Formel 1: Das Vermächtnis von Niki Lauda

Der Charismatiker mit 1000 PS: Niki Laudas Vermächtnis prägt die Formel 1 bis heute

Niki Lauda hat das Limit nie als Todeszone, sondern stets als lebensbejahend betrachtet. Am 22. Februar wäre er 75 Jahre alt geworden. Eine Würdigung.

Niki Lauda - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Niki Lauda in einer Aufnahme von 2018 – natürlich mit der berühmten roten Kappe.

Erwin Scheriau / Keystone

Dort, wo im Gang zur Mercedes-Garage in der Boxengasse die Kopfhörer für die ganze Mannschaft aufbewahrt werden, hängt sie immer noch, die berühmte rote Kappe. Ganz so, als hätte Niki Lauda die Formel 1 nach seinem Tod im Mai 2019 im Zürcher Universitätsspital nie verlassen.

Schon die ungewöhnliche optische Hommage zeugt davon, dass Lauda nicht nur ein herausragender Rennfahrer war, sondern auch ein ganz besonderer Typ Mensch. Wichtig nicht nur für ein Team, sondern überhaupt für den Top-Motorsport, als einer von dessen extremsten und spannendsten Charakteren. Ein Charismatiker mit 1000 PS. An diesem Donnerstag, dem 22. Februar, hätte der dreifache Weltmeister aus Österreich seinen 75. Geburtstag gefeiert.

Niki Lauda hatte den echten Wiener Schmäh

Jedwede Feierlichkeit war ihm nach aussen zuwider, im Innersten aber hat er sie wohl dennoch genossen. Als sich der Feuerunfall von 1976 am Nürburgring, der so tiefe Spuren an Gesicht, Körper und Seele hinterlassen hatte, wieder einmal jährte, lud er seinen Retter Arturo Merzario und Weggefährten wie Bernie Ecclestone zu einem Barbecue an die Unfallstelle ein. Echter Wiener Schmäh, wie der makabre Streich, den er später einer amerikanischen Fernsehreporterin vor Ort spielte. Lauda tat so, als hätte er gerade ein Ohr gefunden, sein Ohr. Dabei war es nur ein Kipferl vom Hotelbuffet.

Diesen Schalk kann sich nur einer erlauben, der das Limit nie als Todeszone, sondern stets als lebensbejahend betrachtet hat. Einer, der dem Tod tief ins Angesicht geschaut hat. Sowohl als Rennfahrer wie als Airline-Chef, als er 1991 nach dem Absturz einer Boeing 767 in Thailand durch den Dschungel stapfte, in dem 223 Menschen gestorben waren. Kämpfte er nach seinem Rennunfall noch um das eigene Leben, so trieb ihn im anderen Fall die Rehabilitation seiner Piloten an. Beide Male hat er verbissen gerungen – und war am Ende erfolgreich.

Niki Lauda war Formel-1-Weltmeister, hatte 1976 auf dem Nürburgring einen schweren Unfall, kämpfte sich zurück, wurde nach seinem ersten Triumph zwei weitere Male Weltmeister und schliesslich erfolgreicher Luftfahrtunternehmer. 2019 ist der Mann mit der roten Mütze gestorben, am 22. Februar 2024 wäre er 75 Jahre alt geworden. – Ein Blick zurück auf seine Karriere. Das Bild zeigt ihn 1975 in Österreich.

Rainer Schlegelmilch / Imago

Niki Lauda war ein echter Hardliner, ein Kind seiner Zeit. Überzeugt von eigenen Werten, bereit, für diese zu kämpfen. Doch er war auch ein Rennfahrer, der sensibler war und bedächtiger sein konnte, als es das Image zuliess. Aus dem Ferrari auszusteigen, kurz vor seinem beinahe sicheren WM-Triumph 1976, weil ihm die Piste in Fuji zu gefährlich war, zeugte von einer ganz anderen Art Mut: «Mein Leben ist mir wichtiger als eine Weltmeisterschaft.» Blind gemacht hatten ihn die rauen Sitten in der Königsklasse nie. Und so liess er es auf den Konflikt mit dem grossen Enzo Ferrari ankommen, James Hunt staubte den Titel ab. Was wäre das für eine Netflix-Geschichte gewesen, in dieser Saison damals, als Lauda, nur 42 Tage nachdem ihm ein Priester schon die letzte Ölung gegeben hatte, wieder im Cockpit sass. Immerhin, die Comeback-Story taugte zum Kino-Epos «Rush».

