichkeit sinnvoll ist.

Im Sommer will die Fokusgruppe ihren Abschlussbericht vorlegen, das Finanzministerium plant die Veröffentlichung.

Geleitet wird das Gremium von BMF-Staatssekretär Florian Toncar (FDP). Es soll ein konkretes Konzept für die im Koalitionsvertrag angekündigte Reform der privaten Altersvorsorge vorlegen. Dazu gehören neben dem in Aussicht gestellten öffentlich verwalteten Fonds auch Vorsorgeprodukte mit einer besseren Rendite als die staatlich geförderte Riester-Rente.

Neben der Regierung sind Verbraucherschützer, Gewerkschaften, Versicherer und Fondsanbieter in der Gruppe präsent. Den Gesamtverband der Versicherer (GDV) vertritt sein Hauptgeschäftsführer, der einstige SPD-Staatsekretär im BMF Jörg Asmussen. Er ist inzwischen aus der Partei ausgetreten.

Die Frage der künftigen privaten Altersvorsorge ist politisch heftig umstritten. Wegen der Alterung der Gesellschaft, die das staatliche Rentensystem unter Druck setzt, sollen die Deutschen zusätzlich für den Ruhestand vorsorgen. Seit 2002 gibt es staatliche Unterstützung für Sparer, die mit einer Riester-Rente Geld ansammeln.

Allerdings ist sie schon lange in der Kritik. Die Verbreitung ist mit stattlichen 16 Millionen Verträgen zwar groß, doch sie stockt seit Jahren. Nur noch knapp zehn Millionen Verbraucher rufen die staatlichen Zulagen ab. Verbraucherschützer kritisieren eine hohe Kostenlast. In der vergangenen Legislaturperiode wollte die Regierung deshalb mit der Versicherungswirtschaft über die Schaffung eines reformierten Riester-Standardprodukts ins Gespräch kommen, doch dabei kam nichts heraus.

Problemfall Riester-Rente: Es gibt kaum Versuche, sie wiederzubeleben

Die Situation hat sich weiter zugespitzt, seitdem mit der Absenkung des höchstens erlaubten Garantiezinses die Riester-Rente in ihrer jetzigen Form für die meisten Versicherer bei neuen Verträgen nicht mehr rentabel ist. Die Zinsen am Kapitalmarkt sind zwar wieder gestiegen, doch wird es mehrere Jahre dauern, ehe sich das bei Riester niederschlägt. Es gibt bislang kaum Versuche, die Riester-Rente wiederzubeleben.

Lange hat die Versicherungswirtschaft verlangt, das Konzept zu reformieren und vor allem die Pflicht zum Erhalt der eingezahlten Beiträge abzuschaffen. Jetzt hat der GDV ein anderes Konzept vorgelegt, das im Wesentlichen genauso funktioniert wie Riester, aber einfacher sein soll. Denn als größtes Problem des aktuellen Systems identifiziert der GDV in einer Stellungnahme die Komplexität des Zulagenverfahrens, er spricht sich für eine Vereinfachung aus. Das Modell heißt jetzt "Bürgerrente". Die Versicherer wollen nur noch den Erhalt von 80 Prozent der eingezahlten Beiträge garantieren.

An die Kosten will der GDV nicht heran. Auch die "Bürgerrente" soll vor allem über Versicherungsvertreter und Makler mit entsprechend hohen Provisionen vertrieben werden. Jahr für Jahr zahlen deutsche Lebensversicherer rund acht Milliarden Euro für Abschlusskosten in allen Formen der Lebensversicherung aus, die sie sich von ihren Kunden wiederholen. Das meiste davon sind Provisionen. Diese Kosten gehen zu Lasten der Rendite der Sparer. An dem System wollen die Versicherer weiterhin ausdrücklich nichts ändern.

Verbraucherschützer wollen einen öffentlich verwalteten Fonds ohne Vertriebskosten

Auf der anderen Seite macht sich der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) für einen öffentlich verwalteten Fonds stark, der die Gelder der Sparer kostengünstig anlegt. Vertriebskosten soll es gar nicht geben, die Verwaltung der Kapitalanlagen soll unter privaten Gesellschaften ausgeschrieben werden und deshalb preisgünstig bleiben. Der Verband hatte sich in der Vergangenheit mit seinem Konzept der "Extrarente" bereits entsprechend positioniert. Außerdem fordert er eine klare Abkehr von der Riester-Rente. Der VZBV wird in der Arbeitsgruppe von Dorothea Mohn vertreten, der Leiterin des Teams Finanzmarkt. Für den Verbraucherschutz nimmt auch die Stiftung Warentest teil.

Für die Regierung stellen neben dem BMF das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesministerium für Klimaschutz und Wirtschaft Vertreter. Damit sind alle drei Parteien der Ampel vertreten. Die FDP steht in ihren Positionen den Versicherern nahe. Sie will zwar Änderungen durchsetzen, aber nicht an das Provisionssystem heran. SPD und Grüne sind dagegen für eine umfassende Reform und wollen Provisionen reduzieren oder abschaffen.

Auf Anbieterseite ist neben dem GDV der Bundesverband Investment und Asset Management dabei. Außerdem sind die Sozialpartner Bundesverband der deutschen Arbeitgeberverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie der Lobbyverband Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung mit von der Partie.

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