TV-Duell: NEOS und ÖVP: Annäherung mit Kritik

8 Tage vor
Meinl-Reisinger

TV-Duell

Deutlich weniger konfrontativ und angriffig als das erste Duell des Abends ist am Dienstag die TV-Konfrontation zwischen ÖVP-Chef Karl Nehammer und NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger ausgefallen. Meinl-Reisinger bot ihre Partei als „Reformmotor“ für eine Koalition an, kritisierte aber gleichzeitig die ÖVP für ihre Regierungspolitik. Nehammer ging auf das Angebot kaum ein und verteidigte die Arbeit seiner Partei in den Krisenjahren.

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Meinl-Reisinger bot ihre Partei erneut als Partner in einer „echten Reformkoalition“ an: „Das Angebot steht: Wie müssen unser Land nach vorne bringen.“ Gleichzeitig wollte sie gleich zu Beginn von Nehammer wissen, ob die ÖVP wieder mit der FPÖ koalieren werde.

Nehammer schloss einmal mehr eine Zusammenarbeit mit FPÖ-Chef Kickl sowohl als Parteichef als auch in einer Regierungsfunktion aus. Mit Kickl sei keine tragfähige Regierung möglich, er übernehme keine politische Verantwortung. Und immer wieder sprenge sich die FPÖ durch „irgendwelche Skandale in die Luft“. Dennoch: Eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen – einer „total heterogenen Partei“ – schloss Nehammer hingegen weiterhin nicht aus: Er finde es „undemokratisch, ganze Parteien auszuschließen“.

Regierungsoptionen von NEOS und ÖVP

Beate Meinl-Reisinger und Karl Nehammer stareten ihr TV-Duell mit der Frage nach Koalitionsoptionen – mit der FPÖ im Mittelpunkt.

Und der ÖVP-Chef weiter: Wenn man tatsächlich verhindern wolle, dass eine FPÖ an die Regierung kommt, dann sei es wichtig, so Nehammer, ihm das Vertrauen zu schenken. Denn es gehe darum, „wer als Erster durchs Ziel geht“. Meinl-Reisinger konterte, dass in dem Fall die ÖVP wohl sicher mit der FPÖ koalieren werde.

Meinl-Reisinger: Neue Schulden „unverantwortlich“

Weite Teile des TV-Duells waren von der Debatte über die Wirtschaftspolitik geprägt: Der öffentliche Haushalt müsse gesunden, die Parole „Koste es, was es wolle“ komme alle teuer zu stehen, so Meinl-Reisinger: Zusätzliche Schulden seien „unverantwortlich“. Die NEOS-Chefin erinnerte an die Versprechungen früherer ÖVP-Kanzler und Finanzminister, die Steuer- und Abgabenquote zu senken. Passiert sei das aber nie.

Nehammer erinnerte daran, dass die Regierung durch die „härtesten Jahre“ der jüngeren Geschichte gegangen sei. In der Pandemie, der Energiekrise und der daraus entstandenen Inflation habe man den Menschen helfen müssen. Gleichzeitig habe man aber unter anderem eine Steuerreform und die Abschaffung der kalten Progression geschafft und so den Menschen mehr Geld im Börsel gelassen.

Meinl-Reisinger mit Zweifel an ÖVP-Plänen

Nehammer betonte wie schon den „Sommergesprächen“, dass nach der Wahl kein Sparpaket notwendig sei, wenn der „Kuchen“ durch Wirtschaftswachstum größer werde. Förderungen sollten durch Steuergutschriften und Garantien ersetzt werden, damit würden sie nicht budgetwirksam. Als Beispiel verwies er auf den Transformationsfonds. Aber natürlich müsse man alle Bereiche nach Sparpotenzial durchforsten.

Wirtschaftspolitik als Zankapfel

Die Frage, wie es wirtschaftlich weitergehen soll, beschäftigte Meinl-Reisinger und Nehammer einen Gutteil des TV-Duells.

