„Elefantenrunde“: Tour de Force im Wahlkampfendspurt

26 Sep 2024
Meinl-Reisinger

„Elefantenrunde“

Am Donnerstag haben sich die Spitzen der fünf Parlamentsparteien zu einem letzten Schlagabtausch vor der Wahl zur ORF-„Elefantenrunde“ eingefunden. Dabei ging es um die großen Themen, die das Land bewegen: Wirtschaft, Zuwanderung und Klimaschutz. Emotional wurde es bei der Neutralität. Auch wenn mit Angriffen nicht gespart wurde, blieb die Debatte im Großen und Ganzen sachlich.

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Die Mobilisierung der eigenen Klientel steht in den Tagen vor der Wahl im Zentrum der Parteitaktiken. Dementsprechend engagiert traten die Parteispitzen Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Werner Kogler (Grüne) sowie die einzige Frau im Bunde, Beate Meinl-Reisinger (NEOS), bei der ORF-„Elefantenrunde“ auf.

Zu Beginn der Konfrontation ging es gleich in medias res: Das erste Thema war die Hauptsorge der Österreicherinnen und Österreicher, die angespannte wirtschaftliche Lage – das Land wird sparen müssen. Die ÖVP will das Budget durch Wachstum und Effizienz stabilisieren, etwa durch neuartige Budgetverhandlungen und das Durchforsten aller Ressortbudgets. Zudem müssten Investitionen ins Land geholt sowie Steuerverbesserungen bei Überstunden und Arbeit über das Pensionsalter hinaus umgesetzt werden.

Strukturreformen lassen auf sich warten

Die SPÖ verfolgt einen gänzlich anderen Ansatz: Das Budget solle durch stärkere Besteuerung der Wohlhabenden im Land saniert werden. Einmal mehr betonte Babler, dass nicht die Masse der Menschen davon betroffen sei, nur die „Superreichsten“. Zudem solle man „Steuergeschenke“ für ebendiese einsparen, so der SPÖ-Chef. Fünf bis sechs Milliarden seien, „defensiv gerechnet“, bei einer Vermögenssteuer drin.

Wie kann das Leben günstiger und die Wirtschaft angekurbelt werden?

Drei Tage vor der Nationalratswahl trafen die Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatin zur Schlussrunde aufeinander. Zum Auftakt wurde über Österreichs wirtschaftliche Schieflage debattiert.

Kickl verlangte zunächst einen „seriösen Kassasturz“. Weiters wolle er einsparen beim Luftverteidigungssystem „Sky Shield“, der Ukraine- und der Entwicklungshilfe. Drittens sei „der Gang in die Struktur“ nötig, sagte Kickl in der ersten Runde. Dort Reformen einzuleiten bringe Milliarden, wie ein Blick in andere Länder zeige.

Kogler: „Germanen-Voodoo-Ökonomie“

Auch NEOS machte sich stets für Strukturreformen stark. Es gebe schlicht keinen wachsenden Wohlstand mehr, der nur noch zu verteilen sei, so Meinl-Reisinger. Die Abgabenbelastung sei mit durchschnittlich 47 Prozent viel zu hoch, die Lohnnebenkosten sowie Lohn- und Einkommenssteuern müssten dringend sinken.

Grünen-Bundessprecher Kogler meinte, klimaschädliche Subventionen wie „das Dienstwagenprivileg“ müssten abgeschafft werden. Einzusparen sei zudem bei den Plänen, in den kommenden Jahren „20 Milliarden an Autobahnen“ zu bauen. Dem Wirtschaftsansatz der FPÖ hingegen konnte Kogler nichts abgewinnen, das sei nicht nachvollziehbare „Germanen-Voodoo-Ökonomie“, so Kogler.

Positionen bei Steuern und Steuersenkungen

Mögliche neue Steuern waren ebenso Thema wie mögliche Rücknahmen von Steuern und Abgaben.

