Hanks mimt "mürrischen Bastard": "Ein Mann namens Otto" entdeckt ...

3 Feb 2023
Hanks mimt "mürrischen Bastard" "Ein Mann namens Otto" entdeckt das Leben neu

Von Linn Penkert 02.02.2023, 18:44 Uhr

Seit dem Tod seiner Ehefrau lebt Otto zurückgezogen in seinem Reihenhaus. Erst eine neue Nachbarin schafft es, ihn - widerwillig - wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Zum Leben wird die Tragikomödie "Ein Mann namens Otto" aber trotzdem nicht erweckt.

Wer ist der netteste Mann in Hollywood? Die Antwort ist für die meisten US-Amerikaner ziemlich eindeutig: Tom Hanks. Seit dem Beginn seiner Karriere in den 1980er-Jahren genießt er den Ruf als Schauspieler mit einem Herz aus Gold, der mit allen gut klarkommt und jederzeit hilfsbereit ist. Im Internet sind etliche rührende Geschichten über den 66-Jährigen zu lesen, den viele als "America's Dad" bezeichnen oder gerne im Oval Office sehen würden. Die "New York Times"-Redakteurin Taffy Bordesser-Akner geht sogar so weit zu behaupten, ein Interview mit Hanks habe ihre Depressionen gelindert und sie "geheilt".

Auch für seine Errungenschaften vor der Kamera wird Tom Hanks immer wieder in höchsten Tönen gelobt. Als einer der profiliertesten Charakterdarsteller Hollywoods wurde er sowohl für "Philadelphia" (1993) als auch "Forrest Gump" (1994) mit einem Oscar ausgezeichnet, für "Big" (1988) und "Cast Away - Verschollen" (2000) erhielt er zudem jeweils einen Golden Globe. Auch in seinem neuesten Film, "Ein Mann namens Otto", spielt er seine Rolle wieder einmal mit viel Leidenschaft und Feingefühl. Doch das allein reicht leider nicht, um die Romanadaptation, die auf dem schon einmal verfilmten internationalen Bestseller "Ein Mann namens Ove" aus der Feder des schwedischen Schriftstellers Frederik Backman basiert, zum Leben zu erwecken.

Otto (Hanks) ist ein einsamer und schlecht gelaunter Mann, nahezu unausstehlich wirkt er auf seine Nachbarn, die ihn nur den "mürrischen, alten Bastard" nennen. Der Rentner ist von allen Menschen um sich herum genervt: Von den UPS-Fahrern, die ohne Genehmigung auf seiner Straße fahren, von den Nachbarn, die sich nicht um die Verordnungen der Wohnhaussiedlung scheren, von der Hundehalterin, deren Haustier manchmal in seinen Vorgarten pinkelt oder von den freundlichen Menschen, die Smalltalk führen wollen. Das abstoßende Verhalten des selbsternannten Nachbarschaftspolizisten wird erst durch seine Hintergrundgeschichte erklärt, die in zahlreichen Rückblenden (und mit Hanks' jüngsten Sohn Truman als jungem Otto) gezeigt wird: Nach diversen Schicksalsschlägen, die an und für sich schon das Potenzial hätten, einen Menschen zum Zyniker verkommen zu lassen, ist kürzlich auch noch seine geliebte Ehefrau Sonya (Rachel Keller) gestorben und hat mit ihrem Tod einen gebrochenen Mann zurückgelassen.

Otto ist des Lebens müde

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Schnell wird klar, dass Otto nicht vorhat, lange ohne Sonya weiterzuleben. Er bereitet sich akribisch auf seinen Suizid vor, um seiner Frau in den Tod zu folgen. Doch zu seinem Unmut werden seine Versuche stets unterbrochen, nicht zuletzt durch seine neuen Nachbarn Marisol und Tommy (Mariana Treviño und Manuel García-Rulfo), die, zumindest in Ottos Augen, beim Einzug in das gegenüber liegende Reihenhaus mit ihren beiden kleinen Töchtern für mächtig Aufruhr sorgen. Im Laufe der Zeit ist es Marisol, die Ottos unfreundliche Haltung einfach ignoriert und ihn - wenngleich widerwillig - wieder in die Gesellschaft integriert. Durch ihre positive Art sieht und erlebt der alte Griesgram plötzlich viele Dinge, für die es sich lohnt, morgens aufzustehen. Sie ringt ihm sogar sein einziges Kompliment ab: "Du bist keine Idiotin".

"Ein Mann namens Otto" ist ein Film, der genau hält, was er verspricht, nicht mehr und nicht weniger. Wer sich den Trailer ansieht, kann den Verlauf aufgrund seines risikoarmen Plots bereits mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen. Denn das verwendete Konzept "Harte Schale mit weichem Kern" ist so klischeehaft wie die restliche Handlung. Dass Otto sein Leben wirklich aktiv beendet, daran ist bei keinem seiner vielen Anläufe ernsthaft zu glauben. Der Ernsthaftigkeit des Themas Suizid, das den Film wie ein dunkler Schatten umgibt, kann der deutsch-schweizerische Regisseur Marc Forster ("James Bond 007 - Ein Quantum Trost") nicht gerecht werden. Dafür ist die Tragikomödie weder düster, schwarz noch lustig genug, um Szenen zu rechtfertigen, in denen Otto wortwörtlich seinen Kopf aus der Schlinge zieht, um seine lauten Nachbarn zu maßregeln.

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Erst durch Marisol findet Otto seinen Lebenswillen wieder.

(Foto: IMAGO/Everett Collection)

Forster hat sich zwar Mühe gegeben, Otto weder als gehässig noch als vorurteilsbelastet wie etwa Clint Eastwood in "Gran Torino" darzustellen (sein Charakter erinnert eher an Jack Nicholson in "Besser geht's nicht"). Aber allein die Tatsache, dass es Tom Hanks ist, der die Hauptrolle spielt, lässt schon darauf schließen, dass der unleidliche Miesepeter irgendwann auftauet und stattdessen seine wahre Seite zum Vorschein kommt.

Um Ottos Verwandlung vom Einsiedler zum hilfsbereiten Nachbarn zu untermauern, verrennt sich der Film mitunter in zu vielen und langen Flashbacks und Nebenhandlungen, die genau erklären sollen, warum er ist, wie er ist. So geht der Rentner zwischendurch viral, nachdem er einem Mann das Leben rettet, und bringt mithilfe von Social Media auch noch eine rücksichtslose Immobilienfirma zu Fall. Doch so uninspiriert die Handlung zum Teil auch sein mag - den Tränen, die sicherlich früher oder später fließen werden, tut das keinen Abbruch. Wer nach einer dramatischen Geschichte dieser Art sucht, dessen Erwartungen werden mit "Ein Mann namens Otto" sicherlich gestillt.

"Ein Mann namens Otto" läuft ab dem 2. Februar in den Kinos.

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