Schweizer EM-Aus gegen England: Manuel Akanji scheitert im ...

Erneutes Schweizer EM-Aus im Penaltyschiessen – und ausgerechnet Manuel Akanji verschiesst

Zum dritten Mal in Serie platzen die EM-Träume der Schweizer am Elfmeterpunkt. Mit Manuel Akanji verschiesst die prägende Schweizer Figur an diesem Turnier.

Akanji - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Der Innenverteidiger Manuel Akanji spielte gegen England erneut ein starkes Spiel. Ausgerechnet er scheitert im Elfmeterschiessen vom Punkt.

Peter Klaunzer / Keystone

Die Stadionregie beweist Sinn für Humor und Dramaturgie, die Songauswahl ist dem Anlass angemessen. «Under Pressure» von Queen läuft am Samstagabend in Düsseldorf kurz vor Beginn des Elfmeterschiessens zwischen der Schweiz und England. Und es ist Manuel Akanji, der im EM-Viertelfinal als einziger Schütze dem Druck nicht standhält und an Torhüter Jordan Pickford scheitert.

Ausgerechnet Akanji. Er ist gegen England bis zu seinem Fehlschuss erneut die herausragende Schweizer Figur, es gibt an dieser Europameisterschaft keinen besseren Verteidiger. Und jetzt muss Akanji nach Spielende getröstet werden. Wie vor drei Jahren im EM-Viertelfinal gegen Spanien, als er in St. Petersburg neben Fabian Schär und Ruben Vargas einer von drei Schweizern war, die im Elfmeterschiessen nicht trafen.

Der Schweizer Innenverteidiger Manuel Akanji und der englische Angreifer Harry Kane liefern sich während des Spiels ein Kopfballduell.

Ronald Wittek / EPA

Und so endet diese lange Zeit so traumhafte EM-Reise der Schweizer in Deutschland abrupt. Zum dritten Mal in Serie scheiden sie an Europameisterschaften im Elfmeterschiessen aus – vor acht Jahren in Frankreich war es im Achtelfinal Granit Xhaka, der gegen Polen als Einziger nicht traf.

Der EM-Viertelfinal zwischen der Schweiz und England ist kein Leckerbissen. Die Teams belauern sich über weite Strecken wie Boxer, mal wagen sich die Schweizer ein bisschen mehr aus der Deckung, dann wieder die Engländer. Vergleichbar ist die Begegnung auch mit einem Schachspiel zweier Kontrahenten, die mit einem Remis zufrieden wären. Unentschieden aber ist an diesem Abend keine Option.

Akanji neutralisiert Kane

Früh zeichnet sich ein langer Abend ab. Vor der Pause ist es vor allem der schnelle Bukayo Saka, der für Belebung sorgt, weil er Michel Aebischer regelmässig davonsprintet, bei seinen Pässen in die Mitte aber keine Abnehmer findet. Der Schweizer Abwehrchef Akanji organisiert nicht nur die Defensive stilsicher, sondern lässt auch gleich noch den Weltklassestürmer Harry Kane wie einen Nachwuchsspieler aussehen. Kane berührt den Ball in der ersten Halbzeit nur neunmal, in den zwanzig Minuten vor der Pause gar nie, in der Verlängerung wird er ausgewechselt.

Englands Trainer Gareth Southgate hat sich für diesen Viertelfinal nach spielerisch tristen Leistungen an dieser EM dazu entschlossen, das System dem Gegner anzupassen. Das zeigt, welchen Respekt sich die Schweizer bei einem der Mitfavoriten erworben haben.

England tritt wie die Schweiz in einer 3-4–2-1-Formation an – mit Jude Bellingham und Phil Foden in zentralen Rollen hinter Kane. Es ist aber fast ausschliesslich Saka, der für Gefahr sorgt. Kurz vor der Pause rettet Granit Xhaka nach einem weiteren erfolgreichen Dribbling Sakas mit einer starken Grätsche beim Schuss Kobbie Mainoos. Nach Spielschluss verrät Xhaka, dass er mit einem Muskelfaserriss an den Adduktoren gespielt hat. «Ich wollte für die Mannschaft da sein und auf die Zähne beissen», sagt er. «Aber ich konnte während des Spiels keine langen Bälle schlagen oder richtig aufs Tor schiessen.»

