The Tortured Poets Department - Figure 1
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© Beth Garrabrant

Konzerte

19.04.2024

Auf "The Tortured Poets Department" findet Swift einmal mehr klare Worte für verflossene Lieben und Neuanfänge.

Man könnte sich fragen: Hört Taylor Swift eigentlich nie auf, zu liefern? Momentan läuft eine ausverkaufte, milliardenschwere Konzerttour durch die ganze Welt, das Album "Midnights" aus dem Jahr 2022 scheint ebenfalls noch frisch in Erinnerung. Doch nein, wie die Sängerin unlängst auf einer Bühne erklärte, sie wolle ihrer Anhängerschaft weiterhin laufend neue Musik präsentieren, da sie es "verdammt noch mal liebe". Und die Fans werden sich garantiert nicht darüber beschweren. 

In der Nacht auf den 19. April folgte nun der viel erwartete Nachschub. Wie klingt also ihr neues Album "The Tortured Poets Department"? 

Konzeptalbum mit vielen, vielen neuen Songs

"In Liebe und in der Poesie geht alles", bemerkte Swift in einer Sprachnotiz, die zuvor über die Amazon-Konsole Alexa ausgespielt wurde. Und dieses Versprechen hält die 34-Jährige auch. Sang sie im Vorgänger vor allem über Selbstzweifel und das Manövrieren von Ruhm (und all jenen, die ihn ihr nicht vergönnen), so liegt der Fokus ihrer elften Platte "TTPD" wieder stark bei Romantik und der Verarbeitung von vergangenen Beziehungen. Nichts Neues, könnte man meinen, kennt man von Taylor Swift ja schon zu Genüge. 

Aber dieses Konzeptalbum geht einen Schritt weiter – erscheint sogar gleich zweimal. Zunächst wurde eine Version in Standardlänge auf den Streamingdiensten freigegeben, mit 16 Titeln (als wäre das nicht schon viel!). Doch es wäre nicht Taylor Swift, wenn sie nicht noch Überraschungen für die Fans in petto hätte: Zwei Stunden später folgte nämlich "The Tortured Poets Department: The Anthology", mit 31 (!) Songs und über zwei Stunden Spielzeit.

Essays über's Verlieben - und Verlieren

Durch diese enorme Fülle an kreativem Output muss man sich erst einmal in Ruhe durchhören und -sortieren. Und auch in der richtigen Stimmung dafür sein. "TTPD" ist eine immense Ansammlung an Essays, Tagebuch-Einträgen, Poesie-Zeilen, vielleicht auch Abschiedsbriefen. Taylor Swift wird hier so persönlich wie nie zuvor. Genau darauf haben die Fans gehofft, und genau das bekommen sie auch. Es ist kein Party-Banger-Album, so einfach hat es sich die US-Künstlerin nicht gemacht – hat diesmal aber auch niemand erwartet.

Anfang 2023 trennten sich Swift und der britische Schauspieler Joe Alwyn nach sechs gemeinsamen Jahren. Bereits gegen Ende der Beziehung sollen die ersten Zeilen für "TTPD" entstanden sein. Der Albumtitel, so spekuliert das Internet, soll sich gar auf eine WhatsApp-Chatgruppe von Alwyn und seinen Kollegen Paul Mescal und Andrew Scott beziehen: Den "Tortured Man Club".

Swift selbst sagt, dass sie über zwei Jahre an dem Album gearbeitet hätte, bezeichnet die Platte als ihren “Rettungsanker", der sie daran erinnere, warum Songwriting für sie so wichtig sei. Das bekräftigte sie auch bei einem Konzert in Melbourne: ”I’ve never had an album where I needed songwriting more than I needed it on ’Tortured Poets.” Klingt dramatisch, und soll es auch sein. 

"The Tortured Poets Department" rechnet ab

Zahlreiche Marketing-Kampagnen machten die Fans in den vergangenen Tagen noch neugieriger auf das elfte Studioalbum. Beim Streaming-Anbieter Apple Music veröffentlichte Swift vorab fünf Playlists mit eigenen alten Songs, die sie thematisch den fünf Phasen der Trauer (Leugnung, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz) zuordnete. Mehr Erklärung, worauf man sich bei "TTPD" gefasst machen kann, brauchte es eigentlich nicht. 

Gemeinsam mit ihrem bewährten Partner in crime, Jack Antonoff, sowie Aaron Dessner (The National) widmet sich Swift also dem lyrischen Storytelling, verarbeitet darin offen wie nie Details aus ihrem Privatleben. Was davon künstlich erhöht ist, bleibt ihr Geheimnis – um wen es im Song "So Long, London" (Track Nummer 5) geht, dürfte aber nicht schwer zu erraten sein. "Oh, the tragedy ... So long, London. You'll find someone."

In dieser Stimmung bleiben wir de facto in der gesamten ersten Hälfte des Albums. Das gebrochene Herz wird hier nicht versteckt, sondern stolz präsentiert. Es ist bittersüß und faszinierend zugleich, wie Swift es allein mit Worten und einem sanften Up-Beat schafft, sofort in ihre Geschichten zu ziehen. Das gilt auch für die Einstiegsnummer "Fortnight", die in der Nacht auf Freitag als erste Auskopplung erschien. Songzeilen wie „All my mornings are mondays stuck in an endless february“ / "I was a functioning alcoholic 'til nobody noticed my new aesthetic" lassen den Kloß im Hals gleich ein bisschen dicker werden. Nicht zu vergessen das einschneidende “I love you, it's ruining my life”, das die 34-Jährige gemeinsam mit dem US-Sänger Post Malone singt. 

In punkto Sounds erinnern einige Tracks an die 1989-Ära, Swifts bedient sich ebenfalls am aktuellen 80s-Trend, an sanften Synthesizern wird also nicht gespart. Das gelingt bravourös – soundtechnisch jedoch nicht ganz, ohne sich ab und an zu wiederholen. Wer aber bereits ein gutes Dutzend Studioalben in seinem Oevre vorweisen kann, dem sei das auch verziehen.

Die namengebende Single "The Tortured Poets Department" kommt ebenfalls mit viel 80er-Reminiszenz daher, dazu singt Swift „You’re not Dylan Thomas, I’m not Patti Smith. This ain’t the Chelsea Hotel". Soweit, so okay. Dann kommt es aber: "At dinner you'd take my ring off my finger and put it on the one people put wedding rings on. And that's the closest I've come to my heart exploding."

Man bringe das Weinglas und die Taschentücher!

"I've done my time" - Taylor Swift propagiert den Aufbruch

Doch keine Sorge, es bleibt nicht nur bedrückt. Spätestens bei "Florida!!!" (Track Nummer 8) gibt es einen Aufwind, herbeigeweht von der wunderbaren Florence Welch. Mit drei Ausrufezeichen und gewohnten Paukenschlägen lässt die Frontfrau von Florence + The Machine ihre Ausnahmestimme erklingen, passt sich aber den sanft-tiefen Tönen von Swift an, ohne sie an die Wand zu singen. "The hurricane with my name when it came, I got drunk and I dared it to wash me away."

Eine Kollaboration, von der die Welt bis dato nicht gewusst hat, dass sie sie braucht, auf die die Fans aber schon länger gewartet haben, ist Welch schließlich Bestie von Swifts Bestie Blake Lively. In schönster Harmonie besingen die beiden Künstlerinnen also Florida und seine Geister der Selbstzerstörung, "one hell of a drug".

Auf Track Nummer 13, "I Can Do It With A Broken Heart" folgt endgültig der erleichternde Befreiungsschlag aus der Melancholie, denn Swift versichert: "I'm a real tough kid, I can handle my shit. They said, 'Babe, you gotta fake it till you make it'. And I did." Eine Selbstermächtigungshymne im flotten Synthie-Kleid, in der die US-Popkönigin nochmals bekräftigt: "I cry a lot, but I am so productive, it's an art. You know you're good, when you can even do it with a broken heart."

Nuff said.

Uninteressant sieht anders aus

US-Sängerin Courtney Love bekundete vor einigen Tagen in einem Interview mit dem Londoner "The Standard": "Taylor ist nicht wichtig. Sie mag ein sicherer Ort für Mädchen sein und sie ist wahrscheinlich die Madonna von heute. Aber als Künstlerin ist sie nicht interessant."

Man kann zur Musik von Taylor Swift denken was man möchte, sie lieben, sie hassen, sie schlichtweg ignorieren. Aber mit ihrem neuen Album hat die 34-Jährige einmal mehr bewiesen: Uninteressant ist sie ganz gewiss nicht. "Bereits ein Klassiker" urteilt etwa das amerikanische "Rolling Stone"-Magazine zu "The Tortured Poets Department".

Bleibt abzuwarten, wie Swift die neuen Songs, die neue "Era", in ihrer aktuellen Welttournee einbauen wird. Am 8., 9. und 10. August 2024 gastiert sie damit live in Österreich. Alle drei Shows im Ernst-Happel-Stadion sind natürlich ebenfalls längst ausverkauft.