FPÖ will „360-Grad-Perspektive“ beim Klima

Nicht weniger kontrovers waren die Wortmeldungen beim Thema Klimaschutz. Er sei immer noch zuversichtlich und halte am Ziel, der Bodenversiegelung Einhalt zu gebieten, fest, so Kogler. Die Bundesländer blockierten hier. Hole man diese vor den Vorhang, dann gehe auch etwas weiter.

Kickl sagte, man dürfe nicht „Hals über Kopf“ in strukturelle Wirtschaftsreformen stürzen, um bestimmte Klimaziele zu erreichen. So könne man mitunter mehr kaputt machen als erreichen. Stattdessen müsse man mit Augenmaß eine „360-Grad-Perspektive aufmachen“ und technologieoffen bleiben. „Da gehört der Verbrenner dazu, ja“, so Kickl.

Den Klimaschutz müsse man differenziert diskutieren, sagte Nehammer, der sich damit auf das rezente Hochwasser bezog. Die enormen Regenmengen hätten nichts mit Bodenversiegelung zu tun, „man darf nicht immer alles vermischen“ und das Hochwasser im Wahlkampf nicht als Beweis für die Klimakrise präsentieren. „Das Klima ist global, nicht national, nicht regional“, so Nehammer, der hier auch mit Kickl d’accord ging.

„Vermanschen“ beim Thema Zuwanderung

In puncto Migration beharrte Kickl auf seiner Forderung nach einer „Festung Österreich“. Er betonte, dass das keinen Zerfall der EU nach sich zöge, aber eine „neue Völkerwanderung“ verhindere. Gewünschte Fachkräfte seien „willkommene Gäste“, doch dürfe man sie nicht „vermanschen“ mit jenen, die nicht integrierbar seien.

Nehammer kritisierte Kickls Bilanz als Innenminister. Was es brauche, seien Asylverfahren in sicheren Drittstaaten und eine Reduzierung der Sozialleistungen, wenn man noch keine fünf Jahre im Land lebt. Für geordnete Wege in den Arbeitsmarkt gebe es den Weg über bilaterale Abkommen.

Position der FPÖ zum Thema Migration

Kickl sprach bei der „Elefantenrunde“ erneut von der „Festung Österreich“. Facharbeiter hingegen seien „willkommene Gäste“.

Als Traiskirchner Bürgermeister habe er einen pragmatischen Zugang gewählt, der sich bewährt habe, sagte Babler, „eingebettet in die Menschenrechte“. Man dürfe nicht nur problematisieren, sondern müsse Schritte setzen wie Deutschkurse, Beschäftigungsmaßnahmen und auf Massenlager verzichten.

Grün und Pink im Gleichklang

Meinl-Reisinger und Kogler hatten eingeräumt, Aspekte bei der Integration in der Vergangenheit unterschätzt zu haben. „Ein Laissez-faire“ sei nicht zielführend, man müsse die eigenen Erwartungen deutlich formulieren, etwa bei Werten, die man in den Schulen lehren müsse, sagte die NEOS-Chefin. Auch ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr tue Not. Kogler betonte ebenso „die Deutschfrage“, und auch beim zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr stimmte Kogler der NEOS-Forderung zu.

Integration als wichtiges Thema für NEOS

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger will sich abwenden von einer „Laissez-faire“-Politik beim Thema Integration.

NEOS bei Neutralität allein

Allein stand Meinl-Reisinger beim Thema Neutralität da: NEOS fordert eine eigene EU-Armee und stellt die Neutralität infrage. Mit dem EU-Beitritt habe man die Entscheidung zur Gemeinsamkeit gefällt, auch die Wehrhaftigkeit „geht am besten mit Europa“.

Die Neutralität sei kein Modell der Vergangenheit, sondern der Zukunft, so hingegen Kickl. Wenn man in immer weitere Bündnisse eintrete, werde ein „regionaler Konflikt schnell zu Flächenbrand“. Dass „Sky Shield“ Österreich beschützen könne, sei illusorisch.

