Der frühere US-Präsident hat all seine Kritiker und Gegner überlebt. Jetzt will er sich noch einen Wunsch erfüllen – und für Kamala Harris stimmen.
Ehre, wem Ehre gebührt. Über Plains, das 500-Seelen-Dorf im Südwesten Georgias, werden zur Feier des Tages Militärjets düsen. 100 Neo-Amerikaner werden in einer Zeremonie eingebürgert, und der Festtag klingt – wie schon vor zwei Wochen in Atlanta – mit einem Konzert mit Gospel- und Country-Songs aus. Plains begeht am Dienstag den 100. Geburtstag seines größten Sohns, des Ex-Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Jimmy Carter. Er ist der erste ehemalige US-Staatschef, der diese Schwelle erreicht.
Als Carter vor 20 Monaten darum bat, aus dem Spital in häusliche Hospiz-Pflege entlassen zu werden, dachte seine Familie, dem ehemaligen Marineoffizier und Erdnussfarmer, dem Ex-Gouverneur und Baptistenprediger würden nur Tage, allenfalls wenige Wochen an Lebenszeit bleiben. Doch Carter widerlegte wieder einmal alle Prognosen: Der Demokrat, ein politischer Außenseiter, dessen Präsidentschaft von einer Wirtschaftskrise und der Geiselaffäre an der US-Botschaft in Teheran geprägt war, überlebte all seine Kritiker und Gegner – und im November 2023 auch Rosalynn, seine Ehefrau seit 77 Jahren und sein Lebensmensch.
Die „guten Menschen von Plains“Zusammen war das Paar, als „Rednecks“, – „Provinzler“ – belächelt, 1976 ausgezogen, Washington zu verändern. Und zusammen kehrten sie 1981 nach dem Wahldebakel gegen Ronald Reagan nach Georgia zurück, um sich mit der Gründung des Carter Center in Atlanta neu zu erfinden, karitative Projekte zu fördern und demokratische Werte in aller Welt zu propagieren – als die „guten Menschen von Plains“.
Dass der Nahe Osten im Krieg versinkt, bekümmert den Präsidenten, der 1978 Pate stand für das Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten in Camp David. Hoffnung und Lebensgeist gibt dem prominentesten Wähler im Swing State Georgia indes Kamala Harris. Er verfolgte ihre Kür beim Parteikonvent in Chicago Ende August, Harris wiederum erkundigte sich telefonisch nach seinem Befinden. Gegenüber seinen Kindern äußerte der Methusalem seinen größten Geburtstagswunsch – dass es ihm noch vergönnt sei, seine Stimme für die Präsidentschaftskandidatin seiner Partei abzugeben.