Usedom lockt mit mehr als schönen Stränden: Nobelpreisträger kommt

17 Tage vor

Gerade erst haben die Besucherzahlen des Osterwochenendes auf der Insel alle Erwartungen übertroffen. Geht das so weiter, wenn die Usedomer Literaturtage die Kultursaison eröffnen?

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Das hoffe ich doch, wir haben jedenfalls einen sehr guten Vorverkauf. Wenn die Insel voll ist, werden auch wir das spüren, indem Besucher sich für Literatur und spannende Themen interessieren.

Thomas Hummel, Intendant des Usedomer Musikfestivals und der Usedomer Literaturtage (Foto: Peter Adamik)

„Hoffnung atmen“ lautet das diesjährige Festivalmotto. Fällt das nicht besonders schwer in Zeiten von Kriegen, Krisen und Konflikten?

Wir greifen damit den Titel des beeindruckenden neuen Buches von Tanja Maljartschuk auf: „Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus.“ Wenn wir die gegenwärtige Situation im Kontext vieler Jahrhunderte und Jahrzehnte sehen, ist auch in den schwierigsten Zeiten Hoffnung wichtig, sodass man Kraft findet, durchzuatmen. So wollen wir mit Gesprächen, Inspirationen und Anregungen aus der Literatur ein Stück Hoffnung in den Alltag bringen. Auch für die junge Generation - ich habe selbst vier Kinder, von denen eines gerade mit dem Abitur seine eigenen Wege beginnt - ist es wichtig, Optimismus auszustrahlen. Das bedeutet nicht, alles schönzureden.

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Ein Gespräch mit Alt-Bundespräsident Joachim Gauck wird am 10. April das Festival eröffnen. (Foto: Jesko Denzel/Steffen Kugler)

Ihr Programm blendet ja Konflikte und Bedrohungen keineswegs aus, etwa wenn am Eröffnungsabend Alt-Bundespräsident Joachim Gauck und Journalistin Helga Hirsch ihr Buch „Erschütterungen“ vorstellen. 

Genau. Joachim Gauck hatten wir schon mal zu Gast, und es hat ihm gut gefallen. Jetzt kommt er mit einem neuen Buch, das das ganze Gebilde der Demokratie beschreibt. Er ist ein Mensch, der Dinge beim Namen nennt und zu erschüttern weiß, aber auch eine Perspektive zeigt: Dass wir die Kraft haben, eine starke Demokratie aufzubauen und zu verteidigen.

Eine weitere Wiederbegegnung gibt es mit der ukrainischen Schriftstellerin Tanja Maljartschuk. Vor zwei Jahren erhielt sie den Usedomer Literaturpreis, wenige Wochen, nachdem Russland ihr Land überfallen hatte - Festivalliteratur im Schatten des Krieges.

Ja, was für ein Zusammentreffen. Als Preisträgerin ausgewählt war sie ja schon lange zuvor. Wenn man dann so unmittelbar hört, was dieser Krieg bedeutet für die Menschen in der Ukraine und wie sie trotz allem ihren Alltag meistern, das trifft ins Herz. Tanja Maljartschuk hat aber auch die Ironie, die vielen Ukrainern eigen ist, um das durchzustehen. Das Unvorstellbare und wie man damit umgeht, wollen wir beim Festival zur Sprache bringen.

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Ronya Othmann erhält in diesem Jahr den Usedomer Literaturpreis. (Foto: Amrei Marie)

Den Usedomer Literaturpreis wiederum bekommt diesmal Ronya Othmann, Tochter einer Deutschen und eines jesidischen Kurden, die auch regelmäßig für überregionale Zeitungen schreibt. Wegen ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der Hamas wurde sie kürzlich unter dem Vorwurf des Zionismus von einem pakistanischen Literaturfestival ausgeladen - eine junge Frau, die den Finger in Wunden legt?

Auf jeden Fall. Auch die Flüchtlingsproblematik ist für sie ein wichtiges Thema, in dem sie sich sehr engagiert. Wie sie das in ihrem Roman „Die Sommer“ in der Geschichte einer einzelnen Person, am Schicksal einer Familie meisterlich auf den Punkt bringt, macht das noch mal auf besondere Weise erkennbar. Nicht umsonst hat sie in den vergangenen Jahren schon diverse Preise gewonnen. Ich finde es sehr wichtig, eine solche Stimme auszuzeichnen.

