Legendäre ZDF-Weihnachtsserien: Die Magie von Timm Thaler ...

5 Stunden vor
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Einstige TV-Tradition

Timm Thaler, Silas, Jack Holborn – Die Magie der legendären Weihnachtsserien

Stand: 07:39 UhrLesedauer: 8 Minuten

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Patrick Bach als Jack Holborn, 1982Quelle: Getty Images/Peter Bischoff

Mit sechsteiligen Weihnachtsserien knüpfte das ZDF ab 1979 an die zuvor gefeierten Adventsvierteiler wie „Der Seewolf“ an. Bis in die späten 1990er waren sie Straßenfeger, für die sich die ganze Familie vor dem Fernseher versammelte. Eine Serie wurde sogar im Kino fortgesetzt.

Nur noch wenige Tage, und es ist wieder soweit: Die Bescherung und die Festessen sind dann vorüber, die Zeit zwischen den Jahren beginnt – und nun? In vielen Familien verbringt jeder die Abende bis Jahresende auf unterschiedliche Weise. Der Vater guckt ein bisschen fern, während die Mutter auf einem Laptop im Internet surft. Die ältere Tochter checkt ständig Social Media auf dem Smartphone, um in Kürze noch auszugehen. Der jüngere Sohn zockt Online-Games mit seiner Videospielkonsole.

Und das ist ja alles auch schön und gut. Aber manche Nostalgiker mittleren Alters denken wehmütig zurück an eine Zeit vor einigen Jahrzehnten, als es noch ganz anders war.

Das heutige fragmentierte Überangebot an Unterhaltung in all ihren Facetten gab es damals bekanntlich noch nicht. Die Welt war analog, und statt hunderten TV-Kanälen existierten nur ein paar. Deren Sendungen waren beileibe nicht alle gut. Allerdings gab es immer wieder große Highlights, die keiner verpassen wollte.

Diese „Straßenfeger“ mit enormen Einschaltquoten waren eine Gattung, die heute so gut wie ausgestorben ist. Sie brachten die ganze Familie und Freunde zusammen, gemeinsam versammelte man sich vor der Mattscheibe. Etwa, wenn Samstagabendshows wie „Einer wird gewinnen“ liefen. Und einmal im Jahr kam ein TV-Event, auf das sich insbesondere Kinder und Jugendliche, aber auch deren Eltern freuten: die Weihnachtsserie im ZDF.

Bereits seit den 1960er-Jahren hatte das ZDF in internationaler Co-Produktion alle paar Jahre zumeist zur Adventszeit aufwendige Abenteuer-Mehrteiler gesendet. Diese stießen auf viel Anklang, vor allem „Der Seewolf“ von 1971 mit Raimund Harmstorf in der Titelrolle sorgte für Furore und wurde zum Klassiker. Der Vierteiler unter der Regie von Wolfgang Staudte und Sergiu Nicolaescu handelte von einem Schriftsteller (Edward Meeks), der um die Jahrhundertwende in der Bucht von San Francisco als Schiffbrüchiger vom „Seewolf“, dem bedrohlichen Kapitän Wolf Larsen, zwar gerettet aber dann gezwungen wird, der Schiffsbesatzung beizutreten. Eine legendäre Szene, in der Larsen eine rohe Kartoffel mit der Hand zerquetscht, ging ins kollektive Gedächtnis ein (auch wenn Harmstorf alias Larsen beim Dreh eine leicht vorgekochte Knolle verwendete).

Daran knüpfte der Sender ab 1979 an und begann die Tradition der Weihnachtsserien. Diese erzählten fortlaufende Geschichten in jeweils sechs Teilen und liefen immer vom ersten Weihnachtsfeiertag an bis Jahresende, meist gegen 18 Uhr. Die Hauptfiguren waren Jugendliche, die spannende bis haarsträubende Abenteuer erlebten.

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Den Anfang machte am 25. Dezember 1979 „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“. Die Serie wurde zunächst in 13 Episoden à 25 Minuten gesendet und in Wiederholungen dann auf die später bei Weihnachtsserien standardmäßigen sechs Folgen à 45 bis 50 Minuten umgeschnitten.

