Orban im Kreml: Propagandageschenk für Putin
Orban im Kreml
Unter herber Kritik aus der EU ist Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban zu Russlands Präsident Wladimir Putin nach Moskau gereist. Gesprochen wurde im Kreml zentral über den russischen Krieg in der Ukraine. Orban inszenierte das Treffen als „Friedensmission“, Putin wollte Orbans Position und „die der europäischen Partner“ zur Ukraine hören. Am Ende ist es ein Propagandageschenk Orbans für Putin.
Online seit gestern, 19.41 Uhr (Update: gestern, 20.21 Uhr)
Putin wusste Orbans Anwesenheit zugunsten Russlands darzustellen: Er betrachte Orban bei dessen Besuch als Vertreter der gesamten EU, so der Kreml-Chef. „Ich gehe davon aus, dass Sie dieses Mal nicht nur als langjähriger Partner, sondern auch als Vorsitzender des Rates der Europäischen Union gekommen sind“, so Putin. Dass Orban davor selbst drauf verwies, als EU-Ratsvorsitzender kein EU-Mandat für Verhandlungen zu haben, spielte keine Rolle.
Allein die Tatsache, dass ein EU-Regierungschef mit dem Aggressor über Wege zum Frieden spricht, dient Putins gewünschter Darstellung. Orban wiederum stellte sich als Friedensstifter dar und sagte in Richtung Brüssel: „Wir können wir uns nicht zurücklehnen und darauf warten, dass der Krieg auf wundersame Weise endet.“ Zwar brauche es dazu noch viele Schritte, aber den Dialog habe man wiederhergestellt, so Orban – die mit Anfang Juli übernommene Ratspräsidentschaft sehe er als „Friedensmission“.
Orban und Putin inklusive Delegationen beim Treffen im Kreml „Letztes europäisches Land, das mit allen reden kann“„Ungarn wird langsam das letzte europäische Land werden, das mit allen reden kann“, sagte Orban, dessen einleitende Ausführungen via Liveübertragung auf der Website der russischen Agentur RIA Nowosti ausgespielt wurden. Für Putin wiederum bot sich die Gelegenheit zur Darstellung, dass die Ukraine den Krieg nicht beenden wolle. Zugleich bekräftigte er die Forderung Moskaus, das angegriffene Land müsse von Russland beanspruchte Teile des Staatsgebiets aufgeben.
Orban gilt als russlandfreundlich: So hat er Verhandlungen über Ukraine-Hilfen und Russland-Sanktionen stets verzögert bzw. zu verhindern versucht. Von allen EU-Staats- und -Regierungschefs gilt er als derjenige, der Putin am meisten zugeneigt ist. Zugleich steht er der westlichen Militärhilfe für die Ukraine kritisch gegenüber. Beim Besuch in Kiew am Dienstag forderte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf, eine Feuerpause in Erwägung zu ziehen.
„Orban hat kein Mandat für Besuch“Orbans Besuch in Moskau war bereits am Donnertag kolportiert worden, wurde aber faktisch erst mit der Landung des ungarischen Regierungsflugzeugs in Moskau offiziell bestätigt. Rasch teilten EU-Spitzenvertreter mit, dass Orban in Moskau nicht die EU vertrete. So etwa EU-Chefdiplomat Josep Borrell: „Der Besuch (…) findet ausschließlich im Rahmen der bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und Russland statt“, teilte er mit.
Die EU-Ratspräsidentschaft sehe keine Vertretung der Union nach außen vor. Diese Aufgabe liege auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs bei Ratspräsident Charles Michel und auf Ministerebene bei ihm, so Borrell. „Orban hat vom Rat der EU kein Mandat erhalten, Moskau zu besuchen“, so Borrell. Die EU-Position zum Krieg spiegle sich in Schlussfolgerungen des Europäischen Rates wider und schließe offizielle Kontakte zwischen der EU und Putin aus.
Außenpolitikexperte Paul Krisai (ORF) ist zu Gast im Studio. Er spricht über Viktor Orbans Besuch in Moskau und die Kritik in der EU, die er damit hervorgerufen hat.
Borrell erinnerte zudem daran, dass Putin vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angeklagt wurde und ein Haftbefehl gegen ihn wegen seiner Rolle im Zusammenhang mit der Zwangsdeportation von Kindern aus der Ukraine nach Russland erlassen wurde.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilte in einer ersten Reaktion mit, „Besänftigung“ würde Putin nicht stoppen. „Nur Einigkeit und Entschlossenheit werden den Weg zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine ebnen.“
Über konkrete Schritte gegen Orban als Reaktion auf seine Reise wollte man in der EU-Kommission nicht reden: Orbans Putin-Besuch „gefährdet“ aber einen für nach dem Sommer geplanten Besuch der EU-Kommission in Budapest, „als klares Zeichen, dass es Handlungen gibt, die aus unserer Sicht ganz klar in die falsche Richtung gehen“, sagte ein Kommissionssprecher.
Kallas: Orban will „Verwirrung stiften“Weitere Politikerinnen und Politiker aus der EU empörten sich in sozialen Netzwerken über die Reise. Kaja Kallas, Premierministerin von Estland und designierte EU-Außenbeauftragte, schrieb auf X (Twitter), Orban repräsentiere nicht die EU: „Er nutzt die Präsidentschaft aus, um Verwirrung zu stiften.“ Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda verwies darauf, dass die „einseitige Entscheidung“ Orbans die Glaubwürdigkeit der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft untergrabe.
Stoltenberg: Orban vertritt nicht NATOAuch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nahm zum Besuch Orbans in Moskau Stellung: Dieser sei in seiner Funktion als Ministerpräsident seines Landes in Moskau und vertrete nicht das westliche Militärbündnis, dessen Mitglied Ungarn ist, sagte der Norweger. Es gebe keine Anzeichen, dass Putin zu einem Frieden bereit sei.
Die US-Regierung zeigte sich „besorgt“ über die überraschende Reise Orbans. Das Verhalten des NATP-Partners sei mit Blick auf die Unterstützung der Souveränität der Ukraine „kontraproduktiv“ und trage nicht zum Frieden in dem von Russland angegriffenen Land bei, sagte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre.
Nach der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes inszeniert sich Ungarns Regierungschef Viktor Orban weiter als Friedensstifter im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Nach seinem Besuch in Kiew, bei dem er den ukrainischen Präsidenten Selenskyj dazu aufgefordert hatte, eine Feuerpause in Erwägung zu ziehen, traf Orban Putin im Kreml.
Das ukrainische Außenministerium reagierte schroff auf den unangekündigten Besuch Orbans in Moskau. „Wir erinnern daran, dass der Grundsatz ‚Keine Abkommen über die Ukraine ohne die Ukraine‘ für unser Land unantastbar bleibt und rufen alle Staaten dazu auf, sich strikt daran zu halten“, hieß es aus Kiew. Die Reise sei ohne Zustimmung Kiews erfolgt und mit der ukrainischen Seite auch nicht abgestimmt worden.
Ähnlich äußerte sich der ukrainische Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez. Der Besuch Orbans bei Putin ist „mit der Ukraine nie diskutiert/abgestimmt“ worden, schrieb er auf X. „Der einzig realistische Weg zur Wiederherstellung des gerechten Friedens“ sei der von der Ukraine vorgeschlagene.