Der norwegische Autor Jon Fosse fügt der Anziehungskraft des Festivals auf Nobelpreisträger einen weiteren Coup hinzu. (Foto: Tom A. Kolstad)

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Darüber hinaus haben Sie ein „Abo“ auf Nobelpreisträger: Olga Tokarczuk, Swetlana Alexijewitsch und Herta Müller waren schon bei den Literaturtagen, nun kommt der Norweger Jon Fosse, Literatur-Nobelpreisträger 2023. Weitet er zudem den osteuropäischen Fokus nach Skandinavien auf?

Stimmt, beim Blick in den Ostseeraum ist uns auch Skandinavien sehr wichtig. Wir haben sehr darum gekämpft, dass Jon Fosse eine seiner raren Lesungen bei uns hält, erst recht nach dieser Auszeichnung, die garantiert zu noch mehr Anfragen führt. Vor Jahren hatte Katja Riemann bei uns Texte von Jon Fosse gelesen; ihn nun auch persönlich kennenzulernen, ist eine tolle Sache.

Im Unterschied zum Usedomer Musikfestival mit Konzertorten auf der ganzen Insel fokussieren sich die Literaturtage auf Heringsdorf und Zinnowitz - warum eigentlich?

Das Musikfestival ist unser Hauptprojekt, die Literaturtage haben wir eingeführt, um auch im Frühjahr ein Highlight zu setzen. Das ist logistisch schon ein Kraftakt. Wir siedeln die Veranstaltungen traditionell in den Seebädern an, in Zinnowitz auch als Verbindung in Richtung Wolgast. Mit dem Musikfestival sind wir dann natürlich wieder überall.

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Zuvor steht noch ein weiteres Ereignis in Ihrem Kalender: der European Arts Festival Summit im Mai, das Gipfeltreffen europäischer Festivals. Worum geht es da?

Das ist eine Riesen-Agenda, wir erwarten rund 200 Festival-Chefs und -Chefinnen aus vielen Ländern. Ich arbeite seit drei Jahren im Vorstand der European Festival Association mit, daher haben wir uns beworben um die Ausrichtung des Gipfels, der zuletzt zum Beispiel in Barcelona, Galway oder Eriwan stattfand. Als Tor zum Osten konnten wir überzeugen, wo sonst gibt es schon eine Insel mit zwei Ländern?Dadurch international bekannter zu werden, ist gut fürs ganze Land. Mit einem Konzert unseres Baltic Sea Philharmonic am 13. Mai in Peenemünde hat zudem die ganze Region etwas davon.

Die ukrainische Autorin Tanja Maljartschuk, vor zwei Jahren mit dem Usedomer Literaturpreis geehrt, stellt diesmal ihr neues Buch vor. (Foto: Michael Stiller)

Das Programm der Usedomer Literaturtage

10. April, 19.30 Uhr, Villa Esplanade Heringsdorf: „Erschütterungen“ mit Joachim Gauck und Helga Hirsch 11. April, 19.30 Uhr, Villa Esplanade Heringsdorf: Fenster zur Ukraine – Lesung mit Tanja Maljartschuk aus ihrem neuen Essayband „Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus“12. April, 19.30 Uhr, Hotel Usedom Palace Zinnowitz: Ein schlesischer Frauenepos – Lesung mit Joanna Bator aus ihrem Roman „Bitternis“13. April, 11 Uhr, Villa Esplanade Heringsdorf: Usedomer Literaturpreis für Ronya Othmann und ihren Roman „Die Sommer“13. April, 15 Uhr, Steigenberger Grandhotel Heringsdorf: Education against Antisemitism - Musik mit Pianist Jascha Nemtsov sowie Präsentation von Texten Usedomer Schülerinnen und Schüler13. April, 19.30 Uhr, Villa Esplanade Heringsdorf: Unendliches Erzählen – Lesung mit Literaturnobelpreisträger Jon Fosse sowie Werke von Edvard Grieg mit Hideyo Harada (Klavier)

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Karten und weitere Informationen gibt es über die Website www.usedomerliteraturtage.de, an allen Vorverkaufsstellen der Insel Usedom und beim Ticketportal www.reservix.de.

Erneut beim Festival zu Gast ist auch die polnische Autorin Joanna Bator. (Foto: Isolde Ohlbaum)

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