Positionen der ÖVP und FPÖ zu „Sky Shield“

Das Europäische Luftverteidigungssystem „Sky Shield“ ließ in der ORF-„Elefantenrunde“ die Wogen hochgehen.

Nehammer kritisierte Kickl erneut, er biete keine Lösungen. „Sky Shield“ sei nötig für die Sicherheit des Landes und bedeute keineswegs einen NATO-Beitritt durch die Hintertür, wie von der FPÖ vermutet. Selbst die „in Neutralitätsfragen selbst für die FPÖ untadelige Schweiz“ sei Teil der „Sky Shield“-Initiative.

Kickl spricht von Heuchelei

Die SPÖ bekenne sich zu einer aktiven Neutralitätspolitik und zur Luftraumüberwachung, sagte Babler. Doch Details zu „Sky Shield“, etwa ob es Abschussanlagen im Land geben werde, habe die SPÖ in Form eines Gutachtens wissen wollen. Dieses stehe aber weiterhin aus, sagte der SPÖ-Chef.

„Genau nichts“ werde auf österreichischem Boden stationiert, „was andere befehligen oder anderen gehört“, antwortete Kogler. Die Neutralität könne aber nicht bedeuten, dass man teilnahmslos daneben stehe, wenn anderswo einmarschiert werde, wie es Kickl sehe, so der Grünen-Chef.

Kogler (Grüne) über Terrorabwehr und „Sky Shield“

Grünen-Chef Werner Kogler versprach, dass durch „Sky Shield“ keinerlei fremdgesteuerte Anlagen in Österreich stationiert werden.

FPÖ mit Kickl, Grüne mit Gewessler

Die Abschlussrunde war von der Koalitionsfrage geprägt. Nehammer betonte erneut, nicht mit Kickl zusammenarbeiten zu wollen. Dieser hingegen bestand auf den Auftrag zur Regierungsbildung, sollte die FPÖ als stimmenstärkste Partei aus der Wahl hervorgehen. Ob er gegebenenfalls „zur Seite“ treten werde, um eine Koalition mit der ÖVP zu ermöglichen, wollte der FPÖ-Chef trotz mehrmaliger Nachfrage nicht beantworten.

Nehammer: Keine Koalition mit Kickl

Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer (ÖVP) erneuerte seine Haltung, nicht mit FPÖ-Chef Herbert Kickl koalieren zu wollen. Eine Allianz mit der FPÖ selbst aber schloss er nicht aus.

Meinl-Reisinger beharrte auf einem Reformkurs, dieser sei für NEOS Koalitionsbedingung. Kogler wiederum bestand darauf, dass die von der ÖVP gescholtene Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) Teil eines möglichen neuen Regierungsteams sein werde. Nehammer und Teilen der SPÖ hingegen wollte er nicht glauben, dass sie eine Verbindung mit der FPÖ tatsächlich ausschließen.

Filzmaier: „Nicht ganz logisch“

In der darauffolgenden Analyse in der ZIB2 konstatierte Politologe Peter Filzmaier, dass ÖVP und Grüne mittlerweile „meilenweit auseinander“ lägen. Gerade beim Thema Klima hätten sie eigentlich gemeinsam Leistungsbilanz ziehen müssen, stattdessen zeigte die ÖVP Einigkeit mit der FPÖ, die Grünen mit der SPÖ. Für Filzmaier ist das „strategisch nicht ganz logisch“, müsste man doch jeweils von der anderen Partei die Stimmen abwerben.

Auch „profil“-Journalistin Eva Linsinger sah bei ÖVP-Grün nicht mehr das „Beste, sondern Reste aus beiden Welten“. Zu einer Neuauflage der Koalition dürfte es folglich wohl kaum mehr kommen, so ihre Prognose. Wahrscheinlicher sei da schon etwa eine Koalition aus ÖVP, SPÖ und möglicherweise NEOS, näher beieinander lägen jedoch ÖVP und FPÖ.

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