Meinl-Reisinger meinte hingegen, andere Länder hätten mit großen Strukturreformen und besserer Wirtschaftspolitik die Krisen besser bewältigt, und verwies auf Schweden. Mit einem Gesetz solle man Doppel- und Mehrfachförderungen einen Riegel vorschieben. Die ÖVP-Pläne sah sie „auf Sand gebaut“, wie sie meinte: „Ihre Wirtschaftspolitik und Steuerpolitik, die fußt auf dem Prinzip Hoffnung. Meine Wirtschaftspolitik und Steuerpolitik fußt auf dem Prinzip Reformkraft.“

Ähnlichkeiten bei Arbeitsmarktpolitik

Keine unüberwindbaren Hürden, aber jedenfalls NEOS-Kritik an der ÖVP war auch beim Thema Arbeitslosigkeit zu bemerken: So konnten sich beide etwa für ein degressives Arbeitslosengeld und Anreize, Menschen rasch wieder in den Arbeitsmarkt zu bekommen, erwärmen. Meinl-Reisinger warf der ÖVP aber vor, dass sich nach 37 Jahren Regierungsbeteiligung der Volkspartei Arbeit in Österreich nicht lohne. Nehammer heftete sich auf die Fahnen, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen auf die Hälfte reduziert worden sei.

Nehammer-Kritik an Wiener Sozialhilfestruktur

Beim Thema Grenzschutz gegen illegale Migration plädierten beide für Lösungen auf der europäischen Ebene im Rahmen von Außengrenzschutz durch Frontex und Asylverfahren in Drittstaaten. Nehammer verweis zudem auf die Initiativen der Regierung eben auf EU-Ebene, etwa dass nun mehr Geld in den Schutz der EU-Außengrenzen fließe.

Ähnlichkeiten bei Migrationspolitik

In der Asyl- und Migrationspolitik zeigten sich durchaus Parallelen in den Positionen der beiden Diskutanten auf.

Weniger harmonisch wurde es bei der Frage der Sozialhilfe. Nehammer warf NEOS vor, in der Wiener Stadtregierung nichts gegen die höheren Unterstützungen zu machen. Wien wirke aufgrund der Sozialhilfestruktur „wie ein Magnet“ auf Asylberechtigte. Meinl-Reisinger wiederum warf Nehammer vor, dass Schwarz-Blau das aus ihrer Sicht gute einheitliche System der Mindestsicherung zerschlagen habe, das sei der Grund für den jetzigen „Fleckerlteppich“. Sie warb einmal mehr für eine Residenzpflicht – so gebe es etwa im Westen Österreichs mehr Jobs und auch damit auch bessere Chancen auf Integration.

Pro und kontra Föderalismus

Am Beispiel Gesundheitspolitik wurden deutlich unterschiedliche Zugänge der beiden zum Thema Föderalismus deutlich: Es seien „viele Köche für den Gesundheitsbrei zuständig – aber niemand verantwortlich“, konstatierte Meinl-Reisinger. Man gebe im internationalen Vergleich viel Geld aus, aber jeder spüre, „es wird schlechter“. Und das würde ebenso für den Bildungsbereich gelten.

„Trennlinie“ Föderalismus

Meinl-Reisinger forderte eine Neuauflage des Zukunftskonvents, um die Kompetenzen von Bund und Ländern neu zu regeln.

Sie plädierte für eine Finanzierung aus einer Hand und eine bestmögliche Versorgung statt eines „verantwortungslosen Föderalismus“, bei dem die Bundesländer “mit beiden Händen das Geld ausgeben“, aber für die Steuereinnahmen nicht verantwortlich seien. In Österreich werde „jedes Problem mit Geld beworfen“. Sie plädierte dafür, einen Zukunftskonvent wieder einzusetzen, der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern untersucht und neu regelt.

Analyse der TV-Duelle

Die TV-Duelle zur Nationalratswahl gingen am Dienstag in die zweite Runde. In der ZIB2 analysierte die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle die TV-Duelle von FPÖ-Obmann Herbert Kickl und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sowie von Meinl-Reisinger und Nehammer.

Nehammer verwies hingegen darauf, dass die Regierung den Finanzausgleich und damit die Steuermittelverteilung neu geregelt habe. Erstmals seien dort Ziele definiert worden, und man habe zusätzliche Mittel für Gesundheitsreform und Investitionen in den Kindergartenausbau geschaffen. Der ÖVP-Chef präsentierte sich aber als „ganz starker Anhänger“ des Subsidiaritätsprinzips: Man solle Problem dort lösen, so sie auftreten, „weil dort die höchste Kompetenz vorhanden ist“.

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