Wanda: Mit Pop gegen Verlust

Verlust, Trauer und Tod, aber auch Mut und Liebe. Das alles hat Platz auf dem neuen Album von Wanda. „Ende Nie“ ist ein tiefgehendes Popalbum über das Leben.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Mehrere goldene Singles und LPs, bis jetzt neun Amadeus Austrian Music Awards und Konzerte in ausverkauften Großvenues wie der Wiener Stadthalle. Was die Band Wanda in ihrer knapp zwölfjährigen Geschichte erreicht hat, gelingt den wenigsten Künstlerinnen und Künstlern aus Österreich. Jetzt veröffentlicht die zum Trio geschrumpfte Band ihr sechstes Studioalbum „Ende Nie“. Ein mehrdeutiger Titel, der auf das Image einer unzerstörbaren Band referieren könnte, aber auch als Schlachtruf gelesen werden könnte, um aus Verlust, Verzweiflung und Trauer gestärkt hervorzugehen.

Doch das ist einer der Mythen, die in der Popkultur gerne bedient werden. Die Wahrheit sieht wohl etwas anders aus. Denn „Ende Nie“ ist eine eineinhalbjährige Verarbeitung des Todes von nahestehenden Personen, ein Gefühl einer zerbrochenen Welt und es ist der Kampf zurück ins Leben. Die Spuren der einschneidenden, lebensverändernden Momente haben sich selbst nach der heilenden Studioarbeit nicht ganz aufgelöst. So hat die Band rund um Sänger Marco Wanda nach einer Reihe von Interviews ihre noch anstehenden Gespräche mit der Presse abgesagt.

Schon in der Single „Es kann jeder sein“, die vor zwei Monaten erschienen ist, machen Wanda uns auf ihre direkte Art klar, dass das Leben fragil ist. Es kann eben jeden treffen. Jederzeit. Und vom Höhenflug ist es oft nur ein Moment zum Abstieg in eine dunkle Höhle.

Es wäre ein Leichtes, den neuen Songs von Wanda eine neue Tiefe zu attestieren. Damit würde man aber auch dem bisherigen Werk eine Oberflächlichkeit zusprechen, die es nicht hatte. Das vor zehn Jahren erschienene Lied „Bologna“ beispielsweise handelt zwar vordergründig von unerfülltem Sexualleben und Beziehungskrisen, ist aber damals schon eine Verarbeitung des Todes einer geliebten Tante gewesen. So haben Wanda den Verlust immer schon in ihre Songs aufgenommen. Die Art und Weise, wie Themen damals verhandelt worden sind, war jedoch eine andere.

Marco Wanda: „Vor zehn Jahren waren wir eher bemüht, auf Biegen und Brechen gehört zu werden, und hatten diesen jugendlichen Sturm und Drang. Und wir wollten eigentlich nur high sein und Sachen zerstören. Und uns abreagieren. Dass sich unser Leben so entwickelt, das konnte ich vor zehn Jahren nicht abschätzen.“

Der Tod des geliebten Keyboarders, Gründungsmitglieds und Freundes Christian Hummer hat zu dem Song „Bei niemand anders“ geführt. Eine Ballade, die zwar ihm gewidmet ist, aber über Trauer und Verlust hinaus ein größeres Thema hat.

Marco Wanda: „Dieses Lied will sich ja nur auf einen Aspekt des Verlusts konzentrieren. Und das ist der Aspekt der Liebe zu dieser Person. Eigentlich ist es ein Lovesong letzten Endes. Es geht ja nicht explizit um das Sterben, sondern der Ich-Erzähler drückt seine Liebe zu einer Person aus. Und die muss in Wahrheit auch gar nicht verstorben sein.“

Das macht auch klar, warum die Songs von Wanda so erfolgreich sind. Sie schaffen und bieten Raum für Identifikation. Sie sind aus dem Leben heraus geborene Allgemeinplätze menschlicher Erfahrung. Und auch wenn sie autobiografische Züge enthalten, schafft es Marco Wanda, sein persönliches Leben nicht mit dem des in den Liedern auftauchenden Erzählers komplett zu vermischen.

