Böhmermann zeigt in „Nuhr im Zweiten“ die Banalität rechten ...

27 Mär 2023
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Erstellt: 27.03.2023, 04:58 Uhr

Von: Max Schäfer

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Sebastian Rüger parodiert Dieter Nuhr in „Nuhr im Zweiten“

Sebastian Rüger parodiert Dieter Nuhr in „Nuhr im Zweiten“, einer Persiflage, die anstelle von Jan Böhmermanns ZDF Magazin Royale läuft. (Screenshot) © ZDF

Jan Böhmermann macht sein ZDF Magazin Royale zu „Nuhr im Zweiten“. Die Persiflage zeigt die Banalität konservativen Humors auf. Die TV-Kritik.

Frankfurt - Es ist eine bemerkenswerte Folge des ZDF Magazin Royale: Alte weiße Männer und Konservative mit liberaler Maskerade werden repräsentiert. Genauer: deren Humor. Das gibt es ja sonst nicht mehr genug – zumindest, wenn es nach ihnen selbst geht. Jan Böhmermann dagegen verzichtet – bis auf wenige Sekunden – auf einen Auftritt. Durch das Fehlen ihrer Hassfigur können auch „Liberal“-Konservative ohne große Pulsanstiege am Freitagabend ZDF schauen. „Nuhr im Zweiten“ sei Dank!

Bevor sich die Konservativen und Pseudoliberalen zu sehr freuen: Nuhr bekommt nicht wirklich mehr Sendezeit. Der alte weiße Mann bleibt mit „Nuhr im Ersten“ in der ARD. Böhmermann bringt im ZDF Magazin Royale eine Persiflage. Nicht ganz der echte Dieter Nuhr präsentiert die Sendung, sondern Sebastian Rüger.

Böhmermann bringt Dieter-Nuhr-Persiflage ins ZDF Magazin Royale

Auch die Persiflage von „Nuhr im Ersten“ ist eine „Sendung ganz ohne Denk- und Sprechverbote“. Ähnlich wie Nuhr verschluckt Rüger das Mikrofon fast, während er hineinatmet und sich dabei anhört, als würde ihn jedes Wort enorm anstrengen. Mit zusammengekniffenen Augen beschreibt der Nuhr-Parodist zur Sendung: „Ungecancelt und unzensiert, denn die vornehmste Aufgabe der Satire ist doch, den Menschen den Spiegel vorhalten.“ Und genau das macht das ZDF Magazin, eben mit Dieter Nuhr und seinesgleichen. Gemeint sind Leute, die auf großen Bühnen stehen und sagen, dass man nichts mehr sagen darf. Also auch die Möchtegern-Liberalen, die Böhmermann kürzlich kritisiert hat.

„Nuhr im Zweiten“ wirkt so unheimlich authentisch. Wer nicht richtig, oder ohne Brille hinschaut, könnte Rüger und Nuhr optisch und stilistisch verwechseln. Und auch inhaltlich kommt das dem Gesabbel aus „Nuhr im Ersten“ erstaunlich nahe. Die gesamte Sendung besteht aus einer Reproduktion der misogynen, rassistischen, LGBTQ+-feindlichen Stammtischsprüche. Das ZDF Magazin ist deshalb anstrengend. Fraglich ist auch noch, ob diese Wiedergabe wirklich nötig ist, um Nuhr zu kritisieren.

Böhmermann ZDF Magazin persifliert als „Nuhr im Zweiten“ die Banalität des rechten Humors

Fest steht jedenfalls: Böhmermanns Team und die Protagonist:innen der Sendung – dazu gehört in diesem Fall auch das Publikum – stellen die Banalität des rechten Humors à la Dieter Nuhr und Lisa Eckhart heraus. Ohne gefestigte Ideologie, aber gespickt mit reichlich Sexismus, passt auch die Luke-Mockridge-Parodie in die Sendung.

Diese Banalität zeigt sich schon dadurch, dass keine Innovation, keine lange aufgebauten Witze und Pointen nötig sind, um Lacher und Applaus zu bekommen. Humor ist da schon, stumpf gegen Migrant:innen zu pöbeln. Das macht der von Younes Al-Amoyra gespielte fiktive Comedian deutlich, dessen Namen Rüger als Dieter Nuhr immer wieder anders aufsagt: Witze gegen Deutsche findet das mehrheitlich alte und weiße Publikum nicht lustig. Selbstironie gibt es nicht. Bei pointenlosen Sprüchen gegen Migrant:innen johlt dagegen der Saal.

Dem Publikum ist auch egal, dass hinter den Auftritten wenig künstlerische Anstrengung steckt, schließlich spricht jemand aus, was es denkt und was es sich nicht außerhalb seiner Safe Spaces (Dorfwirtschaft, Schützenhaus, Facebook) zu sagen traut. Aber nicht, weil es die angebliche Cancel Culture oder sonstige Konsequenzen zu befürchten hätte, sondern weil es nicht mit dem kleinsten Widerspruch oder Kritik umgehen kann.

Böhmermann-Fans dürften mit der Nuhr-Persiflage im ZDF Magazin nicht zufrieden sein

Dann reicht es für angebliche Humoristen wie Dieter Nuhr und Lisa Eckhart schon, einen Gender-Wahn oder die Cancel Culture einer „Wokestapo“ herbeizufantasieren, oder etwas gegen die „GenSie“ [sic], die Grünen, Feminist:innen, „Klima-Kleber“, die Bahn oder die EU zu sagen, um von der liberalkonservativen Szene und anderen gefeiert zu werden.

ZDF Magazin Royale in der Mediathek

Die ZDF Magazin Royale-Episode „Nuhr im Zweiten“ vom Freitag, 24. März 2023, ist bis zum 23. März 2024 in der ZDF-Mediathek verfügbar.

Mit der Mischung aus Gejammer voller Sehnsucht nach einer Gesellschaft aus dem letzten Jahrtausend und „Kennste, Kennste“ mit schwarz-gelbem Anstrich ist „Nuhr im Zweiten“ genauso stumpf wie das Original im Ersten. Damit wird niemand zufrieden sein: weder Böhmermann-Fans, weil sie Sendung zu viel Geschwurbel reproduziert, noch die Konservativen und ihre gelb maskierten Freund:innen.

Gelungene Lisa-Eckhart-Persiflage in Böhmermanns ZDF Magazin Royale

Hervorzuheben ist jedoch Sophie Berger, die als Milli Probst Lisa Eckhart parodiert und deren überbetonte Gestik und Mimik so imitiert, dass das Publikum glauben könnte, es sei Donnerstag, „Nuhr im Ersten“ laufe und es müsste gleich ins Bett, um am Freitag ausgeschlafen zur Arbeit zu gehen.

Am Ende kommt Team Scheisse auf die Bühne. Nein, damit sind nicht die Persiflierten gemeint, sondern die Punkband. Mit ihrem Song „Fa“ vom neuen Album setzen sie dem reproduzierten rechten Mimimi der vorherigen 28 Minuten zumindest etwas entgegen. (Max Schäfer)

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