Giacomo Puccini und die Komik
Der Todestag von Komponist Giacomo Puccini jährt sich am 29. November zum 100. Mal. Nick Sternitzke wirft in einer dreiteiligen Serie einen ganz eigenen Blick auf große oder kleine Momente in Puccinis Biografie. Nach Eifersuchts-Thriller und Abschieds-Drama in den beiden vorausgegangenen Folgen geht es dieses Mal um Komik.
Beinahe hätte sich Giacomo Puccini die Zunge an seinem Kaffee verbrannt. Sein Besuch an diesem Morgen um 9 Uhr in der Villa von Torre del Lago ist ein sonderbarer. Im Salon vor ihm sitzen zwei Cousins nebst Ehefrauen. Verwandtschaft zweiten, vielleicht auch dritten Grades. In jedem Fall sind sie Puccini völlig fremd – was in dieser weit verzweigten Familie nichts Außergewöhnliches ist.
Ob Puccini denn bereit wäre, einen kleinen Teil seines Vermögens – jetzt wo er ein so erfolgreicher Komponist ist – in die Familie zurückfließen zu lassen? Das würde ihn in einem vortrefflichen Licht dastehen lassen. Puccini wischt sich das Rinnsal heißen Kaffees, das unkontrolliert aus seinem Mundwinkel läuft, mit der Serviette ab. „Zum Teufel, nein“, denkt er. Er kennt diese „Cousins“ nicht einmal.
Puccinis Verwandtschaft sollte sich in den Jahren seines steigenden Erfolges vergrößern. Vettern, uneheliche Neffen und Schwippschwägerinnen würden dem Ruf seines Vermögens folgen wie die Motten dem Licht. Seine Oper „La Bohéme“ war ein kommerzieller Erfolg. Mit ihr hatte Puccini nicht nur eine rentable Liebestragödie auf die Bühne gestellt, sondern auch ein Kapitel seines Lebens aufgearbeitet.
Auch er war arm, als noch Student am Mailänder Konservatorium war. Er fror manchmal so sehr, dass er, ähnlich wie Rodolfo in der Oper, Manuskripte seiner ersten Kompositionsversuche verbrannte, um sich zu wärmen.
Ausgerechnet ein Stoff über arme Bohemiens spülte massenhaft Tantiemen auf das Konto des Komponisten. Seitdem verging kein Monat, an dem nicht irgendein Verwandter in Torre del Lago auflauerte, um sich nach der Gesundheit des Komponisten zu erkundigen – nicht ohne Eigennutz.
Die „Cousins“ kann Puccini an diesem Morgen noch abwimmeln – nicht aber den Steuerbeamten, der am Nachmittag plötzlich vor der Tür steht. Der hat Grund zur Annahme, dass Puccini einen großen Teil seiner Tantiemen der Behörde vorenthalten hat. Puccini wird den Beamten zur privaten Jagd einladen, das bürokratische Gemüt mit seinem teuflischen Charme weichkochen.
Wofür plädiert das geniale Schlitzohr Gianni Schicchi in Puccinis gleichnamiger Oper? Für: mildernde Umstände ...