Benko im U-Ausschuss: Er kam, sah und schwieg
Wie oft können Sie in vier Stunden eine Ihnen gestellte Frage nicht beantworten? Der gefallene Signa-Gründer René Benko tat das am Mittwoch vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss fast 50 Mal. Es gibt eine gewissenhaft geführte Stricherl-Liste dazu. So oft konnte oder wollte er den fragenden Parlamentariern keine konkrete Antwort auf die gestellten Fragen geben, weil er sich entweder nicht mehr erinnern konnte, keine Wahrnehmung hatte oder sich entschlug, um sich in möglichen anderen Verfahren nicht potenziell selbst zu belasten.
Eine Überraschung waren die zahlreichen Entschlagungen nicht. Gleich zu Beginn seiner Befragung entschuldigte sich Benko bei den anwesenden Abgeordneten, dass er auf die meisten Punkte wohl eher nicht eingehen werde. „Ich bin nicht mehr in der Lage, alle Ermittlungen in strafrechtlichen und zivilrechtlichen Belangen gegen mich zu überblicken“, sagte er in seinem knappen Eingangsstatement. Das mache es schwierig, zu beurteilen, wo er ein Entschlagungsrecht habe und wo nicht. „Deshalb ersuche ich um Verständnis, dass ich auf die meisten Fragen nicht eingehen werde“, erklärte Benko. Dabei gäbe es eine Menge offener Fragen, auf die der Signa-Gründer und ehemalige Milliardär erkenntnisreiche Antworten liefern könnte – wenn er denn wollte.
Da wäre einmal die Frage, was René Benko all die Jahre bei Signa eigentlich gemacht hat. Er hatte seit 2013 laut Firmenbuch keine operative Funktion in der Unternehmensgruppe mehr inne. Er war lediglich Vorsitzender des Signa-Beirats - ein prominent besetztes Gremium, das aber keine gesellschaftsrechtliche Funktion hatte. Vor dem U-Ausschuss bestritt Benko jedenfalls, „faktischer Geschäftsführer“ gewesen zu sein. Gut möglich, dass diese Frage irgendwann vor Gericht geklärt wird.
Immerhin reiste Benko mit Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz auf Staatsbesuch nach Abu Dhabi, etwa im Jahr 2017. Die Grünen-Abgeordnete Nina Tomasselli wollte von Benko wissen, in welcher Funktion er dort war – und vor allem warum. Sie stützte sich auf Dokumente aus dem Bundeskanzleramt zu besagter Wirtschaftsdelegations-Reise. Weder zu seiner konkreten Rolle bei Signa, noch zu den Besuchen in Abu Dhabi mit Kurz wollte sich Benko äußern. Er verwies auf ein laufendes Schiedsgerichtsverfahren, in dem der abu-dhabische Staatsfonds Mubadala von Signa und von Benko persönlich über 700 Millionen Euro fordert. profil berichtete exklusiv.
War er mit Kurz, Blümel, Sobotka und Co. auf einem Boot und im Chalet N?Apropos Ex-Kanzler Kurz: SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer wollte von Benko wissen, ob ihn Kurz auf seiner Yacht „Roma“ irgendwann zwischen 2017 und 2023 besucht habe. Und ob auch Ex-Finanzminister Gernot Blümel, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka oder Finanzmarkt-Chef Eduard Müller auf Benkos Boot waren. Benko waren diese Gäste nicht mehr erinnerlich. Er entschlug sich einer Antwort, um sich nicht möglicherweise doch selbst zu belasten. Im sogenannten Casag-Verfahren werden bekanntlich auch Benkos Kontakte zum ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium und Geschäftsführer der ÖBAG, Thomas Schmid, untersucht. Der Signa-Gründer hat sämtliche Vorwürfe immer zurückgewiesen.
