Kürzester Tag ist nicht gleich spätester Sonnenaufgang
Der kürzeste Tag, die Wintersonnenwende, fällt auf den 21. Dezember. An diesem Tag steht die Sonne so flach über dem Horizont wie an keinem anderen im Jahr. Sie geht spät auf und früh unter. Ab diesem Zeitpunkt werden die Tage wieder länger. Rechnerisch gesehen ist die Wintersonnenwende der Tag mit den wenigsten Lichtstunden.
Die Rolle der Erdbewegung
Allerdings ist der Tag der Wintersonnenwende nicht der, an dem die Sonne über Mitteldeutschland am frühesten untergeht. "Diese Abweichung wird durch die sogenannte Zeitgleichung erklärt", sagt Dirk Schlesier, Leiter des Planetariums in Halle. Wie Schilling verfolgt er das Ziel, astronomisches Wissen auch für junge Menschen verständlich zu machen. Schlesier erklärt die Diskrepanz durch zwei unterschiedliche Zeitsysteme: Da ist die mittlere Sonnenzeit, die eine gleichmäßige Zeit misst und die wir im Alltag verwenden, da alle unsere Uhren diese anzeigen. Anders verhält es sich bei Sonnenuhren, die die wahre Sonnenzeit messen, die sich nach der tatsächlichen Bewegung der Sonne richtet. Würden wir uns nach der wahren Sonnenzeit richten, hätten wir ständig Zeitprobleme. Aber warum ist das so?
Zum einen liegt es daran, dass die Erde sich in einer Ellipse um die Sonne bewegt. Dadurch ist die Geschwindigkeit der Erde um die Sonne nicht gleichmäßig. Der zweite Grund ist die geneigte Achse der Erde. "Im Grunde läuft die Sonne unserer Zeit, die wir mit der Uhr messen, phasenweise ein wenig hinterher oder voraus", erklärt Schlesier. "Das sind im Prinzip die beiden Hauptursachen für diese Zeitabweichung", führt Schlesier aus. "Und weil die Sonne an einigen Tagen ein paar Minuten vor- oder nachgeht, erleben wir das Phänomen, dass der früheste Sonnenuntergang einige Tage vor der eigentlichen Wintersonnenwende liegt."
Die Sonnenuhr geht "falsch"
Um die Tag-und-Nacht-Gleichen im Frühling und Herbst verändert sich die Position der Sonne stark. In dieser Zeit steigt oder fällt die Sonne jedoch langsamer in Bezug auf den Äquator. Im Gegensatz dazu bleibt die Sonne rund um die Sonnenwenden im Sommer und Winter fast auf der gleichen Höhe, bewegt sich aber schneller.
Diese Unterschiede entstehen durch zwei Faktoren: die Neigung der Erdachse und die elliptische Form der Erdumlaufbahn. Daher stimmen die mittlere Sonnenzeit und die wahre Sonnenzeit selten überein.
Als Ergebnis können Sonnenuhren bis zu 16 Minuten vor- oder 14 Minuten nachgehen.
Für viele Menschen, die selten unter freiem Himmel sind, sind diese Veränderungen kaum spürbar, erklärt Schlesier. Dennoch können die exakten Zeitpunkte von Sonnenauf- und -untergang präzise berechnet werden. Auch wenn diese Unterschiede wenig Einfluss auf unseren Alltag haben, betont der Leiter des Planetariums in Halle die Relevanz des Wissens hinter diesen Phänomenen.
Astronomielehrer Schilling sieht das ähnlich. Er unterstreicht die Bedeutung des Verständnisses für die Bewegung der Erde um die Sonne, die nicht nur unseren Tagesrhythmus, sondern auch Phänomene wie zum Beispiel die Jahreszeiten beeinflusst. Er bedauert jedoch, dass das Interesse junger Menschen in der Schule abnimmt: "Es gibt heute leider nicht mehr so viele junge Menschen, die sich dafür begeistern." Trotzdem bleibt die Wintersonnenwende für ihn ein wichtiges Thema: "Das hat die Menschen nicht nur jetzt, sondern schon vor 7000 Jahren fasziniert. Diese Phänomene gehören einfach zur Geschichte unserer Zivilisation."