Auch in der zweiten Halbzeit sind die zwei Teams wie eine Mischung aus Boxer und Schachspieler unterwegs. Das führt einerseits zu knackigen Zweikämpfen, andererseits zu reichlich Ballgeschiebe. Es ist eine Pattsituation.

Der erste Schlag gelingt den Schweizern, als Embolo in der 75. Minute nach Vorarbeit von Dan Ndoye und Ablenker des englischen Verteidigers John Stones aus wenigen Metern das 1:0 erzielt. Es ist nicht der K. o. für die Engländer, weil Saka nur fünf Minuten später ein weiteres Mal von Aebischer nicht energisch genug angegriffen wird und mit einem platzierten Flachschuss zum 1:1 trifft.

Die Schweizer bejubeln den Führungstreffer von Breel Embolo.

Marc Niemeyer / Imago

0:0, 1:1, es ist einerlei an diesem Abend. Unentschieden gilt nicht. Nicht nach 90 Minuten, nicht nach der Verlängerung, in der die Trainer ihre besten Elfmeterschützen von der Ersatzbank aktivieren. Dazu gehört zwingend Xherdan Shaqiri, der die 15 Minuten Spielzeit aber auch schon nutzt, das Schachspiel mit einer Prise Anarchie aufzumischen. In der 117. Minute kreiert er beinahe einen Geniestreich, er tritt einen Eckball direkt ans Lattenkreuz.

Sowieso sind es die Schweizer, die in der Schlussphase deutlich druckvoller sind, näher am Sieg stehen, zu aussichtsreichen Gelegenheiten kommen. Sie spielen so, als ob sie das Duell Schütze gegen Torhüter aus guten Gründen verhindern möchten. Die Engländer dagegen, die in den letzten Jahren so oft – und zuletzt im EM-Final vor drei Jahren gegen Italien – ein Elfmeterschiessen verloren haben, bleiben diesmal aus elf Metern souverän.

Ausgerechnet die Engländer.

Schweizer Fans verfolgen das Spiel beim Public Viewing in der Winti Arena in Winterthur.

Ennio Leanza / Keystone

Ort der Versöhnung

Im Grunde genommen ist Düsseldorf an diesem Samstagabend ja kein würdiger Ort für das womöglich grösste Spiel in der Schweizer Fussballgeschichte. Eine Fussball-Kathedrale in Mailand oder Madrid, London oder Paris oder an dieser EM in Berlin, München und Dortmund wären angemessene Locations dafür. Und nicht die Arena eines zweitklassigen Klubs in Deutschland.

Immerhin gilt Düsseldorf aber auch als Stadt, in der Murat Yakin und Granit Xhaka vor ein paar Monaten angeregte Gespräche bei feinem Wein und gutem Essen geführt haben. Der Trainer und sein Captain fanden mit Verspätung, aber nicht zu spät zueinander – und legten damit die Basis für die erfolgreiche EM-Kampagne des Nationalteams.

Der Traum vom Triumph endet für die Schweizer im Elfmeterschiessen. Wie übrigens auch an der WM 2006 in Deutschland, als sie nur fünfzig Kilometer von Düsseldorf entfernt im Achtelfinal in Köln gegen die Ukraine alle drei Versuche verschossen. Der Goalie Pascal Zuberbühler erhielt vor 18 Jahren im ganzen Turnier kein Gegentor aus dem Spiel heraus. Und der aktuelle Schweizer Torhüter Yann Sommer tritt nun die Heimreise an, ohne sich an dieser Europameisterschaft grossartig ausgezeichnet haben zu können.

Die Euro 2024 erhält nun womöglich tatsächlich ein Endspiel zwischen den beiden Topfavoriten. Ein Traumfinal wäre das Duell zwischen englischen und französischen Minimalisten allerdings nicht.

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