Sean „Diddy“ Combs: Vorwürfe erreichen ungeahntes Ausmaß

20 Stunden vor

Sean „Diddy“ Combs

Den bereits wegen zahlreicher Sexualverbrechen angeklagten Musikmogul Sean „Diddy“ Combs überschwemmen geradezu neue Anschuldigungen. Am Dienstag sagte ein Opferanwalt, 120 Menschen hätten nun Vorwürfe gegen den 54-Jährigen erhoben, das jüngste Opfer soll erst neun Jahre alt gewesen sein. Combs sitzt aktuell in U-Haft und bestreitet alle Vorwürfe.

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Foto ORF

Online seit gestern, 14.21 Uhr

In den kommenden Wochen würden die zahlreichen Klagen eingereicht, sagte Tony Buzbee, dessen texanische Anwaltskanzlei die mutmaßlichen Opfer vertritt. Die meisten der Klagen würden in New York und Los Angeles verhandelt werden.

Buzbee sprach von 60 Männern und 60 Frauen, die nun Vorwürfe erhoben. 25 von ihnen seien zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Taten minderjährig gewesen, eine Person gar erst neun Jahre alt. Die Vorwürfe reichen bis ins Jahr 1991 zurück.

„Diese Art von sexueller Nötigung, sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung sollte weder in den Vereinigten Staaten noch sonst wo vorkommen. Das hätte niemals so lange andauern dürfen. Dieses Verhalten hat eine Gruppe von Menschen geschaffen, die verletzt, verängstigt und gezeichnet ist“, sagte Buzbee bei einer Pressekonferenz.

Drogen, Vergewaltigung und Aufzeichnungen

Mehr als 3.280 Personen hätten seine Kanzlei kontaktiert und behauptet, sie seien Opfer von Combs geworden, so der Opferanwalt. Nach Prüfung der Anschuldigungen habe seine Kanzlei beschlossen, 120 Personen aus rund 25 US-Bundesstaaten zu vertreten. Andere Fälle würden noch geprüft.

Der mutmaßliche Missbrauch habe größtenteils auf Partys in New York, Kalifornien und Florida stattgefunden. Mutmaßliche Opfer hatten sich zudem in den vergangenen Tagen zahlreich bei US-Medien zu Wort gemeldet, wo sie ihre Erinnerungen schilderten.

Buzbee vertritt 120 Personen, die Klagen sollen bald eingereicht werden

Eine Frau aus Florida hatte am Freitag in New York eine Zivilklage gegen den Musiker wegen sexuellen Missbrauchs eingereicht. Über mehrere Jahre hinweg sei sie von Combs unter Druck gesetzt und zu nicht einvernehmlichen Handlungen genötigt worden, zitierten US-Medien aus der Klageschrift. Sie sei unter Drogen gesetzt worden und habe Verletzungen, darunter eine Bisswunde, erlitten. Auch seien sexuelle Begegnungen ohne ihre Einwilligung gefilmt worden.

Berüchtigte „Freak Offs“

Zuvor hatte eine Frau in New York Vorwürfe gegen den Rapper und einen seiner Mitarbeiter erhoben. Sie umfassen Vergewaltigung, erzwungenen Oralsex und die Erstellung von Videoaufnahmen von dem Vorfall, die später von Combs veröffentlicht und als Pornografie verkauft worden seien. Die damals 25 Jahre alte Frau macht in der Klageschrift geltend, sie sei 2001 unter einem Vorwand in Combs’ Studio gelockt worden. Dort habe sie nach Konsum eines vermutlich mit Drogen versetzten Getränks das Bewusstsein verloren. Sie sei gefesselt und dann von beiden Männern gewaltsam missbraucht worden.

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Aus der Anklage der Bundesanwälte gegen den Rapper geht hervor, dass Combs über Jahre hinweg Frauen missbraucht, bedroht und genötigt haben soll, seine sexuellen Wünsche zu erfüllen. Er habe ein „kriminelles Unternehmen“ mit Helfern geführt. Mit Drogen, Druckmitteln und Einschüchterung soll er mutmaßliche Opfer zum Schweigen gebracht haben.

