Autor und KZ-Überlebender Ivan Ivanji gestorben

10 Tage vor

Ivan Ivanji in Weimar bei einer Lesung aus seinem Roman „Der alte Jude und das Meer“.  Imago / Thomas Mueller

Ivan Ivanji - Figure 1
Foto DiePresse.com

Der Schriftsteller Ivan Ivanji, Jahrgang 1929, überlebte zwei Konzentrationslager. Und wurde der Arbeit niemals müde.

„Es wäre langweilig, an nichts zu arbeiten.“ Das sagte Ivan Ivanji im letzten „Presse“-Interview vor wenigen Jahren, er war bereits über 90 Jahre alt. Und arbeitsam war er bis zuletzt: Noch am Mittwoch nahm er als Zeitzeuge an der Eröffnung eines Museums zu Zwangsarbeit in Weimar teil. Nur wenige Stunden später starb er.

Als Sohn eines jüdischen Ärzteehepaares wuchs Ivan Ivanji, geboren 1929, in der serbischen Provinz Vojvodina, auf. In seiner Heimatstadt überlebten von 278 Juden nur 38, erzählte er einmal. Er selbst kam als 15-Jähriger nach Auschwitz und wurde erst bei Kriegsende aus dem Konzentrationslager Buchenwald befreit. Seine Eltern sah er nie wieder.

Er studierte Architektur und Germanistik und war daraufhin in Belgrad als Lehrer, Theaterintendant, Journalist, aber auch lange als Titos Dolmetscher und als Botschaftsrat Jugoslawiens in Deutschland tätig. Seine Erfahrungen verarbeitete Ivanji in zahlreichen Büchern wie „Die Tänzerin und der Krieg“ (2002), „Titos Dolmetscher“ (2007) oder „Mein schönes Leben in der Hölle“ (2014).

Die Liste seiner im Picus Verlag erschienenen Romane ist noch um einiges länger. Sie umfasst u.a. auch „Barbarossas Jude“, „Geister aus einer kleinen Stadt“, „Schattenspringen“, die Balkan-Familiensaga „Schlussstrich“ (2017), bei der die Geschichte des Protagonisten Rudolf Radvanyi viele Ähnlichkeiten mit der Vita des Autors aufwies, „Hineni“ (2020), seine eigene Version der Geschichte des biblischen Abraham, oder „Corona in Buchenwald“ (2021), eine Art Decamerone der KZ-Überlebenden, in dem zwölf alte Männer in der Quarantäne eines Weimarer Hotels zu Geschichtenerzählern werden.

Erst heuer brachte das Verlagshaus zudem eine Neuauflage von Ivanjis 1999 erschienenen Romans „Der Aschenmensch von Buchenwald“ heraus. In ihm schildert er die Entdeckung von 700 Urnen mit der Asche von namenlosen Häftlingen bei Renovierungsarbeiten im Krematorium der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald und verleiht den anonymen Toten Stimmen, die sich zu einem Chor ermordeter Seelen vereinigen.

Ivanji bezeichnete sich selbst als „Skribomane“, als Schreibwütigen. „Günter Grass sagte mehrere Jahre vor seinem Tod, er wolle nichts mehr anfangen, weil er nicht weiß, ob er es zu Ende bringen kann“, erzählte einmal. „Ich beginne immer wieder etwas Neues, und wenn ich es nicht beenden kann, bleibt es eben unvollendet. Hat es ja auch schon gegeben.“ (red./APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:
Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche