Im Wahllokal: Worauf es Velbertern bei der Wahl ankommt
Velbert. Am 9. Juni war Wahltag. Die Velberter und Velberterinnen teilen ihre Ansichten zu Problemen, Hoffnungen und der Bedeutung der Europawahl mit.
Ein Kinderwagen und ein rotes Kinderrad stehen neben dem Eingang des Wahllokals der Stadtwerke Velbert an der Kettwiger Straße. Kaum betritt jemand das Wahllokal, sieht man schon den nächsten die Straße entlangkommen. Regelmäßig kommen Menschen zu Fuß, viele mit ihren Familien, um hier ihre Stimme abzugeben. An der Eingangstür hängt ein Musterwahlzettel für die diesjährige Europawahl. „Hoffen wir mal, dass sich etwas ändert,“ sagt ein junger Wähler, der gerade das Wahllokal verlässt und sich dann fix auf seinen E-Scooter schwingt.
Auch interessantPappstrohhalme, angebundene Deckel an den Flaschen oder die Gurkenverordnung sind einige Beispiele, die Wähler nennen, wenn sie ihre Unzufriedenheit mit der Europapolitik ausdrücken. Wenn wichtige Themen wie Umweltschutz angegangen werden, dann mit unzureichenden oder missglückten Regelungen, kritisieren sie. Auch sei für viele die Wahl nicht eine Entscheidung für eine Partei, sondern lediglich gegen die AfD. Wir haben Wähler befragt, welche Themen ihnen wichtig sind und wie sie auf die EU blicken.
Wahlhelfer Jens Michaels engagiert sich bereits seit etwa 2001 als Wahlhelfer in Velbert. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller
„Die Leute kommen immer in Stoßzeiten, wenn sie ohnehin gerade die Familie besucht haben oder in der Kirche waren“, erzählt Wahlhelfer Jens Michaels, der bereits seit etwa 2001 Wahlhelfer ist. Wie die anderen Wahlhelfer arbeitet er bei der Stadt. „Wir hatten noch nie große Schwierigkeiten mit den Wahlen hier. Keine fehlenden Wahlzettel oder sonstiges Chaos“, berichtet er. Im Vergleich zu den bisherigen Wahlen sei die Beteiligung hier nicht geringer, aber auch nicht sonderlich viel höher. Man merke jedoch, dass wichtige Themen die Leute ins Wahllokal treiben.
Viele der befragten Wähler berichten, dass die Europawahl ihnen genauso wichtig ist wie andere Wahlen. „Wir Europäer müssen zusammenhalten“, sagt eine Wählerin. Insbesondere der Krieg in der Ukraine habe sie dazu bewegt, gemeinschaftliche Sicherheitsmaßnahmen in Europa zu befürworten. „Es ist mir wichtig, dass wir stark bleiben und uns nicht von anderen Weltmächten unterkriegen lassen“, betont sie.
Neben Sicherheit, Migration, Umweltschutz und dem Widerstand gegen den Rechtsruck in Europa betonen viele der befragten Wähler, dass soziale Gerechtigkeit ein großer Wahlgrund für sie sei. „Der Umgang mit älteren Menschen ist einfach respektlos. Wenn ich höre, dass Rentner wegen ihrer mickrigen Rente Pfandflaschen sammeln müssen, finde ich das wirklich schrecklich,“ erklärt eine Wählerin. Altersheime würden schließen oder seien unfinanzierbar, es fehle an Pflegepersonal und die Renten seien zu niedrig – im Bereich Seniorenpolitik gebe es viele Baustellen, die Wähler bewegen. Auch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verärgere viele.
Das Geld der EU werde an den falschen Stellen ausgegeben, meinen manche der befragten Wähler. Auch der Einfluss der Wahl wird angezweifelt. „Entscheidungen und Schuld werden oft von einem zum anderen geschoben“, sagt eine Wählerin. Ähnlich wie bei Bund und Land sei Europa lediglich eine weitere Ebene.
„Mich verfolgt ehrlich gesagt schon seit längerem eine allgemeine Politikverdrossenheit. Angefangen hat es vielleicht mit dem Skandal um Schwesigs Kreml-Stiftung, allgemeinen Verbindungen mit den Russen – damit bin ich sehr unzufrieden und desillusioniert. Ich würde mir eine härtere Hand gegen Russland wünschen,“ betont ein Wähler. Korruptionsvorwürfe, Affären und Skandale in der politischen Welt führen bei mehreren der befragten Wähler zu Unmut gegenüber der deutschen und europäischen Politik. „Wie soll ich mich für jemanden in Europa entscheiden, wenn ich mit unseren Politikern total unzufrieden bin?“ fragt ein Wähler.
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„Traumtänzerei“ nennt es ein Wähler, als er die Politik vieler Parteien beschreibt. Einigen Wählern sei es schwergefallen, sich für eine Partei zu entscheiden. „Es hat sich einiges verändert, Parteien haben sich verändert. Dass die Grünen sich so stark für Waffenlieferungen einsetzen, ist auch nicht wirklich das, wofür sie einst standen,“ so ein Wähler. Einige Wähler betonen, dass sie sich wegen der Unzufriedenheit mit den großen Parteien dazu entschieden haben, kleinen Parteien eine Chance zu geben.
„Genau hier hineinwerfen“, sagt Wahlhelfer Christian Graß zu einer Wählerin, die gerade ihre Stimme abgibt. Es ist das erste Mal, dass er als Wahlhelfer in Velbert tätig ist. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller
Auch interessant„Der Wahlkampf ist an uns irgendwie vorbeigezogen,“ erzählt ein Pärchen. Für sie sei es schwierig gewesen, eine Entscheidung zu treffen. „Ich bin bis jetzt nicht 100-prozentig sicher, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe,“ sagt eine Wählerin. „Man muss für die Europawahl auch verinnerlichen, in welche Fraktion eine Partei im Europäischen Parlament angehört und welche Ziele die Fraktion verfolgt. Vielleicht hilft das auch bei der Entscheidung,“ erklärt eine weitere Wählerin.