Die Anklage beschreibt auch tagelange Orgien, von Combs als „Freak-offs“ bezeichnet, bei denen Frauen zu Sex mit männlichen Prostituierten angehalten worden seien. Combs habe dabei Anweisungen gegeben und die Handlungen häufig gefilmt. Es seien „herzzerreißende“ Geschichten, sagte Buzbee.

Combs’ Anwältin spricht von „Medienzirkus“

Der Rapper, Manager und Produzent Combs ist einer der erfolgreichsten Künstler des US-Musikbusiness. Er gewann drei Grammys und arbeitete mit Künstlern wie Notorious B.I.G., Mary J. Blige und Usher zusammen. Zudem gründete er ein Musiklabel, eine Modelinie, eine Wodkamarke und das US-Fernsehnetzwerk Revolt. Über Jahrzehnte hinweg baute er Karrieren auf, förderte junge Musiker und schuf ein Millionenimperium.

Der 54-Jährige, für den die Unschuldsvermutung gilt, weist alle Anschuldigungen zurück. Combs’ Anwältin Erica Wolff sagte, der Künstler könne „nicht auf jede unbegründete Anschuldigung eingehen, die sich in einem mittlerweile rücksichtslosen Medienzirkus entfaltet hat.“

Dennoch weise Combs "jede Behauptung, er habe irgendjemanden einschließlich Minderjähriger sexuell missbraucht, nachdrücklich und kategorisch als falsch und diffamierend zurück“, so Wolff in einer Erklärung. Combs freue sich darauf, "seine Unschuld zu beweisen und sich vor Gericht zu rehabilitieren, wo die Wahrheit auf der Grundlage von Beweisen und nicht von Spekulationen festgestellt wird“.

Überwachungskamera filmte Gewaltszenen

Es ist nicht das erste Mal, dass Vorwürfe gegen Combs erhoben wurden. Voriges Jahr hatte seine Ex-Freundin, die Sängerin Cassie, eine Zivilklage wegen Vergewaltigung, Missbrauchs und Körperverletzung eingereicht. Zu einem Prozess kam es damals allerdings nicht. Sie einigten sich auf einen Vergleich. Combs hatte zuvor die Vorwürfe über seinen Anwalt zurückgewiesen.

Combs’ Ex-Freundin Cassie erhob bereits im Vorjahr schwere Vorwürfe. Ein Video untermauerte ihre Anschuldigungen.

Doch im Mai tauchte ein Video mit Gewaltszenen auf einem Hotelgang auf. In dem Überwachungsvideo aus dem Jahr 2016 war zu sehen, wie er seine damalige Freundin Cassie schlug, zu Boden warf, mehrfach auf sie eintrat und sie über den Boden zog. Der US-Sender CNN veröffentlichte die Szenen.

„Mein Verhalten in dem Video ist unentschuldbar“, sagte Combs wenig später in einem Video auf Instagram. Das sei eine der „dunkelsten“ Zeiten in seinem Leben gewesen. Er sei an einem absoluten Tiefpunkt gewesen, doch danach habe er Hilfe gesucht und sich in Therapie und in eine Entziehungskur begeben. Das Posting wurde inzwischen gelöscht.

Kein Ausweg aus U-Haft

Combs sitzt seit seiner Verhaftung in einem New Yorker Luxushotel Mitte September im Metropolitan Detention Center in Brooklyn. Das Anwaltsteam des Rappers bemühte sich bisher erfolglos um seine Freilassung aus der Untersuchungshaft und legte Berufung gegen die Entscheidung ein, Combs nicht unter Auflagen bis zum Prozessbeginn auf freien Fuß zu setzen.

Combs plädierte gegen Vorwürfe der Verschwörung zur organisierten Kriminalität und des Sexhandels auf nicht schuldig. Ein Termin für einen möglichen Prozessbeginn steht noch nicht fest. Die Ermittlungen dauern angesichts der hohen Zahl an Zeugen und mutmaßlichen Opfern noch an. In US-Medien wird spekuliert, dass auch zahlreiche Prominente geladen werden könnten.

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