Nach einem Roman von James Krüss erzählt die Serie ein modernes Märchen, in dem der 13-Jährige Timm (Thomas „Tommi“ Ohrner) sein Lachen an den geheimnisvollen, unheimlichen Baron de Lefouet (Horst Frank) verkauft, dessen Nachname ohne das „o“ und rückwärts gelesen nicht zufällig „Teufel“ ergibt. Im Gegenzug gewinnt Timm ab jetzt jede Wette. Doch bald merkt er, dass sein Leben nun nicht mehr lebenswert ist und wagt eine abenteuerliche Reise, um sein Lachen zurückzubekommen.

Gedreht in Hamburg und auf Lanzarote, war die Serie in der damaligen Gegenwart angesiedelt – enorme Koteletten, Schlaghosen und Golf 1 inklusive. Tommi Ohrner wurde mit „Timm Thaler“ zum Teenie-Star, woran er bis heute mit seiner TV- und Radiokarriere anknüpft.

Produziert wurde die Serie von Bernd Burgemeister, der auch bei einem Großteil der folgenden Weihnachtsserien als Produzent fungierte. Drehbuchautor war Justus Pfaue. Regie führte Sigi Rothemund, die Musik steuerte der Komponist etlicher Hits, TV- und Werbemelodien Christian Bruhn bei. Mit Burgemeister wurden Pfaue, Rothemund und Bruhn in der Folge zu den wichtigsten Gestaltern der Weihnachtsserien, so etwas wie das „Dreamteam“ dieses Genres, dessen Handschrift den Produktionen einen unverkennbaren Charakter gab.

Nachdem im Folgejahr mit „Madita“ eine schwedische Produktion als Weihnachtsserie eingekauft wurde, legten Burgemeister, Pfaue, Rothemund und Bruhn 1981 für das ZDF mit ihrem zweiten Klassiker nach: „Silas“. Die Titelrolle spielte der damals 13-jährige Patrick Bach, der wie Ohrner zum Teenie-Star avancierte, säckeweise Fanpost und „Bravo“-Cover inklusive. Er spielte danach in gleich drei weiteren Weihnachtsserien mit und prägte das Genre damit vor der Kamera ebenso sehr wie das Team um Burgemeister hinter den Kulissen. Bach ist bis heute als Schauspieler, Hörspiel- und Synchronsprecher sowie als Synchronregisseur aktiv.

Auf Grundlage der Romane von Cecil Bødker spielt „Silas“ irgendwo an einer nicht allzu fernen Küste (gedreht wurde in der Bretagne und Normandie), ungefähr im frühen 19. Jahrhundert. Der vom Wanderzirkus weggelaufene Silas erlebt diverse Abenteuer, bei denen ihm böse Erwachsene arg zusetzen. Mancher, der die Serie heute sieht, ist überrascht, wie rustikal und düster sie ist. Fortwährend versuchen diverse Gauner und die berüchtigte Pferdekrähe (Ingeborg Lapsien), Silas umzubringen und sein edles großes Pferd „Der Schwarze“ zu stehlen, das der mittellose Junge bei einer Wette gewonnen hat.

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Viel muss Silas durchmachen, aber er lässt sich davon nie unterkriegen, ist im Gegenteil rotzfrech, auch zu den wenigen, die es gut mit ihm meinen. Sein Lieblingsfluch ist „Grünspan und Entendreck!“, den er in jeder Folge immer dann sagt, wenn er sich ärgert oder überrascht ist. Verbiegen lässt er sich nicht und reitet mit seinem besten Freund Bein-Godik (Lucki Molocher) am Ende auf dem Schwarzen davon, obwohl er die Chance gehabt hätte, bei einer reichen Familie zu bleiben.

Neben seinem Schauspieltalent stellte Bach in der Serie auch Mut und Sportlichkeit unter Beweis, etwa als er in halsbrecherischem Tempo auf dem großen Pferd galoppierte, obwohl er kaum den Sattel ausfüllte. Das empfahl ihn für weitere Einsätze, und der nächste kam gleich im Folgejahr mit der Titelrolle in der vielleicht besten aller Weihnachtsserien: „Jack Holborn“.

Basierend auf dem Roman von Leon Garfield und realisiert vom bewährten Team um Burgemeister beginnt die Serie im Bristol des späten 18. Jahrhunderts. Der kleine Waise Jack will unbedingt Schiffsjunge werden und schleicht sich als blinder Passagier auf das Segelschiff Charming Molly, an das er vage Erinnerungen aus frühester Kindheit hat. Der charismatische Piratenkapitän Sharingham (Matthias Habich) weiß etwas über Jacks mysteriöse Herkunft, doch er will sein Geheimnis erst preisgeben, wenn Jack es schafft, ihm dreimal das Leben zu retten.

