Bundesregierung verurteilt Hinrichtung Sharmahds "auf das Schärfste"

29 Okt 2024
Iran
Scharfe Kritik aus Deutschland Entsetzen und Empörung nach Hinrichtung Sharmahds

Stand: 29.10.2024 08:42 Uhr

"Auf das Schärfste" hat die Bundesregierung die Vollstreckung des Todesurteils gegen Djamshid Sharmahd im Iran verurteilt. Die EU drohte mit "Maßnahmen". Sharmahds Tochter forderte Konsequenzen - und keine Beileidsbekundungen.

Die Bundesregierung hat die Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd im Iran "auf das Schärfste" verurteilt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach in einem Post auf der Plattform X von einem "Skandal".

"Jamshid Sharmahd hat nicht einmal die Gelegenheit erhalten, sich im Prozess gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verteidigen", schrieb Scholz. "Die Bundesregierung hat sich immer wieder intensiv für Herrn Sharmahd eingesetzt. Mein tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie."

Außenministerin Baerbock spricht von Ermordung

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bezeichnete die Exekution in einer Mitteilung ihres Ministeriums als "Ermordung". Sie unterstrich außerdem, ihr Haus habe "Teheran immer wieder unmissverständlich klar gemacht, dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird".

Baerbock sagte mit Blick auf die Familie Sharmahds, für sie sei "heute das Schlimmste geschehen. Seiner Familie, mit der wir immer im engsten Austausch waren und sind, gilt mein ganzes Mitgefühl für diesen schrecklichen Verlust."

Die Außenministerin erinnerte zudem an die Vorgeschichte: Sharmahd sei aus Dubai nach Iran verschleppt worden, ohne faires Verfahren jahrelang festgehalten und jetzt getötet worden. Die Tötung von Sharmahd zeige "erneut, was für ein menschenverachtendes Regime in Teheran herrscht: Ein Regime, das gegen seine Jugend, gegen seine eigene Bevölkerung und gegen ausländische Staatsangehörige mit dem Tod vorgeht." Dies unterstreiche, dass offensichtlich auch unter der neuen Regierung niemand sicher sei, erklärte die Ministerin.

Merz für Herabstufung der diplomatischen Beziehungen

Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) forderte, den iranischen Botschafter aus Deutschland auszuweisen. "Die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen auf die Geschäftsträgerebene ist angezeigt", schrieb Merz bei X. Er sprach von einem "scheußlichen Verbrechen". Merz hatte die politische Patenschaft für Sharmahd übernommen.

Amnesty Deutschland forderte die Bundesregierung auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten und Haftbefehle gegen alle iranischen Beamten zu erlassen, "die an den an Jamshid Sharmahd verübten Verbrechen beteiligt waren. Sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden!"

Die EU erwägt Maßnahmen als Reaktion

Auch EU-Chefdiplomat Josep Borrell verurteilte die Hinrichtung Sharmahds. "Die EU lehnt die Todesstrafe jederzeit und unter allen Umständen entschieden ab", schrieb Borrell auf der Plattform X. "Wir teilen den Schmerz der Familie und der Angehörigen und bekunden unsere Solidarität mit der deutschen Regierung, mit der wir in Kontakt stehen", schrieb er weiter. Die EU erwäge "Maßnahmen" als Reaktion auf die Hinrichtung, schrieb er weiter, ohne Einzelheiten zu nennen.

Entführung durch Geheimdienst und jahrelange Isolationshaft

Der damals 68-jährige Jamshid Sharmahd war im Februar vergangenen Jahres zum Tode verurteilt worden, im April 2023 wurde das Urteil bestätigt. Er war im Sommer 2020 während einer Reise aus Dubai in den Iran verschleppt worden; mehrere Berichte sprechen von einer Entführung durch den iranischen Geheimdienst. Seitdem saß er in iranischer Isolationshaft.

Angehörige und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen Sharmahd vehement zurück. Auch wurde der Prozess gegen Sharmahd als grob unfair bezeichnet - er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Den Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt als "Richter des Todes", der von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde.

Angehörige hatten Bundesregierung kritisiert

Deutschland hatte in der Vergangenheit die Aufhebung des Urteils gegen Sharmahd gefordert. Irans Justiz verweigerte bis zuletzt konsularischen Zugang. Unter anderem Sharmahds Tochter warf der Bundesregierung jedoch immer wieder Untätigkeit vor.

Nach der Hinrichtung fordert sie nun Antworten. "Welchen Beweis haben sie, dass du, Papa, Journalist und Freiheitsverfechter Jamshid Sharmahd, ermordet wurdest?", schrieb Gazelle Sharmahd auf der Plattform X.  "Falls die Nachricht mit konkreten Beweisen bestätigt wird, müssen sie dich sofort nach Hause bringen, damit wir dich in Frieden zur Ruhe legen können", schrieb sie weiter. "Wir wollen keine Erklärungen oder Beileidsbekundungen", fügte sie hinzu. Sie forderte eine Bestrafung der Verantwortlichen.

Sharmahd wurde 1955 in der iranischen Hauptstadt Teheran geboren, war im Alter von sieben Jahren nach Deutschland gekommen und wuchs in Peine und Hannover auf. Seit 1995 besaß er auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Zuletzt lebte er in den USA, wo er ein Software-Unternehmen aufgebaut hat. Immer wieder setzte er sich für iranische Oppositionsgruppen ein.

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