Derzeit ermitteln mehrere Staatsanwaltschaften in mehreren Ländern gegen den einstigen Signa-Boss René Benko. Während sein Immobilienimperium zusammenbricht, türmen sich die Akten der Anwälte. So ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Österreich wegen Betrugs, in Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft München wegen des Geldwäscheverdachts und auch in Liechtenstein ist die Staatsanwaltschaft in Vaduz wegen Verdacht der betrügerischen Krida und Geldwäscherei aktiv.
Doch der erste Haftbefehl kommt aus Italien. Die Staatsanwaltschaft Trient hat einen Haftbefehl gegen den Signa-Gründer erlassen. Das berichtet die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Weitere Personen wurden in Italien festgenommen, darunter der Bozner Wirtschaftsberater Heinz Peter Hager und die Bürgermeisterin von Riva del Garda, Cristina Santi. Eine Durchsuchung der Carabinieri – Italiens Gendarmerie – ist derzeit im Bozner Rathaus im Gange.
Laut dem Medienportal „Nachrichten für Südtirol“, gibt es im Zuge einer breit angelegten Untersuchung der Staatsanwaltschaft von Trient im Zusammenhang mit verschiedenen Immobilienprojekten im oberitalienischen Raum auch Nachforschungen in Südtirol. Diese betreffen Projektprozesse zwischen den Jahren 2018 bis 2022, heißt es zur Bestätigung in einer Presseaussendung im Auftrag von Hager.
Insgesamt 77 Personen seien betroffen. Es handelt sich neben Santi, Benko und Hager um Paolo Signoretti, den ehemaligen Senator Vittorio Fravezzi und weitere Personen. Gegen die Trentiner Rechtsanwälte Andrea Merler und Nicola Giuliano wird ebenfalls ermittelt. Festgenommen worden sei auch ein Bozner Journalist, der enge Kontakte zu Hager unterhielt, berichtete die Staatsanwaltschaft Trient.
Ermittelt werde auch gegen den Bürgermeister von Arco, Alessandro Betta. Er soll in die dieselbe Immobiliengruppe verwickelt sein. Dabei geht es um ein Immobiliengeschäft für ein ehemaliges Hotel, das abgerissen und am Ufer des Flusses Sarca neu gebaut werden soll.
Carabinieri und Finanzpolizei wurden beauftragt, mehr als 100 Durchsuchungen durchzuführen. Diese finden bei anderen Personen, gegen die ermittelt wird, ebenso statt, wie bei Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen im Trentino, in Südtirol, in den Provinzen Brescia, Mailand, Pavia, Rom und Verona sowie im Ausland im Rahmen der internationalen justiziellen Zusammenarbeit.
Das Verfahren befindet sich in der Phase der Voruntersuchung. Der konkrete Verdacht lautet: Die verdächtigten Unternehmer sollen Wahlkampagnen von Amtsträgern finanziert haben, um im Gegenzug Vergünstigungen, vereinfachte Verfahren und Genehmigungen für Immobilienprojekte zu erhalten.
Der Verdacht lautet unter andere auf kriminelle Vereinigung, Korruption, Betrug, Verletzung bzw. Unterlassung des Amtsgeheimnisses sowie Verletzung des Steuergesetzes. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Was bedeutet das juristisch? Droht Benko eine Auslieferung an die italienischen Behörden? Prinzipiell wird die Aus- und Durchlieferung von Personen an einen anderen Staat zu Zwecken der Strafverfolgung durch das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) geregelt. Ergänzend zu dem ARHG regelt das Gesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG).
Der Paragraf zwölf des ARHG verdeutlicht die zumeist angewendete internationale Praxis, dass eigene Staatsangehörige grundsätzlich nicht ausgeliefert werden. Der Gesetzestext hierzu lautet: „Eine Auslieferung österreichischer Staatsbürger ist unzulässig.“ Aber es heißt auch weiter: „Steht der Zurückstellung eines den österreichischen Behörden von einer ausländischen Behörde zur Durchführung bestimmter Verfahrenshandlungen oder im Zusammenhang mit der Leistung von Rechtshilfe nur vorläufig übergebenen österreichischen Staatsbürgers nicht entgegen.“ Einem ausländischen Ersuchen darf nur entsprochen werden, wenn gewährleistet ist, dass auch der ersuchende Staat einem gleichartigen österreichischen Ersuchen entsprechen würde.
Eine Auslieferung scheint also zunächst unwahrscheinlich. Bisher ist auch unbekannt, ob ein Ersuchen der Auslieferung gestellt wird. „Es wird kein Europäischer Haftbefehl gegenüber Herrn Benko vollzogen“, sagte Benkos Anwalt Norbert Wess in einer ersten Stellungnahme. „Herr Benko wird weiterhin - wie bisher - mit allen nationalen wie internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren und ist zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen.“
Haftbefehl wird nicht vollstrecktDer Haftbefehl wird in Österreich also nicht vollstreckt, sagte ein Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft zur Nachrichtenagentur „APA“. Benko wurde inzwischen bereits vom Tiroler Landeskriminalamt einvernommen, der 47-Jährige bleibt auf freiem Fuß. Spezielle Auflagen für den Investor gebe es nicht.
Ein Europäischer Haftbefehl muss nicht vollstreckt werden, wenn dieser einen österreichischen Staatsbürger betrifft, gegen den auch im Inland ein entsprechendes Verfahren geführt werden kann, erklärte Staatsanwaltschaftssprecher Hansjörg Mayr. Näheres – auch zum Inhalt der Einvernahme – verlautete es von der Innsbrucker Anklagebehörde nicht.
(ag./mad.)