Vor EM-Achtelfinal: Leonardo Genoni schreibt offenen Brief an Yann ...

3 Tage vor
Yann Sommer

Die Penalty-Helden der Nation: Leonardo Genoni führte die Eishockey-Nati in den WM-Final, Yann Sommer die Fussball-Nati in den EM-Viertelfinal. Genoni erinnert sich in seinem offenen Brief an Sommers Heldentaten und schreibt: «Das Spiel gegen Italien wird nicht das letzte der Schweiz sein an dieser EM.»

«Lieber Yann,

Nun ist es also so weit. Heute Abend triffst du mit der Schweizer Nationalmannschaft auf Italien. Ausgerechnet die Italiener. Nicht nur spielst du in der Serie A, auch hast du doch schon manches Spiel gegen unsere Nachbarn bestritten. Besonders in Erinnerung bleiben mir etwa die Duelle in der Qualifikation zur WM 2022. Jorginho lief zweimal zum Penalty an. Einen hast du gehalten, den anderen donnerte er in den Nachthimmel. Er ist wieder dabei, du ebenfalls. Und ich bin mir sicher, dass du diesen psychologischen Vorteil nutzen wirst. Mir haben solch positive Erinnerungen gegen spezielle Gegner immer geholfen.

Apropos Penaltys. Ich kann mich sehr gut an das Penaltyschiessen im Achtelfinal der EM 2021 gegen Frankreich erinnern. Wie du den letzten Penalty von Mbappé gehalten hast. Sprung in die rechte Ecke, die linke Hand schnellt hoch, der Ball prallt ab. Ein Big Save, zum genau richtigen Moment. Ich weiss noch genau, wie ich vom Sofa aufgesprungen bin und zu jubeln begonnen habe. Mein Sohn, damals wohl der grösste Mbappé-Bewunderer, war perplex, irgendwo zwischen Traurigkeit und Freude, trug er doch das knallgrüne Shirt mit der Nummer 1, deines …

Mein letztes Penaltyschiessen liegt heute genau fünf Wochen zurück. Im WM-Halbfinal gegen Kanada führten wir schnell mit 2:0, doch die Kanadier setzten zur Aufholjagd an, glichen aus. Nach einer torlosen Verlängerung liefen deren Superstars im Penaltyschiessen an. Ich wusste damals genau, dass wir diese ‹Lotterie› gewinnen würden. Es ist wohl ein Gefühl, das nur wir Torhüter haben; es gibt Abende, an denen wir uns unüberwindbar fühlen. Ich hoffe, du fühlst das gegen Italien auch!

Möglich macht solche Abende aber vor allem die Teamleistung. Und soweit ich eure Leistungen an der Europameisterschaft einschätzen kann, stimmt bei euch der Teamspirit. Niemand stellt sich über die Mannschaft. Ihr seid gemeinsam auf einer Mission. Genau dieser Zusammenhalt hat uns in Tschechien bis in den WM-Final gebracht. Auch wir hatten eine Mannschaft mit absoluten Topspielern, aber schlussendlich haben alle 26 Kaderspieler am gleichen Strang gezogen – wir sind zusammen durch dick und dünn gegangen.

Ich war nach der Rückkehr überrascht, welch Euphorie diese Weltmeisterschaft in der Schweiz ausgelöst hat. Genau dasselbe passiert mir momentan auch wieder. An Spieltagen sehe ich Schweizer Trikots auf den Strassen, auf den Tribünen im Stadion sind die Schweizer zu sehen und zu hören. Für mich sind die Einsätze für unser Land mitunter die grösste Motivation und Freude. Keine Spur von Nervosität. Ich kann diese Momente einfach nur geniessen. Ich bin sicher, das ist bei dir genauso.

Lieber Yann, wir kennen uns nur flüchtig. Damals, im Dezember 2021, haben wir uns im Rahmen der Sports Awards in Zürich getroffen. Du bist extra aus Mönchengladbach angereist, um den Preis für den MVP des Jahres abzuholen. Coronabedingt waren keine Zuschauer anwesend, was jedoch dazu führte, dass wir zusammen so lange an der Bar verweilten, bis sie uns aus dem Studio des Schweizer Fernsehens geworfen haben. Schöne Erinnerungen!

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