„Jack Holborn“ hatte alles, was jugendliche Abenteurer-Herzen höher schlagen ließ: Piraten-Action und Schiffsschlachten auf hoher See, Freibeuter mit Dreispitz, Augenklappe und Säbel. Ein sprechender Papagei namens Bartholomäus auf der Schulter von Pirat Vronsky (Andreas Mannkopff). Eine Schatzkiste voller Juwelen und Kostbarkeiten (inklusive des mythischen Riesen-Diamanten „Weiße Lady“). Wagemut, Verrat und Treue – und ein großes Geheimnis. Gedreht wurde die aufwendige Produktion an exotischen Schauplätzen: auf dem Meer, in Jugoslawien und auf der Pazifikinsel Rarotonga. Und für Christian Bruhns große Filmmusik wurde ein 50-Mann-Orchester aufgefahren.

Viel Aufwand wurde auch für die darauffolgende Weihnachtsserie im Jahr 1983 betrieben: „Nesthäkchen“. Burgemeister, Pfaue und Bruhn waren wieder mit an Bord, als Regisseur gab Gero Ehrhardt, der Sohn von Heinz Ehrhardt, sein Debüt. Nach einer Vorlage der von den Nazis in Auschwitz ermordeten Schriftstellerin Else Ury handelte die Serie von der kleinen Arzttochter Annemarie Braun (als Sechsjährige gespielt von Kathrin Toboll; als Zehnjährige dann mit Anja Bayer in der Rolle), die in Berlin-Charlottenburg während der Kaiserzeit aufwächst und kurz vor dem Ersten Weltkrieg wegen Scharlachs für eine Kur auf die Nordsee-Insel Amrum geschickt wird. In puncto Ausstattung der Produktion wurde viel Wert auf Details gelegt; bei der historisch akkuraten Ausstaffierung von Kulissen, Drehorten und Kleidern wie zuvor bei „Jack Holborn“ nicht gespart.

Bis 1986 setzten „Patrik Pacard“, „Oliver Maass“ und „Mino“ die Erfolgsgeschichte der Weihnachtsserien fort. 1987 erschien „Anna“, erneut mit Patrick Bach sowie in der Titelrolle Silvia Seidel, die 2012 tragisch verstarb. Die Serie über eine bei einem Autounfall schwer verletzte Jugendliche, die sich ins Leben zurückkämpft und Tänzerin werden will, wurde so erfolgreich, dass sie Ende 1988 sogar im Kino fortgesetzt wurde. „Anna – Der Film“ startete auf 350 Leinwänden und landete mit 1,8 Millionen Zuschauern in den Top 10 der erfolgreichsten Filme des Jahres in der Bundesrepublik.

Jahr für Jahr führte das ZDF die Tradition weiter, doch im Laufe der 1990er begann der Charme der Weihnachtsserien zu schwinden. Statt des alten „Dreamteams“ verpflichtete Produzent Burgemeister zuletzt nur noch andere Mitstreiter für Buch, Regie und Musik, und die frühere Magie der Serien ging verloren. Die Quoten sanken, die Konkurrenz durch Privatfernsehen und digitales Entertainment wuchs, und nach der Weihnachtsserie „Zwei allein“ (1998) war schließlich Schluss. Begründung des Senders: „Veränderte Sehgewohnheiten des Publikums“. Doch auf DVD leben die einstigen Publikumshits fort (und fünf der Serien, darunter „Timm Thaler“ und „Anna“, laufen dieses Jahr in Marathonprogrammierungen vom 21. bis 25. Dezember auf ZDFneo). So werden sie von manchen Nostalgikern noch heute an den Weihnachtsfeiertagen und zwischen den Jahren zelebriert.

Für WELTGeschichte blickt Martin Klemrath neben klassischen historischen Themen auch regelmäßig auf popkulturelle Phänomene vergangener Jahrzehnte zurück. Darunter deutsche Fernsehklassiker wie „Einer wird gewinnen“ und die legendären Hörspiele der 1970er und -80er.

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