Was hat die Inflation mit uns gemacht? | Wiener Zeitung

31 Okt 2023
Inflation österreich

Die finanzielle Lage entspannt sich, doch die Inflation hat unser Konsum- und Sparverhalten verändert – und trifft die Ärmsten weiterhin hart.

Die Teuerung lässt nach: Im Oktober lag die Inflationsrate laut Statistik Austria bei sechs Prozent und damit auf dem niedrigsten Wert seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Die Preise für Haushaltsenergie gingen zurück. Die Europäische Zentralbank hebt den Leitzins vorerst nicht weiter an – ein weiteres Zeichen der Entspannung. Zinserhöhungen sind für die Notenbanken ein Mittel zur Bekämpfung der Inflation. Jetzt zeigt es offenbar Wirkung.

Wertverlust bei Einlagen

Welche Auswirkungen die Preissteigerungen der vergangenen zwei Jahre haben, zeigen zwei neue Studien. Wir sparen nicht mehr so fleißig wie in der Pandemie. 2022 gaben die heimischen Haushalte laut der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) 90,2 Prozent ihres Vermögens für Konsum aus: Das beinhaltet Ausgaben für Wohnen, Lebensmittel, Verkehr und sonstiges. Damit blieben nur 9,2 Prozent fürs Sparen. Die österreichische Sparquote erreichte im ersten Pandemiejahr 2020 einen Rekordwert von 14,4 Prozent, jetzt befindet sie sich wieder auf dem Niveau vor der Pandemie.

Während das real verfügbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der Inflation laut OeNB vergangenes Jahr zwar um 3,3 Prozent auf 250,3 Milliarden Euro gestiegen ist, gibt es beim Finanzvermögen einen spürbaren Verlust. Das Finanzvermögen der Privathaushalte umfasst sämtliche Anlageformen wie Einlagen oder Wertpapiere. Dieser Wert verlor aufgrund der Teuerung und der hohen Zinsen vergangenes Jahr zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr, im ersten Halbjahr 2023 noch einmal sieben Prozent. Aktuell beträgt das Finanzvermögen in Österreich 838 Milliarden Euro.

Weniger Geld fürs Sparen

Die Inflation hat also nicht nur für knappere Haushaltsbudgets gesorgt, sondern auch unser Sparverhalten verändert. Die OeNB sieht in ihrer aktuellen Studie einen Trend weg von täglich fälligen Spareinlagen zu gebundenen Anlagen, auch das Interesse an Wertpapieren steigt trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit. Und eine gute Nachricht: Kommendes Jahr haben wir laut Wirtschaftsforscher:innen wieder mehr von unserem verfügbaren Einkommen.

Bei der Frage, wen die Inflation am stärksten trifft, sind sich Wirtschaftsforscher:innen einig: Niedrigverdienende und arme Haushalte bekommen den Wertverlust besonders zu spüren. Und eine neue Langzeitbeobachtung des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts legt nahe, dass junge Menschen in den nächsten Jahren zu den Verlierern zählen könnten. Für Personen in Haushalten mit Kindern, bei denen die Hauptverdienenden bis zu 35 Jahren alt sind, stieg die Armutsgefährdung von 2005 auf 2019 um 4,6 Prozent auf 25 Prozent. Zum Vergleich: Bei älteren Haushalten sank dieser Wert um 6,3 Prozent auf elf Prozent. Ein Grund dafür ist unter anderem, dass immer mehr Menschen auch nach 65 Jahren noch erwerbstätig sind, aber auch die Fluktuation bei den Jungen höher ist und deshalb der Aufbau von Einkommen verlangsamt ist.

Auch wenn die Prognosen für das kommende Jahr optimistisch sind, werden also viele Personen und Haushalte noch mit finanziellen Herausforderungen zu kämpfen haben. Und auch wenn die Teuerung nicht mehr so rasant steigt, bleibt sie weiter hoch: Erst 2027 soll sich die Inflationsrate mit 2,25 Prozent wieder normalisieren.

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