Musikwissenschaft: Der Klang von Weihnachten
Musikwissenschaft
Ob im Radio, im Kaufhaus oder am Heiligen Abend zu Hause: Weihnachtslieder sind in der „stillsten Zeit des Jahres“ allgegenwärtig. Dabei gibt es immer wieder klangliche Ähnlichkeiten – und einen vermeintlich „geheimnisvollen“ Akkord, der Lieder weihnachtlich klingen lassen soll, wie ein Musikwissenschaftler erklärt.
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Nicht nur funkelnde Beleuchtung und Vanillekipferl, auch altbekannte Klänge wie „All I want for Christmas“ von Mariah Carey und „Last Christmas“ von Wham bringen die Menschen in Weihnachtsstimmung. Ein ganz bestimmter Akkord lässt diese und andere Lieder „weihnachtlich“ klingen: der D-Moll-Septakkord mit verminderter Quinte oder Dm7b5.
Dieser Akkord wird in verschiedenen Weihnachtsliedern verwendet. Stephan Reisigl vom Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien hat eine mögliche Erklärung dafür: „Die Offenheit dieses Akkords erzeugt eine Möglichkeit von vielen Assoziationen und im tonalen Sinn sogar so etwas wie Erwartungen.“ Der Akkord tauche auf, und man frage sich, wie es weitergeht, so Reisigl im Interview. „Man ist gespannt, weil man noch nicht genau weiß, was kommt, aber man merkt, dass eine Überraschung folgen wird.“
Derzeit sind an jeder Ecke Weihnachtssongs zu hören, die eines gemeinsam haben: Sie folgen oft denselben klanglichen Mustern. Musikwissenschaftler beschäftigen sich schon länger mit dem „Sound von Weihnachten“ und sind auf der Suche nach einer möglichst genauen Beschreibung dafür, was den typischen Weihnachtssong ausmacht.
Wichtig ist hier aber der Kontext, in dem der Akkord gespielt wird. In einem Moll-Kontext, der als dunkel und manchmal auch als traurig bezeichnet wird, entfaltet er nicht so sehr seine Wirkung wie in einem Dur-Kontext, der als hell und auch fröhlich gilt.
Den Unterschied macht hier der Kontrast: Der Wechsel vom hellen Dur- auf den eintrübenden Moll-Akkord und wieder zurück in den nun auflösenden Dur-Akkord erzeugt oft ein bittersüßes Gefühl, eine Art Schwanken zwischen glücklich und melancholisch. In einem Moll-Kontext kann der D-Moll-Akkord keine zusätzliche Dunkelheit mehr beifügen.
„Der Akkord kann in einem Dur-Kontext eine Art Erwartung erzeugen, und diese Erwartung kann man wiederum mit Weihnachten assoziieren“, so Reisigl. Ein direkter Weg von Akkord zu Weihnachten sei aber zu hoch gegriffen. Man kann eher von einem Rezept für ein Weihnachtslied sprechen – mit dem geheimnisvoll klingenden Dm7b5-Akkord als eine der Zutaten.