Das beharrliche Schweigen zu seinen mutmaßlichen Gästen ging so weit, dass Benko nun womöglich eine Beugestrafe wegen Aussageverweigerung ausfassen könnte. NEOS-Politiker Yannick Shetty wollte von Benko wissen, ob eine Reihe von ÖVP-Granden – etwa Kurz, Blümel, Sobotka, Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger – im luxuriösen Chalet N in Lech zu Besuch waren. Als Benko darauf beharrte, nicht einmal über die erfragte Anwesenheit der Politiker dort Auskunft zu geben, kündigte Ausschuss-Vorsitzender Norbert Hofer an, drei Anträge auf eine Beugestrafe beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen. Hier drohen Benko jeweils bis zu 1.000 Euro Strafe. Da er mittlerweile selbst Insolvenz als Unternehmer angemeldet hat, dürfte es freilich schwierig werden, ein allfälliges Bußgeld einzutreiben.
Benko verwies bei allen Fragen in Zusammenhang mit dem Chalet N auf laufende Steuerverfahren und bevorzugte es zu schweigen. Der Fiskus, Signa und Benko selbst müssen womöglich noch vor Gericht darüber streiten, wer das Chalet N für welche Zwecke genutzt hat und ob hier auch ordnungsgemäß alle Steuern abgeführt wurden. Immerhin erhielt das Chalet N, das von Signa und Benko für geschäftliche und private Belange genutzt wurde, auch Corona-Hilfen.
Sollte Signa Inserate in Medien schalten?SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer wollte von Benko wissen, ob Amtsträger wie Sebastian Kurz oder Thomas Schmid Benko um finanzielle Unterstützung oder um Inseratenschaltung angefragt hätten. Konkret nannte Krainer hier die Mediengruppe „Österreich“. „Da die Signa und ich Teil des gesamten ‚Thomas-Schmid-Verfahrens‘ sind. Bei der Signa ist es ein Steuerthema, im Akt sind aber auch Inserate ein Thema; Thema sind auch die Krone (Zeitung, Anm.) und die Familie Dichand (Krone-Miteigentümer, Anm.) - da ich im Gesamtverfahren als Beschuldigter geführt werde, nehme ich von meinem Entschlagungsrecht Gebrauch“, sagte Benko, nachdem er sich länger mit seinem Anwalt Norbert Wess beraten hatte.
Das tat Benko oft. Am meisten sprach er nicht mit den Abgeordneten, sondern mit Wess – das Mikrofon war dabei naturgemäß ausgeschaltet.
Wieso war Gusenbauer bei Signa und was war seine Leistung?Benko scharte bei Signa eine Menge (Ex-)Kanzler und -Vizekanzler um sich. Einer davon war Ex-SPÖ-Regierungschef Alfred Gusenbauer, der sich kurz nach seinem Ausscheiden aus der Politik in den Dienst der Signa stellte. Er war zuletzt Aufsichtsratsvorsitzender der beiden werthaltigsten Signa-Gesellschaften – Signa Prime und Signa Development. Darüber hinaus war er auch als Berater für Signa tätig und stellte – ebenso wie Sebastian Kurz – Forderungen in Millionenhöhe in Rechnung. profil berichtete exklusiv.
ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger und FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker interessierten sich naturgemäß für die Altlasten des SPÖ-Altkanzlers und wollten von Benko Details zu Gusenbauers Funktion bei Signa, seinem politischen Netzwerk und seinen Beraterhonoraren wissen. Eine konkrete Antwort blieb Benko aber auch hier schuldig. Fragen zu Gusenbauer solle man besser den zuständigen Signa-Managern in den einzelnen Gesellschaften stellen, und nicht ihm.
Am Ende sagte Benko dann doch ein bisschen mehr, als die Abgeordneten im Vorfeld angenommen hatten, ohne dabei wirklich etwas zu beantworten. Und ein bisschen Humor ist ihm trotz allem noch geblieben. Hafenecker wollte vom Signa-Gründer wissen, ob Personen aus der SPÖ oder der ÖVP wegen Jobs, Unterstützung oder sonstigen Zuwendungen zu ihm gekommen seien? Und Benko antwortete: „Warum nehmen Sie die FPÖ jetzt hier raus?“ Sogar Hafenecker muss kurz lachen. Die Frage ist nun, wer in der facettenreichen Signa-Saga zuletzt lacht.
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".