Deshalb durchleben Wanda auf der Bühne auch nicht eins zu eins die Trauer und den Verlust, wenn sie die Stücke spielen.

Marco Wanda: „Ich sehe Songs wie Artefakte. Wir laden Songs mit unglaublich viel auf. Mit Bedeutung, persönlicher und auch gesellschaftlicher. In Ermangelung von echten Artefakten - wir haben alle keine schamanistischen Figuren zu Hause - sind es bei uns Songs. Und du durchlebst auf der Bühne, wenn du diese lieber spielst, nicht die Emotionen, die dem Song zugrunde liegen. Du bist in einem ganz anderen Rausch. Es ist ja auch nicht nur ein Gefühl. Es gibt keinen guten Song, dem nur ein Urknall zugrunde liegt. Im Idealfall packst du immer wieder dein ganzes Leben in einen Song.“

Damit das auch funktioniert, hat es speziell für dieses Album einen sicheren Raum gebraucht. Den hat der ehemalige Bilderbuch-Produzent Zebo Adam der Band geboten. Ohne zeitliche Vorgabe, ohne Druck. Dafür mit menschlicher Offenheit und Geduld.

Marco Wanda: „Viele Produzenten haben auf meine Songentwürfe geantwortet: Wo soll das hingehen? Das ist ja noch nicht fertig! Das hat unsere damalige Situation vollkommen außer Acht gelassen, und man hat mit mir geredet, als wäre nichts passiert. Und das ging natürlich nicht. Und Zebo war der Erste, der gesagt hat: ‚Hey, ich kann mir ungefähr vorstellen, an welchem Ort ihr menschlich gerade seid. Und ich will euch einen sicheren Rahmen schaffen. Und wir denken an nichts anderes als an die Songs.‘ Er hat uns entlastet und die Situation als Mensch sehr ernst genommen. Insofern war er der ideale Produzent für das Album. Und ich bin ihm ewig dankbar. Das war sehr stark.“

Die Freundschaft mit Produzent Adam, die sich über die eineinhalb Jahre Studioarbeit entwickelt hat, war notwendig für dieses Album. Denn Freundschaft bedeutet auch Liebe. Und schließlich geht es Marco Wanda bei allem, was er tut, um die Liebe. Nicht umsonst war der Schlachtruf 2014 „Amore!“.

Marco Wanda: „Der Urgedanke ist einfach immer noch derselbe. Wir wollen Menschen zusammenbringen. Deshalb suche ich dauernd Themen, die jede und jeder verstehen kann. Die ganze Wanda-Karriere ist genau in dem Jahrzehnt der Spaltung passiert. Also für mich ist die Überschrift von 2014 bis 2024 Rechtsruck und gesellschaftliche Spaltung. Und genau in dieser Zeit haben wir uns sehr bemüht, Leute zusammenzubringen und zusammenzuhalten. Und nicht zu spalten. So gut es halt geht.“

Und das ist eine Entscheidung. Täglich. So wie wir uns in Beziehungen auch täglich für die Liebe entscheiden können. Das thematisiert eines der Highlights der Platte, der Song „Wachgeküsst“. Eine Hymne für das Zulassen von Veränderung und die Hinwendung zur Liebe.

Marco Wanda: „Ich bin mir sicher, dass man von anderen Menschen wachgeküsst werden kann. Sagen wir so - wenn man wach und offen dafür ist, dann kann man sich von Menschen verändern lassen. Und man kann sich auch von der Liebe verändern lassen. Das muss man halt wollen. Das kommt auch nicht von selbst. Das ist auch ein Prozess. Man kann der Liebe ja auch mit Mauern begegnen und man kann sagen, ich bring da jetzt eher meine Punkte durch, damit ich da irgendwie wieder heil rauskomme, oder du kannst sagen - nein ich schaff einen Zwischenraum, den gestalten wir und ich lass mich dadurch verändern.“