Mittler zwischen den Kulturen: Der serbische Schriftsteller Ivan Ivanji ...

Ivan Ivanji

Für einen Roman wäre diese Schlusspointe zu aufdringlich gewesen, aber als Abschluss eines echten Lebens ist sie unübertrefflich: Der serbische Schriftsteller Ivan Ivanji, 1929 geboren, Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald, der in seinen Romanen immer wieder auf diese Lagererfahrung zurückkam und seine Prosa oft nach Weimar verlegte, wo er einen seiner Protagonisten in einem Hinterzimmer des legendären Hotels „Elephant“ erste politische Erfahrungen sammeln lässt, ist gestorben – und zwar in Deutschland, in Weimar, als Gast im „Hotel Elephant“. Er starb am 9. Mai. Am Tag zuvor hatte er noch als Ehrengast an der Eröffnung des „Museums Zwangsarbeit im Nationalsozialismus“ teilgenommen, hatte auch im Theater aus seinem Werk gelesen. Einprägsamer kann ein Leben nicht enden.

Ivan Ivanji stammt aus einer jüdischen Medizinerfamilie im Banat, einer historischen Landschaften in Serbien. Er wächst mehrsprachig auf, Deutsch gehört selbstverständlich zu den Sprachen, die er spricht und schreibt. Seine Eltern werden bald nach dem Beginn der deutschen Besatzung Jugoslawiens 1941 getötet. Der Sohn überlebt und macht im titoistischen Jugoslawien nach 1945 Karriere als Journalist, Schriftsteller und Diplomat.

Titos Übersetzer

In der unmittelbaren Nachkriegszeit schafft er sich dabei auch Feinde. Vojislav Simić, eine Legende des jugoslawischen Jazz, der unlängst in Belgrad seinen 100. Geburtstag feierte, gehört zu ihnen. Simić beschreibt in seinen Memoiren, dass Ivanji bis 1953 einer der Hauptagitatoren der kommunistischen Partei gegen den Jazz als vermeintlich kapitalistisch-amerikanische Geißel der jungen Generation gewesen sei. Auch andere Jazzer jener Jahre erwähnen, Ivanjis Agitprop-Kulturkritik sei in der Szene berüchtigt gewesen und habe manch eine unangenehme Vorladung mit sich gebracht.

Doch mit den Jahren wurde nicht nur Jugoslawien liberaler, sondern auch Ivanji, der dabei allerdings stets ein loyaler Anhänger des Systems blieb. Auch ein Leserbrief in dieser Zeitung vom August 1978, in dem der damalige Botschaftsrat für Presse und Kultur an der jugoslawischen Botschaft in Bonn sein Land gegen Kritik in Schutz nimmt und zu demonstrieren versucht, wie liberal der Strafvollzug im sozialistischen Jugoslawien sei, kündet davon. Später wurde er Titos Übersetzer für Deutsch, war so bei dessen Begegnungen mit Willy Brandt, Herbert Wehner, Helmut Schmidt, Walter Ulbricht, Erich Honecker, Bruno Kreisky und Kurt Waldheim zugegen. Auch darüber hat er ein Buch geschrieben.

Als Schriftsteller war Ivanji von bewundernswerter Produktivität, auch wenn die Qualität seiner Romane nicht immer mit deren Quantität Schritt hielt und seine Thematisierung der Lagerzeit literarisch nicht an Imre Kertész oder Jorge Semprún heranreichte. Eine große Leistung erbrachte Ivanji als Mittler zwischen den Kulturen. Er übersetzte Günter Grass und Bertolt Brecht ins Serbische ebenso wie Danilo Kiš oder David Albahari ins Deutsche. Bis zuletzt war er ein hellwacher Beobachter des Zeitgeschehens, dem zuzuhören sich stets lohnte.

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