Borussia Dortmund besiegt VfL Wolfsburg: Nuri Sahin ist „zum Teil ...
Nuri Sahin trug ein Lächeln im Gesicht, als er am Sonntagabend seine Kernbotschaft vortrug, die er eigentlich auch mit einer satten Portion Ärger hätte einfärben können. Aber der Trainer von Borussia Dortmund war milde gestimmt, es ist Weihnachten, außerdem hatte sein Team ja 3:1 gewonnen zum Jahresabschluss beim VfL Wolfsburg.
„Wenn man meine ersten sechs Monate als Trainer analysieren will, dann muss man sich nur dieses Spiel anschauen“, sagte Sahin also gut gelaunt, nachdem seine Mannschaft ein halbes Spiel lang intensiv, niveauvoll und erfolgreich gespielt hatte. Um anschließend „weitestgehend offline“ zu gehen, wie der Mittelfeldspieler Julian Brandt erklärte. Wieder einmal. Ohne erkennbaren Grund, trotz entsprechender Mahnungen in der Pause, obwohl alle wussten, worum es geht.
Wäre diese Bundesligasaison eine Soap Opera, wäre Borussia Dortmund die Figur des Antihelden, keinesfalls unsympathisch, voller Potentiale, allerdings leidend unter dem Makel, sich mit dem einen oder anderen Tick selbst im Weg zu stehen.
„Wir müssen lernen, konstant zu werden“
Exakt dieses Phänomen bekam das Bundesligapublikum in Wolfsburg in einer Art „Was bisher geschah“-Format präsentiert: Auf eine brillante Halbzeit folgte eine zweite Hälfte, in der der Sieg beinahe noch verschenkt worden wäre. „Das ist dann auch ein Gesicht von uns, leider“, sagte Sahin zum fußballerischen Einbruch nach der Pause. „Das ist genau das, was ich den Jungs immer sage: Wir müssen endlich lernen, konstant zu werden.“
Mancher Trainerkollege hätte geschimpft und getobt, aber Sahin weiß, dass der fehlende Wesenszug, der im modernen Fußball oft mit Begriffen wie „Reife“, „Hunger“, „Mentalität“ oder „Erwachsensein“ beschrieben wird, nie unabhängig vom Chefcoach entsteht. Es geht darum, eine Erfolgskultur zu etablieren und die Fußballer dazu zu bringen, auch dann mit hoher Energie zu arbeiten, wenn sie einem Gegner fußballerisch grundsätzlich überlegen sind oder hoch führen.
Gegen Hoffenheim am dritten Advent verschenkten die Dortmunder aufgrund ihrer Nachlässigkeit zwei Punkte, Ähnliches drohte nun auch in Wolfsburg, wo der BVB nach Toren von Donyell Malen, Maximilian Beier und Brandt zur Pause 3:0 geführt hatte.
Er habe bereits mit dem Anstoß zur zweiten Halbzeit „gefühlt, dass wir uns zu sicher waren“, sagte Sahin. Einen Hebel, um korrigierend einzugreifen, fand er nicht, nicht weil Wolfsburg besser spielte, sondern weil Dortmund lässig wurde, begann die Partie zu kippen.
„Jeder hat die letzten Kräfte rausgeholt“
Erst als Pascal Groß wegen einer sogenannten „Notbremse“ die Rote Karte gesehen hatte (62. Minute), kehrte die Energie zurück. Plötzlich war wieder allen klar, dass der Sieg ohne maximalen Einsatz ernsthaft in Gefahr gerät. Als brauche diese seltsame Mannschaft manchmal einen kräftigen Schlag in den Nacken, um den Kopf klar zu bekommen. „Vielleicht war es wichtig, dass wir noch mal malochen mussten“, sagte Sport-Geschäftsführer Lars Ricken. „Jeder hat die letzten Kräfte rausgeholt.“
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Eigentlich ist das Problem gut bekannt beim BVB, neu ist aber der Umgang mit der Dauerschwäche. Während sich die Verantwortlichen in der Vergangenheit immer wieder schützend vor die Mannschaft stellten und den Eindruck erweckten, dass das medial verbreitete Meinungsbild der Kritiker falsch sei, stimmt Sahin Kritikern häufig zu.
Diese Vorgehensweise hat dazu beigetragen, dass der Trainer eigentlich nie ernsthaft infrage gestellt wurde, obgleich der BVB während des gesamten Halbjahres unterhalb der eigenen Erwartungen spielte. Nur in der Champions League stimmten die Leistungen und die Ergebnisse konstant.
Sahin war unterdessen immer präzise mit seinen Analysen, er hat auch zugegeben, wenn er selbst Fehler gemacht hat. Sogar das Kunststück, hart zu urteilen, ohne Spieler bloßzustellen, ist ihm gelungen. Er ist nie zu einer Figur geworden, die nach außen ein Projekt verteidigte, über das er sich nach innen selbst ärgert. Vielleicht meinte er diesen Aspekt, als er nach seinen ersten Monaten als Chefcoach auf diesem Niveau sagte: „Ich bin zum Teil stolz, dass ich ich selbst geblieben bin.“
„Nuri hat wirklich einen Top-Job gemacht“
Man kann ja schon fragen, warum dieser mäßig erfolgreiche Trainer für seine Arbeit mit einem sehr hoch eingeschätzten Kader nie ernsthaft infrage gestellt wurde. „Wir sind jetzt Sechster, und das ist auch der Platz, den wir am Ende verdient haben“, sagte Ricken zur enttäuschenden Zwischenbilanz. Der Sportchef sagte aber in Wolfsburg auch: „Nuri hat wirklich einen Top-Job gemacht.“
Die Laune ist gut in Dortmund, obgleich ihren Bemühungen einer der wichtigsten Aspekte weiterhin fehlt: Konstanz.