Verluste im Ukraine-Krieg: Putin wirbt von der Nato ausgebildete ...
Stand: 20.11.2024, 21:07 Uhr
Von: Sandra Kathe
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Einst kämpften afghanische Soldaten Seite an Seite mit den Briten gegen die Taliban, nun versucht wohl Russland die Kämpfer mit Nato-Ausbildung anzuwerben.
Teheran/Moskau – Nach über zweieinhalb Jahren Krieg in der Ukraine sind sich Fachleute trotz massiv abweichender Angaben aus verschiedenen Quellen einig: Die Verluste in den Reihen der russischen Streitkräfte sind gewaltig. Auch deswegen greift Wladimir Putin immer wieder zu eigenwilligen Methoden, Kämpfer anzuwerben – darunter auch die Rekrutierung von Gefängnisinsassen oder die Zusammenarbeit mit Nordkorea.
Nun berichtet die britische Zeitung The Independent vom Versuch Russlands, ausländische Elitekämpfer mit Nato-Ausbildung anzuwerben. Und von denen zeigen sich einige Putins Argumenten gegenüber dem Bericht zufolge grundsätzlich offen, auch weil sie sich seit der Machtübernahme der Taliban vom Westen im Stich gelassen fühlten.
Viele Nato-Länder haben beim Militäreinsatz in Afghanistan mit einheimischen Soldaten zusammengearbeitet und diese auch ausgebildet. (Archivfoto) © Aref Karimi/AFPRekrutierung in Iran und Afghanistan: Wie Russlands Militär um ausländische Kämpfer wirbtDie Soldaten, die derzeit von russischen Rekrutierungsbehörden vermehrt telefonisch oder persönlich angesprochen werden, gehören zu zwei in den 2000ern von britischen Soldaten ausgebildete Militäreinheiten der afghanischen Landstreitkräfte, die die britischen Truppen wegen der Einheitsnummern ATF 444 und CF 333 als „Triples“ bezeichneten. Beide Elitetruppen kämpften Seite an Seite mit britischen Soldaten – bevor 2021 nach dem von Donald Trump ausgehandelten Abzug aus Afghanistan die Taliban erneut die Macht übernahmen und viele Afghanen zur Flucht gezwungen wurden. Viele der Soldaten hofften auf die Möglichkeit, in Großbritannien Asyl zu finden, was vielen von ihnen unter der Tory-Regierung verwehrt wurde.
Nun also der Vorstoß der russischen Streitkräfte, die laut Recherchen des Independent nicht nur ehemalige „Triples“ in Afghanistan selbst ansprechen, sondern auch gezielt im Iran, wohin etliche der Soldaten nach der Taliban-Machtübernahme geflüchtet sind. Dem Bericht zufolge hätten mehrere der Nato-ausgebildeten Elitesoldaten eine erste Rekrutierungswelle bereits im vergangenen Jahr bestätigt, 2024 seien viele erneut mit einem Kontaktformular und der Aussicht auf eine Bezahlung von bis zu 3000 US-Dollar monatlich kontaktiert worden.
Aussichtslose Lage: Russlands Versuche afghanische Soldaten anzuwerben könnte gelingenWie ein ehemaliger „Triple“-Soldat der britischen Zeitung erzählte, gibt es unter den ehemaligen Nato-Kräften Gerüchte, dass ein ehemaliger afghanischer General in russischem Auftrag die Rekrutierung organisieren soll. Ein anderer berichtet von einem Gespräch in der russischen Botschaft in Teheran, bei dem ihm ein Angebot gemacht worden sei, in der Ukraine zu kämpfen. Seine Entscheidung „mit 200 Spezialkräften nach Russland zu gehen“ habe er nur deshalb verworfen, weil ihm ein ehemaliger Vorgesetzter davon abgeraten hätte. Zur Begründung für seine ursprüngliche Entscheidung für einen Einsatz in der Ukraine zitiert der Independent: „Wir dachten, wo auch immer wir die Möglichkeit bekommen, uns zu ernähren, können wir leben. Wir sahen uns dazu gezwungen, weil das Leben hier im Iran sehr schwierig ist.“
Putin wirbt um afghanische Soldaten – fühlen sich von Großbritannien im Stich gelassenNoch schwieriger macht die Lage der ehemaligen afghanischen Soldaten die Politik der iranischen Regierung, die angekündigt hat, rund zwei Millionen Menschen nach Afghanistan zurückzuschicken. Den Kämpfern und ihren Familien drohen dort unter der Herrschaft der Taliban Gewalt, Folter und Ermordung. Die britische Regierung derweil hat zwar angekündigt, bislang abgelehnte Asylanträge von „Triples“ erneut zu überprüfen und den ehemaligen Soldaten die Einreise nach Großbritannien eventuell doch zu ermöglichen, die versprochene Überprüfung zieht sich jedoch laut Independent-Bericht seit Monaten in die Länge. Von insgesamt 2000 Anträgen sollen jedoch selbst dann maximal 500 der „Triples“ eine Genehmigung zur Einreise ins Vereinigte Königreich bekommen, einigen anderen drohe eine Rückkehr nach Afghanistan.
Auch in Deutschland wird seit Jahren über die Aufnahme sogenannter „Ortskräfte“ aus Afghanistan debattiert, aktuell beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss mit dem hektischen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. (saka)