In der Realität waren Hunt und Lauda nicht bloss Gegner. «James und ich, wir waren beide Rebellen. Denn wir mussten unseren eigenen Weg finden und gehen», so erinnerte sich Lauda an seinen ungleichen Zwilling. Beide wurden von ihren vermögenden Eltern allein gelassen mit ihrem Willen zum Rennfahren, mit ihren Nöten, dem Risiko. Aber sie lebten genau so, wie sie leben wollten, als von ihrem Tun Besessene.

Den eigenen Weg gehen, so steinig er auch ist – so etwas schweisst zusammen. Lauda bewunderte Hunt, der wegen seiner vielen Unfälle «the Shunt» genannt wird, für dessen immer wieder aufs Neue an den Tag gelegtes eisernes Durchsetzungsvermögen. Hunt wiederum schätzte an «the Rat», wie er Lauda aufgrund der vorstehenden Zähne nannte, dass dieser nie nachliess in seinem Willen zur Verbesserung. In der Welt des Sports gehört dieser Zweikampf immer noch zu den grössten Geschichten.

In Italien verehren sie Lauda, auch 50 Jahre nachdem er zum ersten Mal in einen Ferrari gestiegen war, immer noch als «Niki Nazionale». McLaren hat ihm eine Bronzestatue gewidmet, die Figur zeigt das Victory-Zeichen. Drei Mal war er Weltmeister, 1975 und 1977 mit den Roten, 1984 mit den Briten und nur einem halben Punkt Vorsprung auf seinen Erzfeind Alain Prost.

In Österreich ehren sie ihn immer noch stärker als Jochen Rindt, obwohl der in Deutschland Geborene schon als Postum-Weltmeister 1970 eine Legende war. Aber Lauda war eben Lauda. Ausschweifende Sätze lagen ihm fern, er sagte auch als Berufs-Grantler bei RTL später nur das Nötigste. Ganz so, als hätte er immer Zeit zu verlieren. 1985 in Adelaide war er seinen letzten Grand Prix gefahren.

War auch ein erfolgreicher Luftfahrtunternehmer: Niki Lauda.

Imago

Er frühstückte im Fahrerlager – auf Kosten des Gegners

Privat war es im neuen Jahrtausend ruhiger geworden, nach der zweiten Heirat und der Geburt von Zwillingen. Seine zweite Frau Birgit hatte ihm 2005 eine Niere gespendet, 2018 war eine Lungentransplantation nötig geworden – alles Spätfolgen seines Rennunfalls. Die Gesundheit zwang ihn dazu, besser mit seiner Energie hauszuhalten, und er investierte sie erstmals in eine Art Privatleben, die mehr sein sollte als nur das ewige Kommen und Gehen. Es war ein spätes, vergleichsweise kurzes Glück.

Sentimentalitäten wurden dennoch nicht sein Ding. Man nehme nur seine Ansicht über Freundschaften: «Ich kann nicht sagen, was ein Freund ist – ich weiss nur eins: Oben hat man viele, in der Mitte wenige und unten – keine . . .»

Ausgerechnet einen derart kompromisslosen Menschen hatte der Daimler-Vorstand 2012 als Aussenminister auserkoren. Eine seiner ersten Amtshandlungen? Michael Schumacher loszuwerden und Lewis Hamilton anzuheuern, nachdem er eine Nacht lang Überzeugungsarbeit geleistet hatte. Damit wurde die erfolgreichste Ära eingeläutet, die je ein Rennstall in der Formel 1 erlebt hat. Lauda liess es sich dennoch nicht nehmen, an jedem Rennsamstag mit dem erbitterten Gegenspieler und Landsmann Helmut Marko von Red Bull im Fahrerlager zu frühstücken – auf Kosten des Gegners, versteht sich.

Das war Diplomatenarbeit auf die ihm eigene Art. Hinter dieser stand seine Überzeugung: «Rennfahrer sind nicht da, um andere, sondern nur, um sich selbst glücklich zu machen.» Die allerwichtigste Lebensweisheit von Niki Lauda war aber eine andere: «Du darfst nie die Lockerheit verlieren, das Autorennfahren als Freude zu empfinden. Nur wenn man mit Freude ins Auto steigt, sich tragen lässt von der Geschwindigkeit, als würde man gute Musik hören, wird man immer besser. Das ist die grosse Kunst.»

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