"Blutattacke": Ministerin Edtstadler flüchtete vor Aktivist

7 Mai 2024

Der Aktivist dürfte Montagfrüh direkt neben dem Eingang Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gestanden sein, auf dem Plakat in seinen Händen stand "Genozid". Die "Krone" berichtete zuerst über die "Blutattacke" auf die Ministerin. 

Karoline Edtstadler - Figure 1
Foto kurier.at

Hintergrund des Treffens in der ÖAW ist die jährlich stattfindende internationale Konferenz gegen Antisemitismus. 

"Der Täter stand mit einem großen Farbkübel mit roter Farbe neben dem der Tür. Nur weil ein Mitarbeiter die Frau Ministerin in letzter Sekunde gewarnt hat, konnte sie wegrennen. Aber der Anschlag galt ganz klar ihr und der Konferenz gegen Antisemitismus", sagte die Sprecherin von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). 

Bilder der "Blutlache"

Bilder zeigen massenweise rote Farbe vor dem Eingang der Akademie, die einer vermeintlichen Blutlache ähneln. Die Bundesministerin für EU und Verfassung zeigt sich entsetzt darüber, dass gerade bei einer Veranstaltung, die die bessere Vernetzung gegen Antisemitismus in den Fokus rückt, solche Aktionen stattfinden. 

Bei dem Aktivisten handelte es sich um ein ehemaliges Mitglied der Protestbewegung „Letzte Generation“. Der Protest richtete sich gegen die „Normalisierung eines Völkermordes“ und für einen „Waffenstillstand“ im Gazastreifen, sagte der Aktivist David Sonnenbaum der APA. „Hier geht es nicht um Antisemitismus. Hier geht es darum, jede Kritik am Vorgehen des Staates Israel zu unterdrücken“, so Sonnenbaum, der selbst Mitglied der jüdischen Gemeinschaft in Österreich ist.

"Wir mussten andere Teilnehmer der Konferenz, wie Oskar Deutsch, den Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, nach der Attacke über andere Eingänge in die Akademie bringen. Das ist sehr bedauerlich", so die Sprecherin der Verfassungsministerin weiter. 

Edstadler dankte in dem Zusammenhang auch der Wiener Polizei. "Vielen Dank an die Wiener Polizei für das rasche und professionelle Einschreiten, aber auch an die Mitarbeiter vor Ort der Veranstaltung, die sofort reagierten. Es ist beschämend, dass eine Konferenz in Österreich, die sich der internationalen Vernetzung im Kampf gegen Antisemitismus widmet, ohne Polizeischutz nicht mehr friktionsfrei abgehalten werden kann."

Karoline Edtstadler - Figure 2
Foto kurier.at

In einer Aussendung nahm Edstadler auch Bezug auf antisemitische Vorfälle der vergangenen Woche. „Letzte Woche beschmierte jüdische Geschäfte, heute Angriffe auf Teilnehmende einer Antisemitismuskonferenz - der Judenhass in Österreich zeigt seine hässliche Fratze am helllichten Tag. Seien Sie aber versichert: Das werden wir nicht akzeptieren.“, so Bundesministerin Edtstadler.

Wie Edtstadler später in einer Rede ausführte, hat die Anzahl antisemitischer Vorfälle in Österreich 2023 um 60 Prozent zugenommen. In mehreren EU-Mitgliedsländern habe sie sich sogar vervierfacht. „Die Anzahl von antisemitischen Vorfällen ist ein Barometer für die Situation in der ganzen Gesellschaft“, sagte Edtstadler. Es sei die Aufgabe Österreichs, Jüdinnen und Juden zu schützen. „Attacken auf Juden sind Attacken auf unsere Gesellschaft“, sagte die Europa- und Verfassungsministerin.

Jüdisches Leben fördern

Zum dritten Mal findet die Konferenz auf Initiative von Verfassungsministerin Edtstadler in Wien statt. Internationale Experten sind zu dem Thema eingeladen, um gemeinsam über Strategien und Maßnahmen gegen Antisemitismus zu diskutieren sowie Initiativen zu erarbeitebn, wie man jüdisches Leben in Europa weiter fördern könnte.

Teilnehmer der Konferenz sind unter anderem ÖAW-Präsidenten Heinz Faßmann, die Sonderbeauftragte der US-amerikanischen Regierung zur Beobachtung und Bekämpfung von Antisemitismus und Botschafterin Deborah Lipstadt. 

Auf Pro-Palästina-Protesten skandierte Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ seien keine legitime Kritik an Israel, sondern ein „Aufruf zum Genozid“, sagte der israelische Präsident Yitzhak (Isaac) Herzog, der per Videobotschaft aus Israel zugeschaltet war. Herzog sah keinen Unterschied zwischen „Antisemitismus und Antizionismus“ und sprach diesbezüglich von der „ältesten Krankheit der Menschheitsgeschichte“. Ein großes Lob sprach das Staatsoberhaupt Israels Bundespräsident Alexander van der Bellen und der österreichischen Bundesregierung für ihren Kampf gegen Antisemitismus aus.

Gastgeber, ÖAW-Präsident Heinz Faßmann, ortete im Vergleich zu anhaltend schweren Pro-Palästina-Protesten an Universitäten in den USA eine „derzeit noch entspannte Lage“ an den heimischen Hochschulen. Es gebe aber keine Garantie, dass das so bleibt. IKG-Präsident Deutsch sprach von „schrecklichen Zeiten“ für Juden in Österreich. „Juden haben wieder Angst, ihre Religion zu zeigen“, sagte er und warnte vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ nach der Nationalratswahl im Herbst. Hier orte er ein Déjà-vu zu den Vorgängen im Deutschland während der 1930er-Jahre.

"Inakzeptable, antisemitische Tabubrüche"

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zeigte sich unterdessen am Rande des Festakts zum Europatag betroffen von der Farbattacke auf Edtstadler und die anderen Konferenzteilnehmer. „Antisemitismus ist das Gift jeder Demokratie“, betonte der Kanzler. Es müsse alles getan werden, um Antisemitismus in der Gesellschaft zu bekämpfen. Gewalt werde polizeilich verfolgt.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verurteilte den Übergriff auf "X" als vollkommen unzulässig. Dieser überschreite eine rote Linie und sei auf das Schärfste zu verurteilen. "Diese Attacke und auch die Beschmierungen in Wien Leopoldstadt stellen inakzeptable, antisemitische Tabubrüche dar. Unsere Haltung ist gerade in diesen Tagen ganz klar: Wir stehen Seite an Seite mit allen jüdischen Menschen in Österreich", so der Vizekanzler.

Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner nimmt den Angriff zum Anlass, um einen „nationalen Schulterschluss“ zu fordern, „um die Gräben in unserer Gesellschaft wieder zuzuschütten.“  

„Die Krisen und Kriege der letzten Jahre haben die Stimmung in Europa immer weiter angeheizt, teilweise tiefe Gräben durch die Gesellschaft gezogen und so Platz für radikale Kräfte geschaffen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich diese Gräben wieder schließen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so Landeshauptfrau Mikl-Leitner.

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