Nach der Massenpanik in Indien verschwindet der Guru

Massenpanik Indien

Die Zeremonie neigte sich gerade dem Ende zu, als es zu der Katastrophe kam. Zu dem genauen Ablauf sind am Tag danach noch einige Fragen offen. Klar scheint zu sein, dass sich die Katastrophe ereignete, als der Guru, der die Hindu-Zeremonie leitete, gegen 15.30 Uhr den Ort der Versammlung im Dorf Phulrai im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh verließ. Die Gläubigen versuchten, den Staub aufzusammeln, über den sein Auto gefahren war. Es kam zu einem Gedränge. Menschen fielen übereinander, einige landeten offenbar in einem Feld. Andere sagen, dass der Boden durch auslaufendes Wasser rutschig gewesen sei und Besucher deshalb übereinander gefallen seien.

Mindestens 121 Tote werden später gezählt. Es sind fast ausschließlich Frauen, ein Mann und sieben Kinder. Dutzende Menschen wurden verletzt. Die hohe Zahl der Opfer kommt wohl auch dadurch zustande, dass die Krankenhäuser völlig überfordert waren. Weil es an Krankenwagen fehlte, wurden die Toten und Verletzten mit Lastwagen, Tuk-Tuks und auf Motorrädern in die Kliniken gebracht. In den sozialen Medien kursieren Videos von Leichen, die vor einem Krankenhaus auf dem Boden liegen. Dazwischen sitzen weinende Angehörige. Ein Zeuge sagte: „Es gab nur einen Arzt im Krankenhaus und keine Sauerstoffversorgung. Einige atmen noch, aber es gibt keine geeigneten Behandlungsmöglichkeiten.“

Tausende überfüllten Ort in Hathras

Übereinstimmend wird berichtet, dass die Veranstaltung völlig überfüllt war. Die Teilnehmerzahlen, die genannt werden, variieren stark. Zunächst war von etwa 15.000 Menschen die Rede, nun aber sogar von 250.000 Gläubigen, die sich in dem Bezirk Hathras versammelt hätten. Genehmigt waren offenbar bis zu 80.000 Teilnehmer. Die Hauptattraktion der Satsang, wie die spirituellen Zusammenkünfte in Indien genannt werden, war der Auftritt eines laut indischen Medien „selbsternannten“ Gurus mit dem Namen Bhole Baba. Der Mann, der sich auch Narayan Saakar Hari nennt, soll an jedem ersten Dienstag im Monat ein solches Treffen veranstalten. Dabei soll er meist weiße Anzüge tragen und mit seiner Frau auf einem weißen Thron sitzen. Der indischen Presse zufolge wird der Name des ehemaligen Polizeibeamten in der Anzeige gegen die Veranstalter nicht erwähnt. Sein Aufenthalt ist derzeit unbekannt. An seinem Ashram sollen einige Polzisten versammelt sein. Ermittelt wird bislang gegen einen anderen Hauptverantwortlichen und gegen Unbekannt.

Verwaltungsvertreter berichteten, ein Polizeiaufgebot habe den Veranstaltungsort etwa 200 Kilometer von Neu Delhi von außen abgesichert. Im Inneren seien die Veranstalter selbst für die Sicherheit zuständig gewesen. Den Behörden zufolge sind noch nicht alle Todesopfer identifiziert. Bei den meisten dürfte Erstickung die Ursache gewesen sein. Wahrscheinlich spielten auch hohe Temperaturen eine Rolle, sowie die hohe Luftfeuchtigkeit. Indien hatte in den vergangenen Monaten mit Extremtemperaturen von teilweise deutlich über 40 Grad zu kämpfen. Einem Bericht zufolge hatten die Gläubigen in der Massenpanik versucht, an eine Wasserstelle zu gelangen.

Der Ministerpräsident des Bundesstaats, Yogi Adityanath, sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Er versprach ihnen eine Sofortentschädigung in Höhe von umgerechnet 2200 Euro pro Familie eines Toten und von 560 Euro für jeden Verletzten. „Die Nachricht vom Tod vieler Gläubiger, darunter Frauen und Kinder, bei dem Unglück, ist herzzerreißend. Ich spreche denjenigen, die ihre Familienangehörigen verloren haben, mein tiefstes Beileid aus und bete für die rasche Genesung der Verletzten“, schrieb Indiens Präsidentin Droupadi Murmu auf der Plattform X. Schon früher ist es bei religiösen Versammlungen in Indien wiederholt zu Unglücken gekommen. Im Jahr 2013 waren etwa bei einer Massenpanik aus Angst vor einem Brückeneinsturz 115 Menschen getötet worden.

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