Petr Pavel: Überzeugter Europäer: Früherer Nato-General wird neuer Präsident in Tschechien

29 Jan 2023

Der General Petr Pavel siegt mit überraschend großem Vorsprung vor seinem populistischen Konkurrenten. Die Wahl zeigt, wie Russlands Angriffskrieg die Mentalität in der Region verändert hat.

Über die politische Linie des Militärs ist bisher nur wenig bekannt. Quelle: dpa

Petr Pavel, neu gewählter Präsident von Tschechien

Über die politische Linie des Militärs ist bisher nur wenig bekannt.

(Foto:&#160dpa)

Wien Tschechien hat ein deutliches Bekenntnis zu Europa und zur Westbindung abgegeben. Die Wählerinnen und Wähler bestimmten den pensionierten General Petr Pavel am Samstag mit 58,3 Prozent zu ihrem neuen Präsidenten. Der 61-Jährige errang einen Sieg über seinen Kontrahenten Andrej Babis, der noch deutlicher ausfiel als in Umfragen prognostiziert.

Pavel war mit dem Versprechen angetreten, Ruhe und Anstand in die tschechische Politik zurückzubringen. Damit traf er den Nerv der Bevölkerung, auch wenn sein politisches Programm eher vage bleibt.

Doch die Tschechinnen und Tschechen hatten offenkundig genug von den Provokationen und Skandalen des gegenwärtigen Präsidenten Milos Zeman. Auch Babis konnte mit seiner schrillen Kampagne nicht überzeugen.

Politisch ist der 1961 im äußersten Westen der damaligen Tschechoslowakei geborene Pavel ein unbeschriebenes Blatt. Dies ist ungewöhnlich für Tschechien, wo mit Ausnahme von Vaclav Havel alle Präsidenten seit der Wende zuvor Regierungschefs gewesen waren.

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Der verheiratete Vater von drei Kindern machte Karriere in den Streitkräften. „Ich wurde in der Armee geboren und bin in ihr aufgewachsen“, erklärte der überzeugte Berufssoldat einmal. Dass er als Fallschirmspringer noch 1985 der Kommunistischen Partei beitrat, sorgte bereits vor dem Wahlkampf für Kontroversen.

Viel Respekt in Militärkreisen

Pavel erklärte die „Fehler“ in diesem umstrittenen Lebensabschnitt mit seinem jungen Alter und der Unmöglichkeit, ohne Loyalitätsbekundung gegenüber dem Regime im Militärdienst voranzukommen. Babis, der Gegner in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl, stellte Pavel deshalb als „ehemaligen Spion“ dar und verglich ihn mit Putin.

In westlichen Militärkreisen wird Pavel trotz seiner kommunistischen Vergangenheit viel Respekt entgegengebracht. Dafür spricht seine Wahl zum Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses 2015. Pavel bekleidete das höchste militärische Amt der Verteidigungsallianz drei Jahre lang. Seine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen sprechen heute noch voller Respekt über ihn.

Rose Gottemoeller war fast zeitgleich stellvertretende Nato-Generalsekretärin: „Er trat immer würdevoll und gut vorbereitet auf“, erinnert sich die Amerikanerin auf Anfrage. „Und er spielte nach der Krim-Annexion eine wichtige Rolle bei der Neuorientierung der Allianz.“

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Die an der Stanford University lehrende Diplomatin verweist auf die Herausforderungen durch die Fokussierung der Ressourcen an der Ostflanke, den Aufbau der Nato-Battlegroups und der sogenannten Speerspitze. Diese habe Pavel erfolgreich gemeistert.

„Er ruht sehr stark in sich, das ist typisch für Spezialkräfte“, sagt Hans-Werner Wiermann. Der Generalleutnant a. D. diente als deutscher Vertreter mit Pavel im Militärausschuss. Dieser sei zwar kein besonders starker Chairman gewesen, weshalb ihn auch der Nato-Generalsekretär Stoltenberg als nicht immer auf Augenhöhe betrachtet habe. „Er war ein ehrlicher Soldat, kein militärpolitischer Stratege“.

Doch gerade als Tscheche und Vertreter einer kleinen Nation, die eine relativ gemäßigte Linie gegenüber Moskau gefahren sei, habe er erfolgreich zwischen den Positionen in der Nato vermittelt, so Wiermann.

Ein Unterstützer der Ukraine

Pavel selbst vertrat noch 2015 eine ähnliche Haltung wie die deutsche Regierung, als er das Ende des Krieges im Donbass zur höchsten Priorität erklärte und fand, Waffenlieferungen an die Ukraine würden bloß zu mehr Toten beitragen.

Im Wahlkampf hingegen präsentierte sich der Unabhängige, der mit Unterstützung der Regierungsparteien kandidierte, als Garant einer breiten militärischen wie humanitären Unterstützung für die Ukraine. Babis stellte ihn in einer hart geführten Kampagne deshalb als Kriegstreiber dar und präsentierte sich selbst in Orban'scher Manier als Vertreter einer „neutralen“ Haltung im Ukraine-Krieg.

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Dass der 68-Jährige in einer der TV-Debatten sogar ausschloss, bei einem Angriff auf Nato-Partner tschechische Truppen zu Hilfe zu schicken, hat ihm jedoch geschadet. Jedenfalls scheinen die Tschechen einen General für vertrauenswürdiger zu halten als einen aufgeregten Populisten.

Dies sagt viel über den Mentalitätswandel, den Moskaus Aggression selbst bei einem eher als apathisch denn kriegslüsternen Volk herbeigeführt hat.

Mit der Wahl Pavels stimmten die Tschechen zum zweiten Mal für jene Kräfte, die sich als proeuropäisch, prowestlich und gegen Babis gerichtet positioniert haben: Bereits im Oktober 2021 erteilten sie einer Mitte-rechts-Koalition aus fünf Parteien einen Regierungsauftrag.

Eine Wahl für pro-europäische Kräfte. Quelle: IMAGO/CTK Photo

Petr Pavel verlässt sein Haus im tschechischen Dorf Cernoucek

Eine Wahl für pro-europäische Kräfte.

(Foto:&#160IMAGO/CTK Photo)

Diese drängte bereits vor dem Ukraine-Krieg den russischen und chinesischen Einfluss zurück. Seit Moskaus Invasion des Nachbarlands hat Prag nicht nur eine halbe Million Flüchtlinge aufgenommen, sondern auch an vorderster Front Militärhilfe geleistet.

Diese klare Haltung ist überraschend, da die Selbstwahrnehmung als Brücke zwischen Ost und West in Tschechien stark verankert war. Auch die Fortsetzung der Politik ist angesichts der wirtschaftlichen Probleme und der Abhängigkeiten von Russland gerade im Energiebereich nicht selbstverständlich.

Mehr: Hohe Beteiligung bei Präsidenten-Stichwahl in Tschechien

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